„Ich bin nicht mehr der Evan, den du kanntest und du bist nicht mehr dieselbe Carrie wie damals. Die Welt hat sich weitergedreht. Und wir uns mit ihr.“
(Evan zu Carrie in Melody of our future)
Worum geht’s?
Drei Jahre ist es her, dass Carrie fluchtartig und ohne ein Wort Seattle verlassen und ihre Freunde und ihre große Liebe Evan zurückgelassen hat. Jetzt ist Carrie wieder da und stolpert direkt am ersten Abend in die Arme von Evan und den restlichen Bandmitgliedern. Alle sind fassungslos, dass sie wieder da ist. Zwischen Freude, Wut und Enttäuschung müssen alle aber feststellen, dass drei Jahre eine lange Zeit sind. Viel ist zwischenzeitlich passiert. Die Dämonen von Carries und Evans Erlebnissen hängen über ihnen. Wird ihre Liebe noch eine Chance haben oder hat sich die Welt zu sehr weitergedreht, dass ihre Liebe nur noch ein Schatten der Vergangenheit ist?
Melody of our future ist der zweite Teil der „12 Songs for Carrie“-Dilogie und benötigt zwingend Vorkenntnisse aus Band 1 „Songs of our past“. Die Bücher können nicht unabhängig voneinander gelesen werden.
Schreibstil / Gestaltung
Auch das Cover von Band 2 ist wieder in dunkleren Farben gehalten. Erneut ziert eine Hand an einer Gitarre das Cover, was einerseits die musikalischen Inhalte des Buches widerspiegelt, aber auch den direkten Bezug zu Band 1 wiedergibt. Auch der angedeutete Sternenhimmel ist ein wiederkehrendes Element, was direkten Bezug zur Geschichte hat. Insgesamt ist das Cover wieder super gelungen, wenn auch recht ähnlich zu Band 1, dass eine direkte Unterscheidung auf dem ersten Blick nur anhand des Titels möglich ist.
Der Schreibstil der Autorin ist wie bereits bei Band 1 sehr angenehm und flüssig zu lesen. Er ist fesselnd und emotional, die Charaktere fluchen aber auch mal. Es gibt wenig erotischen Inhalt, der sehr niveauvoll geschrieben ist. Anders als bei Band 1 gibt es dieses Mal keine eingefügten Songtexte in englischer Sprache und auch keine Tagebucheinträge von Carrie. Das Buch ist komplett chronologisch aufgebaut, den Großteil der Geschichte erzählt Carrie, es gibt jedoch auch einige Kapitel aus Evans Sicht. Es gibt dieses Mal keine ausdrücklichen Rückblenden.
Mein Fazit
Songs of our past war für mich schon ein kleines Highlight dieses Jahr. Die Liebesgeschichte um Evan und Carrie hat mir sehr gut gefallen, ging mir voll ins Herz und ich mochte es sehr, dass die Charaktere keine perfekten Menschen sein mussten. Garniert mit den tollen Songtexten, den emotionalen Rückblicken und einer sehr guten Storyline war das Buch wirklich sehr lesenswert. Das sehr offene Ende (oder der offene Anfang, wie man es sieht) war für mich allein schon Grund genug, Melody of our future entgegenzufiebern. Als ich das Buch endlich in den Händen halten konnte, war ich auf vieles vorbereitet. Aber: Am Ende hatte ich keine Ahnung, dass mich dieses Buch zerstören wird. Ich hatte keine Ahnung, dass ich das Buch so oft werde unterbrechen müssen, weil ich gegen die Tränen ankämpfen musste. Und ich hatte keine Ahnung, wie oft einem Menschen das Herz gebrochen werden kann. Aber dann kam Evan mit seiner Carrie. Ich habe über 350 Seiten hinweg gelitten, geheult, bin verzweifelt und habe Evan, Carrie und Emily Crown verflucht. Und mein Herz liegt auch jetzt, Tage später, noch in Trümmern. Und dennoch kann ich nur daran denken, wie gern ich das Buch direkt nochmal lesen würde, weil es einfach so unfassbar schön war.
