„Diese ganze Geschichte. Dass das, was der Beginn von uns beiden hätte sein sollen… es das nicht ist.“
(Davey zu Hannah in The man I never met)
Worum geht’s?
Ein Telefonat, das zwei Leben verändert … Es ist ein Zahlendreher. Davey ruft Hannah an, aus Versehen. Ein nettes Gespräch, doch was soll‘s? Davey lebt in Amerika und Hannah in England. Aber dann nimmt Davey einen Job in London an, und auf einmal könnten sich ihre Wege kreuzen. Und als aus Nachrichten Telefonate werden und aus Telefonaten Videocalls, fühlt sich das wie der Anfang von etwas an, das Liebe sein könnte. Doch kann man jemanden wirklich lieben, dem man noch nie begegnet ist? Dann taucht Davey plötzlich ab. Wird er für immer der Mann bleiben, den Hannah niemals traf?
The man I never met ist ein Einzelband und in sich geschlossen.
Schreibstil und inhaltliche Hinweise
Das Buch wird zum Großteil durch Hannah und gelegentlich durch Davey in der Ich-Perspektive erzählt und verläuft chronologisch. Das ganze Buch umfasst einen Zeitraum von etwa zwei Jahren. Der Schreibstil ist locker, teils humorvoll und angenehm zu lesen. Das Buch enthält erotische Inhalte und potenziell triggernde Inhalte.
Meine Meinung
The man I never met stand auf meiner Liste der 2023-Vorfreude-Bücher sehr weit oben. Nachdem mir das Buch auf der Messe vorgestellt wurde, wusste ich, dass ich es unbedingt lesen muss. Es war mein erstes Buch der Autorin. Dennoch bin ich mit großen Erwartungen an die Geschichte gegangen, da ich schon wusste, wieso der Kontakt zwischen beiden abbricht – doch tatsächlich musste ich feststellen, dass ich falsche Vorstellungen hatte. Aber von Anfang an…
Ich möchte nicht lügen: Es hat ein wenig gedauert, bis ich in der Geschichte drin war. Das lag nicht am Schreibstil, der ist locker-leicht, mitreißend und mühelos. Ich denke, es lag ein wenig an Hannah, mit der ich erst warm werden musste, und ein wenig an der zugegebenermaßen etwas konstruierten Grundidee. Davey hat eine falsche Nummer und landet statt bei einem Vorstellungsgespräch bei Hannah, gleich zweimal. Kurze Gespräch, nett und freundlich. Aber der Anfang von etwas sehr Großem. Denn nachdem Davey die richtige Nummer erreicht hat, informiert er Hannah noch, dass er den Job bekommen hat – und beide beginnen, ein wenig zu schreiben, später zu telefonieren und auch Videochats zu führen. Zarte Anfänge von einer niedlichen Liebesgeschichte, wo der Zufall eindeutig seine Finger im Spiel hatte. Aber tatsächlich auch nichts, was mich bis dahin unbedingt übermäßig vom Hocker gehauen hat. Eine süße Geschichte, entspannt für zwischendurch, die sich gut lesen lässt, wo aber definitiv mehr Tiefe reingearbeitet hätte werden können. Ich fand es fast schon schade, dass die Gespräche zwischen beiden immer nur angerissen werden, teilweise sogar nur erwähnt und gar nicht beleuchtet werden, denn ich denke, dass dieses Puzzleteil sich bei der späteren Nachvollziehbarkeit etwas bemerkbar gemacht hat. Auch hatte ich gelegentlich das Gefühl, die Autorin weiß noch nicht so ganz, wie sie die Story aufbauen möchte, denn auf einmal lässt sie Hannan, die eher ruhig ist, mit ihrem Fitnesstrainer einen Urlaub in Thailand planen. Rückblickend kann ich sagen, dass die Autorin einfach nur bemüht war, viele Grundsteine für Storylines zu legen, die später im Verlauf relevant werden. Nur fühlt es sich in der Sekunde noch nicht so an.
