Alligatoren...
»Veränderung kann entstehen, wenn wir unsere Kräfte vereinen. Das ist es, was Retta, Gertrude und Annie im Laufe des Buches zu verstehen beginnen. Keiner von uns hat eine Ahnung davon, was andere ihr Leben ...
»Veränderung kann entstehen, wenn wir unsere Kräfte vereinen. Das ist es, was Retta, Gertrude und Annie im Laufe des Buches zu verstehen beginnen. Keiner von uns hat eine Ahnung davon, was andere ihr Leben lang mit sich herumtragen.«
Zitat von Deb Spera
Zum Inhalt: Branchville, South Carolina in den Jahren 1923/24. Ein Alligatorenweibchen beschützt und versorgt ihre Jungen. Gertrude Pardee (Gertie) und ihre vier Töchter hungern. Alvin, der Vater der Familie, versäuft den Lohn. Gertrude sucht nach Essbaren. Es fällt ein Schuss.
Annie Coles, die Frau eines Plantagenbesitzers, entdeckt zufällig ein Familiengeheimnis, dass ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt! Vor vielen Jahren hat sie einen Sohn verloren. Niemand schien zu wissen warum.
Oretta Bootles (Retta), eine ältere Afroamerikanerin, ist Haushälterin bei Miss Annie. Trotz der Sklavenbefreiung muss sie aufpassen, was sie laut ausspricht. Retta soll für ein paar Tage Gertrudes kranke und jüngste Tochter Mary aufnehmen. Retta kümmert sich fürsorglich um die kleine Mary. Sie hat ein offenes Herz für Bedürftige, egal ob mit schwarzer oder weißen Hautfarbe.
Drei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die trotz vieler Enttäuschungen, Trauer und Leid weiterkämpfen!
Meine Meinung: Der Schreibstil der Autorin Deb Spera ist flüssig, detailliert und ungeschönt. Erzählt wird abwechselnd aus den Sichten der drei Frauen in Ich-Form. Alligatoren spielen in der Geschichte zwar nur eine indirekte Rolle, die aber überzeugend zur Geltung kommt! Traurigkeit, aber auch Hoffnungsschimmer und Mut durchzieht die Geschichte.
Es beginnt mit einer Begegnung von Gertrude und der Alligatorenmutter. Es ist ein heißer August. Schon in den ersten Zeilen ist eine Trostlosigkeit zu spüren, aber auch ein verzweifeltes Aufbegehren von Gertrude.
»Manchmal vergehen die Jahre so schnell, als würde man Seiten in einem Buch umblättern, aber ein Tag kann so lange dauern, dass ein ganzes Leben vorbei ist, ehe die Sonne untergeht.«
Zitat aus dem Buch
Gertrude ist verbittert und traurig. Sie versucht Alles um ihre Töchter (im Alter von 6 bis 15 Jahren) am Leben zu erhalten. Ihr Mann Alvin ist Alkoholiker und schlägt seine Frau und seine Kinder. Gertrude findet in der Näherei von Mrs. Coles eine Anstellung.
Annie Coles führt eine Näherei und beschäftigt viele Frauen. Der schreckliche Tod ihres Sohnes hat ihre Familie verändert. Ihre erwachsenen Töchter haben den Kontakt abgebrochen, was besonders Annie belastet. Ein Sohn arbeitet in der Näherei von Annie, ein weiterer Sohn beim Vater auf der Plantage. Aussagen und Befehle von Mr. Coles darf niemand hinterfragen.
»Ein später Anfang ist nicht weniger bedeutsam als ein früher. Ich würde sogar behaupten, er ist noch bedeutsamer. Lebenserfahrung lässt sich nicht allein daran messen, wie viele Hindernisse man überwinden musste, um sie zu erlangen.«
Zitat aus dem Buch
Oretta (Retta) lebt mit ihrem Mann Odell im Schwarzenviertel Shake Rag. Auch in ihrer Vergangenheit geschah etwas Entsetzliches. Besonders Retta hat mir sehr gut gefallen, weil sie sehr verständnisvoll und mitfühlend war.
»Wenn du irgendwann im Leben das Gefühl hast, dass um dich rum nur Dunkel ist, dann liegt es daran, dass es auch so ist. Du musst das Licht finden. Ein Loch kann dich beschützen, aber du kannst nicht ewig in so einem Loch bleiben. Was dunkel ist, muss ans Licht kommen. Jeder Mensch braucht die Sonne.«
Zitat aus dem Buch
Im Buch musste jede der drei Frauen Trauer und Leid ertragen, aber jede von ihnen zeigt auch Willensstärke und Mutterliebe! Gertie, Annie und Retta kennen sich noch nicht lange, aber nach und nach kommen sie sich näher und begreifen, dass sie sich gegenseitig Halt und Unterstützung geben können!
Die Autorin hat gewissenhaft über die unterschiedlichen Lebensumstände der Menschen in der damaligen Zeit recherchiert. Die Personen und Geschehnisse im Buch sind fiktiv, aber enthalten teilweise Erinnerungen an Erfahrungen und Erlebnisse der Vorfahren von Deb Spera und auch anderen Frauen.
Es geht um persönliche Schicksalsschläge, aber auch um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, sowie Schwarzen und Weißen.
In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise (1929) kam es zu einer Baumwollkapselkäferplage, die Auswirkungen auf jede Bevölkerungsschicht hatten. Unwetter, Diphtherie und andere Krankheiten, bei denen viele Menschen starben oder in Armut gerieten. Auch diese Tatsachen sind in die Geschichte ergreifend eingebunden.
Einzelne Passagen fand ich zu lang gezogen, aber meine Ergriffenheit wurde dadurch nicht gesenkt.
Im wissenswerten Nachwort geht die Autorin auf historische Hintergründe näher ein!
Eine historische Geschichte über drei aufbegehrende Frauen, die mich sehr bewegt hat und nachdenklich stimmt!
Lesenswert!
4+ Sterne