Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte
Im Januar 2003 fand Anne Berests Mutter unter den Neujahrswünschen eine verstörende Postkarte mit nichts als den Namen ihrer vier Angehörigen, die in Auschwitz ermordet wurden; ohne Absender, ohne Unterschrift. ...
Im Januar 2003 fand Anne Berests Mutter unter den Neujahrswünschen eine verstörende Postkarte mit nichts als den Namen ihrer vier Angehörigen, die in Auschwitz ermordet wurden; ohne Absender, ohne Unterschrift. Anne fragt nach und die Mutter erzählt ihr die tragische Geschichte der Familie Rabinowicz. Aber erst als ihre kleine Tochter in der Schule Antisemitismus erfährt, beschließt Anne, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen. Mithilfe eines Privatdetektivs und eines Kriminologen recherchiert sie in alle erdenklichen Richtungen.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Dieses Buch als Roman zu bezeichnen, kann richtig sein, ich empfinde es jedenfalls nicht so, sondern viel mehr begleite ich die Autorin auf ihrer Spurensuche nach der Vergangenheit ihrer Familie - den Rabinovitchs.
Geschickt verbindet die Autorin zwei Zeitebenen der Geschehnisse, eine historische und eine gegenwärtige. Sie erzählt zum einen, in weiten Teilen gestützt auf Protokolle und Berichte ihrer Mutter, die Familiengeschichte, zum anderen von ihren eigenen Erlebnissen und der Auseinandersetzung mit der Frage, was es eigentlich für sie und ihre Tochter bedeutet "Jüdin" zu sein.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte viel Leid ans Tageslicht bringt. Zum Schluss muss Anne Berest erkennen, dass diese Vergangenheit Teil ihrer Gegenwart ist - einer Gegenwart, in der auch in Frankreich der Antisemitismus immer wieder aufflammt.
Wahrscheinlich liegt es am Buchumfang, ich mag selten Bücher mit mehr als 300 Seiten, dass mein Interesse an der tragischen Geschichte der Familie Rabinovitch während der Lektüre abgenommen hat, um erst zum Schluss wieder an Fahrt aufzunehmen.
Fazit
Die Postkarte von Anne Berest ist eine Mischung aus Roman und fast journalistischer Erzählung. Das Buch lebt von der Unmittelbarkeit und der direkten, fast kriminalistischen Erforschung und Auseinandersetzung der Autorin mit ihrer Familiengeschichte.