Die Himmelsstürmerinnen
Der neue Roman von Clarissa Linden hat zwei Kernthemen: Frauen als Pilotinnen und die Frauenbewgeung der 70-iger. Aber auch das Thema Freundschaft und Mutter/Tochter-Beziehung stehen im Vordergrund. In ...
Der neue Roman von Clarissa Linden hat zwei Kernthemen: Frauen als Pilotinnen und die Frauenbewgeung der 70-iger. Aber auch das Thema Freundschaft und Mutter/Tochter-Beziehung stehen im Vordergrund. In zwei unterschiedlichen Zeitebenen erzählt die Autorin von Lieselotte und ihrer Mutter Amelie.
Während Lieselotte Anfang der 1970-iger in einer unglücklichen Ehe "gefangen" ist, erleidet ihre Mutter einen schweren Autounfall. Das Verhältnis der Beiden war eher unterkühlt, da Amelie ihrer Tochter nicht viel Beachtung schenkte. Liebe und Aufmerksamkeit erhielt sie nur von ihrer Großmutter Luise. Als Lieselotte die Nachricht erhält, dass ihre Mutter Amelie im Koma liegt, reist sie nach Frankfurt. Dort quartiert sie sich kurzfristig in ihrer Wohnung, was ihrem Mann Eduard gar nicht recht ist. Bald schon stellt sie fest, dass die junge Studentin Marga, die in der Wohnung gegenüber wohnt, ein ganz anderes Bild von ihrer Mutter hat. Und dann scheint Amelie auch noch ein Mitglied der "Himmelsstürmerinnen" zu sein, einer Gruppe von Frauen, die sich dem Fliegen verschrieben haben. Lieselotte macht sich auf die Suche nach der Vergangenheit und lernt eine ganz andere Frau kennen, als die, die sie meint zu kennen....
Im Vergangenheitsstrang lernen wir Amelie als junges Mädchen kennen, die gerne Segelfliegerin werden möchte. Nur in der Luft fühlt sie sich frei und gemeinsam mit ihren Freundinnen sind sie die "Himmelsstürmerinnen". Doch 1935 stehen bereits alle Zeichen auf Sturm und für Frauen wird es immer schwerer überhaupt einen Beruf zu ergreifen, denn die "richtige deutsche Frau" ist Ehefrau, Hausfrau und Mutter vieler arischer Kinder.
"Wie du schon gesagt hast: Frauen müssen sich entscheiden, was ihnen wichtiger ist. Männer können alles haben. Männer müssen sich nie gegen etwas entscheiden" - Seite 251
Doch Amelie und ihre beste Freundin Hanni geben ihre Träume nicht so schnell auf. Nichts soll ihren gemeinsamen Weg als Freundinnen und Fliegerinnen trennen. Doch dann verliebt sich Amelie in Felix von Bissingen....
Wie bei fast allen Büchern, die in zwei Zeitstränge geteilt sind, hat mir auch hier wieder der Part in der Vergangenheit besser gefallen.
Amelie ist eine junge Frau, die es nicht leicht hat, aber ihren großen Traum leben möchte. Ihre Mutter Luise unterstützt sie dabei. Amelie steht jedoch immer im Schatten der willensstarken Johanna, ihrer besten Freundin. Diese setzt alles daran ihr gemeinsames Ziel zu erreichen und schreckt dabei auch nicht vor unlauteren Mitteln zurück....
Die Freundschaft zwischen Hanni und Amelie nimmt großen Raum in der Handlung ein. Hanni war für mich zwar kein angenehmer Charakter, aber ich hatte sie sehr lebendig vor Augen. Sie ist verwöhnt und egozentrisch, fokusiert sich alleine auf ihren großen Wunsch und zerstört dabei alles um sich herum. Ihr nahm ich die Liebe zum Segelfliegen ab, bei Amelie hatte ich allerdings nicht immer das Gefühl. Leider geht die Geschichte rund um die Fliegerei im Laufe des Romans zugunsten der Liebesgeschichte verloren. Das fand ich sehr schade! Auch die politischen Ereignisse sind nur kurz angerissen und hier hätte ich gerne etwas mehr Hintergrundinformationen dazu gehabt.
Lieselotte entspricht den damaligen Frauenbild. Sie ist nicht viel mehr als die Haushälterin ihres Mannes und versucht ihm alles recht zu machen. Dabei stellt sie alle ihre Bedürfnisse zurück. Erst durch den Unfall ihrer Mutter und der Gleichgültigkeit ihres Mannes gegenüber dem Geschehen, scheint Lieselotte aufzuwachen.
Mit Marga haben wir eine selbstbewusste Studentin, die Lieselotte zu helfen versucht, endlich auf ihren eigenen zwei Beinen zu stehen. Hier verbindet die Autorin gekonnt das Thema Frauenbewegung in den Siebziger Jahren in den Roman mit ein. Es geht um das Recht der Abtreibung (Mein Körper gehört mir!) und auch Scheidungen werden immer öfter zum Thema. Diese Passagen haben mir gut gefallen und zeigen auf, was sich im letzten Jahrhundert punkto Gleichberechtigung alles getan (oder nicht getan) hat.
So richtig überzeugt von Lieselottes Wandlung war ich allerdings nicht. Sie bleibt mir zu lasch und selbst die Recherchen über die Vergangenheit ihrer Mutter gibt sie in fremde Hände.
Ein bewegender Roman mit sehr interessanten Themen, der mich allerdings nicht auf allen Ebenen vollkommen überzeugt hat. Auch die obligatorische Katze durfte wieder nicht fehlen und findet mit "Cat Balou", der Katze von Marga, ihren Einsatz =).
Sehr empfehlen kann ich Clarissa Lindens Roman "Ich warte auf dich, jeden Tag" meine Rezi, den ich wirklich großartig fand!
Schreibstil:
Der Schreibstil von Clarissa Linden alias Christiane Lind ist wahnsinnig gut zu lesen, flüssig und bildgewaltig. Bei ihr rauscht man immer durch die Handlung und möchte gar nicht aufhören zu lesen, egal unter welchen Namen oder über welche Themen sie schreibt.
Zu Beginn des Romans gibt es eine kleine Personenliste, unter den Kapitelüberschriften des Stranges aus der Vergangenheit stehen Zitate bekannter Fliegerinnen.
Fazit:
Ein bewegender Roman mit sehr interessanten Themen, der mich allerdings nicht auf allen Ebenen vollkommen überzeugen konnte. Vielschichtig und wunderbar zu lesen!