Cover-Bild Die Enkelin
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 368
  • Ersterscheinung: 27.10.2021
  • ISBN: 9783257071818
Bernhard Schlink

Die Enkelin

Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2021

Fremde Welten

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(Ah, 'Der Vorleser', daher kam mir der Name des Autors so bekannt vor. Ein brillianter Erzähler, er hat‘s schon bewiesen!) Ein neuer Schlink, der mitreißend ist: Das ist Literatur – das ist Schreiben, ...

(Ah, 'Der Vorleser', daher kam mir der Name des Autors so bekannt vor. Ein brillianter Erzähler, er hat‘s schon bewiesen!) Ein neuer Schlink, der mitreißend ist: Das ist Literatur – das ist Schreiben, was dem Lesenden einen Hochgenuss gibt. Mit Schlink taucht man in eine andere Gedankenwelt ein, er bringt einem dazu nachzudenken…

Der ‚Held‘ in dieser Geschichte ist ein liebender Mann, der seine Frau tot in der Badewanne findet. Um diesen plötzlichen Tod zu verarbeiten (ist es ein Unglück, ist es Selbstmord?) knackt er ihren Computer und versucht in ihr Gehirn einzudringen – er scheut zwar vor jedem Schritt zurück, es ist ihm aber wichtig sie auch als Tote zu verstehen. Denn sie haben eine gemeinsame Geschichte, Birgit ist mit seiner Hilfe aus der DDR geflüchtet. Sie wusste immer, dass er sie liebte, bedingungslos. Doch sie hat sich ihm nie völlig geöffnet, er wusste Wichtiges über sie nicht. Jetzt erfährt er es…

Der Witwer findet Hinweise auf eine Tochter seiner verstorbenen Frau, von der er nichts wusste. Er macht sich auf die Suche, er findet Paula. Paula hilft ihm weiter, er findet den Vater des Mädchens, er unterhält sich mit Weggefährten der Tochter. Schließlich landet er in einer Ecke Ostdeutschlands, wo sich ‚Völkische‘ niedergelassen haben. Und er findet eine Enkelin.

„Obwohl Birgit tot war, war sie noch da, aber wenn er an sie zu glauben aufhörte und ihr zu grollen begann, würde sie nochmals sterben und tot bleiben“. Es sind Sätze wie dieses Zitat von Seite 51, die den Unterschied zwischen einem Schriftsteller von guter Literatur ausmachen und jemanden, der einfach nur schreibt. Schlink hat die Fähigkeiten enorm anzuregen.

Titelbild, Gemälde einer jungen Frau, für Freundinnen ernsthafter Literatur ein guter Hinweis (gut gewählt – der Diogenes-Verlag macht seinem Namen wieder alle Ehre)

Das Buch „Die Enkelin“ werde ich behalten, nicht verschenken, denn es ist Inspiration für mich. Auch ich habe eine Geschichte zu erzählen… ich werde sie erzählen (viele haben eine Geschichte zu erzählen…), wenn ich stocke mit meiner Geschichte, dann werde ich das Buch von Schlink wieder zur Hand nehmen und mich auf ein Neues inspirieren lassen. Das ist das, was Literatur mit einem macht und machen sollte. Danke, Herr Schlink!

Bernhard Schlink, Die Enkelin, Diogenes – Verlag, erscheint am 27. Oktober 2021

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Eine Familiengeschichte zwischen Ost- und Westdeutschland

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Wie kann es sein, dass zwei Menschen ihr ganzes Leben miteinander verbringen und einer der beiden die ganze Zeit über ein Geheimnis mit sich trägt, das ihn zerfrisst? Dass es genauso gewesen sein muss, ...

Wie kann es sein, dass zwei Menschen ihr ganzes Leben miteinander verbringen und einer der beiden die ganze Zeit über ein Geheimnis mit sich trägt, das ihn zerfrisst? Dass es genauso gewesen sein muss, zwischen ihm und seiner Frau Birgit muss Kaspar auf schmerzhafte Weise, nach Birgits Tod feststellen, als er aus ihren Unterlagen und Aufzeichnungen erfährt, dass sie im Osten, kurz vor ihrer Flucht zu ihm in den Westen, eine Tochter zur Welt gebracht hatte.
Nach Birgits Tod beschließt Kaspar nun das zu Ende zu bringen, was Birgit sich zwar gewünscht, aber nie fertig gebracht hatte: er sucht die Tochter und findet diese in einer völkischen Gemeinschaft im Osten. Und nicht nur das, er versucht zu deren Tochter Sigrun ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und sie mittels Musik und Kultur etwas weltoffener zu machen. Wahrlich keine leichte Aufgabe für Kaspar.
Bernhard Schlink schildert in dieser Familiengeschichte, die sich in Ost- und Westdeutschland abspielt, auf sehr eindringliche Weise warum sich Menschen völkischen oder rechten Gruppierungen anschließen und welche Weltbilder sie haben bzw. wie die Kinder in diesen Gruppen aufwachsen und die Welt sehen. Und dass es zwar nicht einfach ist, gegen die "Argumente" des Elternhauses anzukommen, aber dennoch wichtig ist, es zumindest zu versuchen. Definitiv eine Thematik mit der man sich sonst nicht beschäftigt und über die man sich eher wenig Gedanken macht. Somit also eine klare Leseempfehlung für alle die an dem Thema Ost-/West bzw. dem Lebensalltag in rechten Gruppierungen und völkischen Gemeinschaften interessiert sind.

