Starkes Mutterporträt
Daniela Dröscher entwirft in ihrem Roman „Lügen über meine Mutter“
ein Bild des Familienlebens in den Achtziger Jahren. Es ist eine Familie der unteren Mittelschicht. Das Zeitbild halte ich für sehr realistisch.
Die ...
Daniela Dröscher entwirft in ihrem Roman „Lügen über meine Mutter“
ein Bild des Familienlebens in den Achtziger Jahren. Es ist eine Familie der unteren Mittelschicht. Das Zeitbild halte ich für sehr realistisch.
Die Fixierung auf die Gewichtsfrage der Mutter sehe ich vor allen als Metapher,an der exemplarisch Identitätsbilder und Verhaltensweisen gezeigt werden.
Die Erzählperspektive ist die der Tochter als Kind. Da die Autorin 1977 geboren ist, sind manche Beobachtungen möglicherweise autobiografisch erfahren. Dazu passen auch einige analytische Einschübe der erwachsenen Erzählerin.
Während der kleinbürgerliche Vater ziemlich schlecht wegkommt, ist das Mutterporträt großartig.
Nach der Geburt ihrer Kinder legt die Mutter an Gewicht zu, während sie vorher schlank war. Der Vater wirft ihr dieses Aspekt kontinuierlich vor und nimmt ihr das Selbstbewusstsein. Auch Arbeiten gehen kann sie in der Zeit zunächst nicht mehr, obwohl sie vorher so viel beigetragen hat.Aber sie fängt sich, bildet sich sogar weiter und hilft vielen. Mehrere kleine Familiendramen folgen.
Einige weitere der stärksten Momente sind die, wie sie das Verhalten der Eltern empfindet und andere Momente der Begegnung, z.B. mit dem nachbarlichen Pflegekind Jessy.
Stark sind auch die Dialoge, bei der manche der Figuren gelegentlich sogar in einen rheinischen Dialekt verfallen.
Der Romantitel lässt mich an John Burnsides Lügen über meine Vater denken. Ein Buch, dass thematisch ähnlich angelegt ist, sprachlich natürlich ganz anders. Aber bei beiden Büchern fragt man sich als Leser, was sind die Lügen? Das hält die Aufmerksamkeit das ganze Buch lang hoch.