Ein Bankert
Aus der gemeinsamen Kindheit zwischen der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Halbwaise Lina und dem wohlhabenden Kaufmannsohn Albert entsteht eine zarte Liebe. Aber als Lina schwanger wird, verbieten ...
Aus der gemeinsamen Kindheit zwischen der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Halbwaise Lina und dem wohlhabenden Kaufmannsohn Albert entsteht eine zarte Liebe. Aber als Lina schwanger wird, verbieten die Eltern Albert eine Heirat und der 22jährige fügt sich deren gestrenger Anordnung. Was das für Lina bedeutet im kleinen Mühlbach in der Pfalz im ausklingenden 19. Jahrhundert, kann man sich leicht ausmalen: die Mutter und ihr „Bankert“ werden geschnitten, Arbeit gibt es keine mehr, die Rente vom kranken Vater reicht kaum zum Leben. In dieser Not klopft Karl an die Tür, selbst unehelich geboren, und bietet Lina an, sie zu heiraten und ihre Tochter als sein eigenes Kind anzunehmen, allerdings in Bremen, wodurch Lina ihre Heimat, ihren Vater und ihre Brüder verlassen muss.
Die Kinder tollen am Mühlbach umher, allen voran und am ausgelassensten die kleine Lina, Bruder Walter kann sie kaum im Zaum halten. Gut vorstellbar und überaus lebendig beschreibt die Autorin das Landleben. Die Figuren sind klar charakterisiert und so ist man ganz schnell selber mitten im Geschehen. Wie auch in früheren Büchern schreibt Barbara Leciejewski ruhig, warmherzig und gefühlvoll, was diesmal wegen der Gemeinsamkeit mit der Geschichte ihrer Großeltern besonders schwierig gewesen sein dürfte. Wieviel Wahrheit, wieviel Dichtung passen zusammen? Wie bringt man am besten alles in einen lesenswerten Roman? Die Sorgen sind unbegründet, die Autorin bringt Zeitgeist und persönliches Dilemma bestens in Einklang. Nach den kurzen Kinderszenen geht es ohne Umschweife zehn Jahre später weiter und auch sonst gibt es immer wieder (gut gekennzeichnete) Zeitsprünge, sodass die Handlung niemals langweilig wird.
Abwechselnd erlebt der Leser Land- und Stadtszenen, spürt die innere Zerrissenheit des „Bankerts“ und die gesellschaftspolitischen Schwierigkeiten rund um die Jahrhundertwende bis hin zum Ersten Weltkrieg. Hier endet vorerst das Buch, die Geschichte selber aber noch lange nicht – da muss man unbedingt im März 2024 lesen, wie es mit den Familien Borger und Schäfer weitergeht. Ich bin schon sehr gespannt! Vorerst eine Leseempfehlung für den ersten Teil der Mühlbach-Saga, hoffentlich bald auch eine weitere.