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Stimmig und fordernd

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Dass der kinderlose Buchhändler Kaspar Wettner je Großvater werden würde, hat er selbst nicht kommen sehen. Doch nach dem Tod seiner Frau Brigit deckt er deren Lebenslüge auf: Birgit hatte eine Tochter, ...

Dass der kinderlose Buchhändler Kaspar Wettner je Großvater werden würde, hat er selbst nicht kommen sehen. Doch nach dem Tod seiner Frau Brigit deckt er deren Lebenslüge auf: Birgit hatte eine Tochter, die sie gleich nach der Geburt weggegeben hat – nur wenige Monate, bevor sie 1965 aus der DDR zu ihm nach Westdeutschland geflohen ist, wo sich die beiden in Berlin ihr gemeinsames Leben aufgebaut haben. Nun erfährt Kaspar, dass seine Frau lange damit gerungen hat, die verlorene Tochter wiederzufinden und beschließt, an ihrer Stelle zu suchen. Schließlich begegnet er Birgits Enkelin. Die beiden trennt vieles – ihre einzige Gemeinsamkeit ist die Neugier aufeinander.

In seinem neuesten Roman entführt Bernhard Schlink seine Leserinnen und Leser zunächst in eine andere Zeit und dann in eine andere Welt. Erst wird Birgits Geschichte erzählt, das Aufwachsen in der DDR thematisiert, ihre Abwendung vom Staat, ihre Flucht. Der westdeutsche Kaspar hat die DDR nur als Besucher erlebt, doch weitaus fremder als sie ist ihm die Welt, in der Birgits Enkelin Sigrun heranwächst: Sie lebt in einer völkischen Gemeinschaft mit klaren Feindbildern. Kaspar versucht, dem Mädchen seine Welt zu zeigen – unter den wachsamen Blicken der Eltern. Das fragile Band zwischen den beiden zieht sich über ein Spannungsfeld. Ich habe mitgebangt, ob es hält.

Egal welcher Weltanschauung, welchem Stück Zeitgeschichte sich Bernhard Schlink annimmt – er schildert es virtuos und scheut dabei weder Widerspruch noch Kritik. Mit klarer, präziser Sprache hat er auch hier wieder einen Roman geschaffen, bei dem einfach alles stimmt. Die Geschichte ist tragisch, stimmig und aufwühlend in einem, die Figuren haben Ecken, Kanten und immer Tiefgang. Es gelingt dem Autor, alle unterschiedlichen Motivationen irgendwie verständlich erscheinen zu lassen, ohne dass er es einer der Hauptfiguren besonders leicht machen würde. Denn eine klare Einteilung in schwarz und weiß, gut und böse – die gibt es bei Schlink nie. Ein sehr lesenswerter Roman, der extrem unterschiedliche deutsche Leben porträtiert und seine Leserinnen und Leser auch immer wieder dazu herausfordert, Position zu beziehen.

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Veröffentlicht am 16.11.2021

Drei verschiedene Welten

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Wir glauben, die engsten Menschen in unserem Leben zu kennen, ihre Vergangenheit, die Gegenwart und auch die Zukunft- alles ist manifestiert, gar asphaltiert, bis ein Schicksalsschlag diesen Pfad aufreißt, ...

Wir glauben, die engsten Menschen in unserem Leben zu kennen, ihre Vergangenheit, die Gegenwart und auch die Zukunft- alles ist manifestiert, gar asphaltiert, bis ein Schicksalsschlag diesen Pfad aufreißt, neue Wege formt und dich auf eine Reise voller Ungereimtheiten und Widersprüche schickt, die damit endet, dass du für dich Familie und Verbundenheit ganz neu interpretieren musst. Bernhard Schlink schafft mit seinem neuesten Roman "Die Enkelin" ein emotionales Epos, eine Achterbahnfahrt der Gefühle und ein Werk voller Konfrontation zwischen alt und jung, neuem und altem Gedankentum auf verquere Weise verdreht.

Birgit und Kasper verbindet eine Liebesgeschichte seit 1965. Durch ihren plötzlichen Tod stößt Kaspar auf ein Manuskript, dass mehr Fragen aufwirft, als Antworten zu geben. Kaspar begibt sich auf eine Reise in Birgits Vergangenheit und findet Menschen und Familie. Doch was so leicht sein könnte, um den Kreis der Verbundenheit zu schließen, stellt sich als das größte Hindernis heraus.


