Anna Härtels Vater ist Glasmacher und führt seine Tochter in das Handwerk ein. Doch das Geschäft läuft nicht mehr gut, und als er stirbt, hinterlässt er seiner Familie vor allem Schulden. Die Glashütte, die Anna eigentlich übernehmen sollte, muss verkauft werden und Anna verdingt sich als Gehilfin bei einem Glasmacher in der Nachbargemeinde. Nach Feierabend stellt sie dort Glasfiguren, u. a. Engel her, die sie samstags auf dem Markt verkauft. Einige ihrer Engel finden den Weg nach Großbritannien und zu Königin Victoria, die Anna daraufhin an ihren Hof einlädt.
Für mich ist dies der erste Roman der Autorin, und passt eigentlich gar nicht unbedingt in mein Beuteschema, aber ich mag das Cover und die Leseprobe hat mich angesprochen, und machte mich neugierig auf den Roman. Das Setting gefällt mir gut, ich bin gar nicht weit weg von Annas Heimat aufgewachsen, Annas Handwerk finde ich interessant und das Einbeziehen des britischen Königshauses finde ich originell.
Die Geschichte spielt in der Adventszeit des Jahres1895, und das merkt man durchaus, die Jahreszeit kommt mit viel Schnee daher, der historische Hintergrund allerdings ist nicht sehr tiefgehend ausgearbeitet, viel über die Zeit erfährt man nicht, es gibt relativ wenige historische Accessoires, ein paar Mal bin ich bei Dialogen oder Beschreibungen darüber gestolpert, ob das tatsächlich in die Zeit passt, so ist z. B. von Elisabeth I. die Rede, zu einer Zeit, als es noch keine zweite gab.
Anna, die vorher kaum ihre Heimatstadt verlassen hat, hat nicht nur eine abenteuerliche Reise vor sich, die Geschichte entwickelt sich fast zu einem Kriminalroman und wird dadurch ziemlich spannend. Klischees gibt es, genretypisch einige, aber weniger als erwartet.
Auch die obligatorische Liebesgeschichte spricht mich mehr an als gedacht. Das liegt vor allem daran, dass mir die Protagonisten so sympathisch sind, vor allem Anna, die in Ich-Form erzählt. Sie ist patent und mutig, ihre Familie ist ihr wichtig, sie ist begabt und stolz auf ihre Profession, aber sie ist auch ein Mädchen ihrer Zeit. Nach dem Tod des Vaters ist sie es, die die jüngere Schwester und die kranke Mutter durchbringen muss, und die es sich daher nicht leicht macht, zu entscheiden, ob sie das Wagnis, nach London zu reisen, überhaupt auf sich nehmen soll.
John Evans, der Bote Viktorias, der Anna auf ihrer Reise begleitet, wirkt ebenfalls schnell sympathisch, ist manchmal aber auch nicht eindeutig einzuordnen. Dass sich zwischen den beiden mehr entwickeln könnte, zeichnet sich schnell ab, bringt aber auch einige, zum Teil allerdings auch vorhersehbare, Überraschungen mit sich – und ruft auch Emotionen beim (wahrscheinlich vorwiegend weiblichen) Leser hervor.
Der Roman lässt sich sehr gut und zügig lesen, man verliert sich schnell in der Geschichte und legt sie nur ungern aus der Hand. Es handelt sich hier um einen Weihnachtsroman, der gar nicht tiefschürfend sein will, sondern unterhalten soll und dem Leser angenehme Lesestunden bereiten will. Dieses Ziel wird auf jeden Fall erreicht, wer einen schönen Weihnachtsroman sucht, kann hier bedenkenlos zugreifen – man könnte den Roman aber auch unabhängig vom Fest lesen. Ich fühlte mich gut unterhalten und vergebe gerne 4 Sterne und eine Leseempfehlung.