Jedenfalls kommt dann der Punkt, wo ich falsche Erwartungen hatte: Davey kommt nicht, aber kurz danach informiert er Hannah, wieso nicht. Ich hatte aus dem Klappentext irgendwie erwartet, dass er einfach so abtaucht, und entsprechend war ich anfangs unsicher, wie mir diese Entwicklung gefällt. Denn wenn man weiß, wieso er nicht kommt und wieso dann auch der Kontakt abbricht, kann man nicht sauer auf ihn sein. Und vielleicht war das auch eine gute Idee der Autorin, denn kurz danach beginnt es, dass ich mit Hannah und mit Davey mitgelitten habe und das Schicksal verflucht habe. Hannah trifft eine Entscheidung, dass sie sich Georg, dem Fitnesstrainer, zuwendet und so geht die Hälfte des Buches darum, dass Hannah etwas gefunden hat, was sie nicht gesucht hat, aber nicht erkennt, dass es auch nicht das ist, was sie will. Und kurioserweise hatte mich das Buch ab hier: Ich war sauer auf Hannah, weil sie nicht erkennt, was Georg für eine wandelnde Red Flag ist, sauer auf Davey, dass er so kampflos aufgegeben hat, sauer auf die Autorin, dass sie beiden so viele Steine in den Weg legt. Und da habe ich auch erkannt, dass meine anfängliche „nette Geschichte, mehr aber auch nicht“-Einstellung zu bröckeln anfing. Ganz ehrlich: Ja, die Geschichte ist unglaublich stark konstruiert und die Anzahl an Zufällen ist für eine realistische Geschichte zu groß, aber es muss nicht immer realistisch sein, manchmal kann es auch einfach süß sein. The man I never met ist jedenfalls das perfekte Beispiel für Second Chance, Meant to be, Love will find its way und auch, dass manchmal Wege auseinander führen müssen, um wieder zusammenzufinden.
Ganz anders als erwartet und vielleicht auch nicht so emotional, wie ich es mir eigentlich erhofft hatte, konnte ich die Geschichte aber doch auf einer anderen Ebene abholen. So sehr, dass ich die zweite Hälfte des Buches in einem Rutsch verschlungen habe, gelegentlich fluchen musste und auch sehr viel geschmunzelt habe. Besonders das Ende dürfte vermutlich viele Meinungen spalten, denn hier wird an Kitsch und Zufällen nicht gespart. Aber mir hat es gut gefallen und mir dieses wohlige Gefühl in der Brust gegeben, eine Mischung aus Hoffnung und Genugtuung, dass am Ende die (ungewöhnliche) Liebe doch gewinnen kann. Es ist einfach ein Buch, was ein wenig aus der Norm ausbricht und was man vielleicht auch ein wenig mit einem zwinkernden Auge sehen muss.
Nicht unerwähnt möchte ich aber die weiteren Themen außerhalb der eigentlichen Liebesstory lassen. Da haben wir die urige Nachbarin Joan, die mit Hannah regelmäßig Kaffee trinkt und tratscht und diese Momente haben die Geschichte als Reflexionsmoment viel unterstützt. Da ist Hannahs beruflich Entwicklung und die Einflüsse von Georg auf ihre Persönlichkeit. Wie viel Arbeit darf eine Beziehung sein und wie viel muss und sollte man verändern? Es war ein interessanter Aspekt, vor allem weil die subtilen Hinweise auf eine toxische Beziehung zwischen den beiden nicht zu präsent waren. Und dann war da natürlich noch Daveys Thema, was emotional eingebracht wurde. Die Szenen von Davey haben mich stark berührt und im Hinblick auf das Nachwort der Autorin finde ich sie noch ergreifender als zuvor. Ich hätte mir nur vermutlich gewünscht, dass man von Daveys Weg ohne Hannah noch etwas mehr erlebt hätte.
Mein Fazit
The man I never met ist anders gewesen, als ich es erwartet hatte, dennoch konnte mich die Geschichte insgesamt gut abholen. Es ist vielleicht nicht die realistischste Geschichte und der Zufall spielt eine gewaltige Rolle, aber ich fand die Story süß und auch vielseitig. Ein etwas anderer Liebesroman mit Witz und Herz.
[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]