Große Literatur
Nachdem ich die ersten Sätze der “Geheimen Geschichte” gelesen hatte, wurde mir eins bewusst: Das hier ist wirklich gute Literatur.
Und das hat sich auch auf den folgenden 700 Seiten als richtig erwiesen.
Es ...
Nachdem ich die ersten Sätze der “Geheimen Geschichte” gelesen hatte, wurde mir eins bewusst: Das hier ist wirklich gute Literatur.
Und das hat sich auch auf den folgenden 700 Seiten als richtig erwiesen.
Es ist kaum zu glauben, dass dies Donna Tartts Debütroman ist und sie ihre Werkzeuge schon so früh so gut einzusetzen wusste. Der Schreibstil ist geistreich und anspruchsvoll, ohne dabei hochgestochen zu wirken.
Nicht nur aufgrund des gewaltigen Seitenumfangs kann man komplett in den Roman abtauchen, sondern auch durch die detaillierten Beschreibungen der Charaktere, welche so authentisch wirken, dass man das Gefühl hat, man kenne diese Personen wirklich, sei ein Teil dieser intimen Gruppe. Und doch wird man immer wieder überrascht, denn wie im realen Leben sind die Handlungen der Figuren teilweise unberechenbar.
“Die geheime Geschichte” beschäftigt sich in der ersten Hälfte damit, wie es zu dem im Prolog erwähnten Mord kommen konnte, in der zweiten Hälfte, was der Mord für Auswirkungen auf die Gruppe hat. Die Tat selbst wird nicht beschrieben, Tarrt verschont ihre Leserinnen mit blutigen Details.
Der Roman zeigt auf, wie Gruppendynamiken verlaufen können, wie schnell man zum Mittäter wird. Welche Verführungskraft Macht und Geld haben und wie leicht wir uns manipulieren lassen von Leuten, die uns wichtig sind.
Wer langsame, unterschwellig spannende Romane mit Fokus auf Charakterentwicklung mag und wer sich gerne komplett auf eine fiktive Geschichte einlassen möchte, sodass er danach erstmal wieder in der Realität ankommen muss, der wird in diesem Buch ein Meisterwerk finden.
Für alle anderen könnte es aufgrund des Detailreichtums und der Ausschweifungen langweilig sein. Ich gehöre glücklicherweise zu ersteren. ⭐️5/5⭐️
Übersetzt von Rainer Schmidt