Die 18-jährige Wendy wird demnächst aufs College gehen. Einen Sommer Zuhause hat sie noch. Doch dieser verläuft völlig anders als geplant. Aus ihrer Heimatstadt verschwinden Kinder – so wie einst Wendy und ihre zwei Brüder. Nur Wendy kehrte damals zurück. Sie hat keine Erinnerungen daran, was passiert ist, aber die aktuellen Ereignisse wühlen sie stark auf. Als sie eines Nachts auf einen jungen Mann trifft, könnte er der Schlüssel zu ihren Erinnerungen sein. Denn es handelt sich um Peter Pan, den Jungen, den es nur in ihren Geschichten geben dürfte…
Wer auf eine neuerzählte, aber doch klassische Peter Pan-Story hofft, wird bei diesem Buch enttäuscht werden. Die Geschichte hat wenig mit dem Klassiker zu tun – und doch gibt es immer wieder kurze Momente, Erinnerungen der beiden an die Vergangenheit, bei denen ich an Szenen aus dem Zeichentrickfilm denken musste, was ein ganz witziger Effekt in der ansonsten sehr düsteren Geschichte war.
Fünf Jahre zuvor waren Wendy und ihre Brüder verschwunden. Seit fünf Jahren gelten die zwei als vermisst, während Wendy selbst aus heiterem Himmel wieder aufgetaucht ist. Niemand weiß, was damals passiert ist. So gern Wendy sich auch erinnern möchte, in ihrem Kopf herrscht Leere. Zwar hat Wendy nie die Hoffnung aufgegeben, die Situation in der Familie ist seitdem aber schwierig.
Sie ist traumatisiert von den Ereignissen, die Schatten der Vergangenheit begleiten und belasten sie stetig. Wendy macht sich Vorwürfe, dass sie die Rätsel lösen könnte, wenn sie sich doch nur erinnern könnte. Sie ist mir ihren Ängsten und Konflikten gut dargestellt. Aber Wendy ist auch erwachsen geworden, sie arbeitet ehrenamtlich im Krankenhaus und will Krankenschwester werden. Den Kindern dort erzählt sie Geschichten über einen ausgedachten Jungen, der im Nimmerland Abenteuer mit verlorenen Jungen erlebt. Geschichten, die ihre Mutter einst ihr und ihren Brüdern erzählt hat.
Als Wendy auf den Jungen trifft, der von sich behauptet, Peter Pan zu sein und Magie zu beherrschen, reagiert sie verständlicherweise zunächst skeptisch. Bis die ersten Erinnerungen zurückkehren und einige Puzzelteile an ihren Platz fallen.
Peter ist eine toll ausgearbeitete Figur. Einerseits ist er der unbeschwerte Junge, der vor nichts Angst hat, immer einen witzigen Spruch auf den Lippen. Und andererseits ist auch er älter geworden. Leidet ebenfalls unter den Ereignissen, denn dass er älter wird bedeutet auch, dass seine Magie schwindet, sodass immer wieder eine nachdenkliche, kummervolle Seite hervorbricht. Sein Verhalten wechselt stetig zwischen ernst und verspielt.
Und das Erwachsenwerden bringt noch andere Gefühle mir sich – was eine langsame Annährung der zwei Jugendlichen zur Folge hat.
Die zwei versuchen, die in der Stadt verschwundenen Kinder zu finden. Dabei müssen sie sich einem mächtigen Gegner stellen. Es ist eine spannende Suche mit einigen unerwarteten und überraschenden Ereignissen. Die Auflösung habe ich tatsächlich nicht kommen sehen. Aufwühlende, bedrückende und emotionale Ereignisse mischen sich in düstere Story, in der die sich zart entwickelnden Gefühle ein kleiner Lichtblick sind.
Steckenweise passiert allerdings nicht allzu viel. Die zwei laufen teilweise mehrere Stunden ergebnislos durch den Wald. Dann wieder verschwenden sie beim Eisessen Zeit, obwohl sie doch so eine wichtige Mission haben.
Der Schreibstil ist anschaulich und bildhaft. Manchmal waren mir die Beschreibungen aber fast schon zu detailliert. Dass Peter rostrote Haare hat, dürfte auf mindestens jeder dritten Seite wiederholt werden.
Das Ende ist dramatisch, temporeich, spannend und schockierend. Allerdings bleibt das Gefühl zurück, dass letztlich vielleicht doch noch nicht alle Fragen beantwortet sind.
Fazit
Gruselige Peter Pan-Geschichte mit kleinen Bezügen zum Klassiker, die mir zur Auflockerung der düsteren Stimmung gut gefallen haben. Die Story hat ein paar langwierige Passagen, welche aber mit spannenden, schockierenden und bedrückenden Wendungen und Aufdeckungen ausgeglichen werden.