Der Stil ist angenehm, wenn auch die ersten Seiten den Leser direkt ins Geschehen stoßen, in den Moment des plötzlichen Abschiednehmens, aber auch in eine Möglichkeit, das Ganze anders zu begreifen und einen Menschen neu zu verstehen in seiner Komplexität. Birgit bleibt dabei geheimnisvoll wie eine Stimme aus dem Offside. Kaspar hingegen erstaunt und fasziniert durch seine so authentische Darstellung, was es dem Leser so leicht gestaltet, ganz bei ihm zu bleiben. Sigrun ist das beste Beispiel dafür, dass Geschichte dich prägt und auch deine Eltern. Selbst wenn die Gedanken noch so frei sein dürfen, sind wir doch in unseren Mustern gefangen, solange wir die Ketten nicht durchzubrechen vermögen. Ein anspruchsvoller Roman voller Facetten, voller Tiefgang und eine Empfehlung für alle, die bereit sind für eine emotionale Reise durch die deutsche Geschichte.

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Distanz und Nähe

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Der Buchhändler Kasper ist mit Birgit liiert, die er als Student in Ostberlin kennenlernte und der er zur Flucht in den Westen verhalf. Birgit entwickelt schwere Depressionen und flieht zum Alkohol. Aufopferungsvoll ...

Der Buchhändler Kasper ist mit Birgit liiert, die er als Student in Ostberlin kennenlernte und der er zur Flucht in den Westen verhalf. Birgit entwickelt schwere Depressionen und flieht zum Alkohol. Aufopferungsvoll kümmert sich Kasper um sie, obwohl die Beziehung keine wirkliche Nähe mehr ausstrahlt. Kasper hat sie immer geliebt, während Birgit ihn zumindest gedanklich im Stich ließ und sich bisweilen auch örtlich von ihm distanzierte, z.B. zu ihrem Selbstfindungstrip in Indien, aber auch im eigenen Haus, wo sie ihr eigenes Reich hatte. Kasper musste anklopfen, um mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Nach Birgits Tod begreift Kasper, dass seine Frau sich ihm nie wirklich geöffnet hat und viele Geheimnisse mit sich trug. Da war eine tiefe Distanz zwischen ihnen. Birgit wollte sich selbst finden, aber Kasper hatte sie davon ausgeschlossen. Sie hat ihr Leben aufgeschrieben und durch das Lesen dieser Seiten versucht Kasper, ihr nahe zu kommen und sie zu verstehen. Auf diese Weise erfährt er, dass Birgit in der DDR heimlich ein Kind geboren hat und dieses seinem Schicksal überließ. Sie hat erfolglos versucht, dieses Kind zu finden. Kasper begibt sich nun auf die Suche, und man fragt sich warum, zumal dieses Kind nicht sein Kind ist. Ich denke, es ist ein letzter Versuch, Birgit nahe zu kommen. Vielleicht ist es auch seine Einsamkeit, die ihn antreibt.
Tatsächlich findet er Birgits Tochter Svenja und ihre Familie, wird auch hier in völkischem Umfeld sehr auf Distanz gehalten, lernt aber Birgits Enkelin Sigrun kennen, zu der er eine gewisse Nähe aufbaut. Er schafft es sogar, dass Sigrun ihn in den Ferien besuchen darf. Hier allerdings habe ich mich gefragt, wie wahrscheinlich es ist, dass Eltern ihr Kind zu einem nahezu Fremden fahren lassen, nur wegen des Geldes? Kasper überschüttet Sigrun mit positiver Zuwendung und Geschenken und hofft, sie von ihrem rechten Gedankengut ganz allmählich abbringen zu können, seine Zuwendung zu ihr erscheint mir bisweilen wie eine Obsession. Teilweise habe ich das Gefühl, dass sie eine gewisse Macht auf ihn ausübt, der er sich unterwirft.
Ich habe durch diesen Roman interessantes Hintergrundwissen erlangt, z.B. über die Welt der Jugendlichen in der ehemaligen DDR, ihre Verpflichtungen und ihre Grenzen, aber auch die Völkischen waren mir bislang fremd. Die Themen Rassismus und Diskriminierung habe ich in einem anderen Licht kennengelernt.
Zunächst fiel es mir schwer, in den Roman hineinzufinden, aber nach dem Einlesen hat er mich nicht mehr losgelassen und mich gedanklich sehr beschäftigt. Besonders gefallen haben mir die ausgefeilten Persönlichkeitsprofile, in all ihrer Vielfalt an Einstellungen und Reaktionen.
Es ist ein anspruchsvolles Buch, in das man sich einarbeiten muss, um die beschriebene Welt zu begreifen. In meinen Augen ist es hochinteressant und spannend. Ich spreche gern eine Leseempfehlung aus.

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