Das Buch steigt genau dort ein, wo Band 1 aufgehört hat. In der Bar, das große Wiedersehen, dass so früh nicht hätte sein sollen und alle Beteiligten voll überfordert. Drei Jahre sind eine lange Zeit und keiner aus der Band weiß, wieso Carrie wirklich ging. Auch wenn der Leser das Geheimnis von Carrie aus Band 1 kennt, habe ich jedes Mal wieder Gänsehaut bekommen, wenn es aufkam. Die Szenen wurden sehr intensiv beschrieben und sie tun weh, sehr, sehr doll. Doch in Band 2 geht es vor allem viel mehr um den Scherbenhaufen, den Carrie in Seattle hinterlassen hat: Die Broken Sons und Evan. Schon schnell ist klar, dass viel passiert ist, vor allem bei Evan. Erst Stück für Stück entwickelt sich ein Bild von dem, was in Evan vorgeht und ich kann nur sagen: Es ist verdammt dunkel. Carrie war sein Licht, seine Hoffnung, sein Rettungsanker. Und jetzt zeigt Emily Crown, wie tief ein Mensch fallen kann, wenn man nur eine Person aus dem Leben entfernt. Es entwickelt sich eine Geschichte, die in ihrer Dynamik unschlagbar ist. Irgendwo zwischen Frust, Lust, Verzweiflung, Vertrauen, Hass und Liebe, Wut und Hoffnung bewegen sich Carrie und Evan. Doch Evan ist nicht bereit, Carrie wieder in sein Leben zu lassen. Er ist aber auch nicht bereit, Carrie gehen zu lassen. Und so hangelt sich die Geschichte von emotionalem Tiefpunkt zum nächsten emotionalen Tiefpunkt, stets getrieben von Hoffnung und dem Glauben an die Liebe.
Carrie und Evan waren bereits in Band 1 keine unkomplizierten Charaktere. Und das ändert sich auch in Band 2 nicht. Doch während in Band 1 durch Carrie als Erzählerin der Fokus mehr auf ihr lag, lernen wir in Band 2 vor allem die Dämonen von Evan kennen. Sicher, Carries Erlebnisse und die Folgen hiervon spielen eine Rolle und werden beleuchtet. Aber es ist Evan, dessen unaufhörlichen Fall wir hautnah miterleben dürfen oder eher miterleben müssen. Ich bin kein Mensch, der von Büchern verlangt, dass sie Triggerwarnungen benötigen, aber hier muss ich sagen, dass das Buch nicht unbedingt für sehr sensible Menschen geeignet ist. Es kommen viele belastende Themen vor, die triggern können. Es passiert sehr viel, was emotional aufwühlt und auch schockierend ist. Und die Autorin besitzt eine Gabe, diese Szenen so schonungslos und brillant zu schreiben, dass sie ganz tief unter die Haut gehen und dort auch eine gewissen Zeit lang bleiben. Evans Kapitel waren in diesem Buch so intensiv, dass ich nach fast jedem Evan-Kapitel das Buch zumindest kurz weglegen und durchatmen musste. Evan ist kaputt, sehr kaputt. Und das wird in allen Facetten beleuchtet. Es wird beleuchtet, wie sein Umfeld seinen Zustand teilweise nur eingeschränkt ernstnimmt, wie seine Freunde verzweifelt versuchen seine Selbstzerstörung aufzuhalten, vor allem aber blicken wir direkt in den Kopf einer Person, die auf so viele Arten zerbrochen ist. In Kombination mit den Themen um Carrie kann dies sehr schnell etwas viel werden. Aber für mich war das ok. Denn so ist das Leben, nicht immer rosarot und unschuldig.
Carrie und Evan sind in ihrer Beziehung sehr komplex. Schon in Band 1 war ihre Beziehung nicht von Gradlinigkeit geprägt, vor allem Evan hat immer wieder Fehler gemacht und Carrie hat oft gezweifelt. Und daher ist es wenig überraschend, dass die Beziehung der beiden (oder was davon übrign geblieben ist) in Band 2 komplett aus dem Ruder läuft. Evan, der Carrie auf keinen Fall wieder in sein Leben lassen möchte, schlägt laufend um sich, sucht seine Erlösung woanders und bei anderen. Doch Carrie möchte nicht aufgeben, kämpft – und verzweifelt. Von Vergangenheits-Evan ist nicht viel übrig geblieben. Das führt dazu, dass auch Carrie Fehler macht, Entscheidungen trifft, die wehtun und es führt auch zu einem letzten, großen Missverständnis der beiden, was zeigt, dass auch zusammengeklebte Scherben weiterhin Scherben bleiben. Es ist verblüffend, wie viel in diesem Buch passiert, ohne dass es unrealistisch oder überladen wirkt. Stück für Stück setzt sich das Puzzle um Evans Geheimnis zusammen, Stück für Stück wächst aber auch die Verzweiflung von Carrie, die nicht weiß, wie lange sie Evan und seine Stimmungsschwankungen noch aushalten kann. Ich mag, dass die Autorin ihre Figuren nicht immer rational entscheiden, sondern auch mal die Emotionen überkochen lässt. Emily Crown schafft es, so viel Hoffnung und so viel Verzweiflung gleichermaßen hervorzurufen. Dort ist eine Anziehung, die zu jeder Zeit greifbar ist, von der man aber weiß, dass sie beide Parteien – und auch die Umstehenden – sukzessive zerstören wird.
Durch die vielen schweren Themen in diesem Buch ist Melody of our future ein Buch, was einen wohl auch weit über das Ende hinaus beschäftigen wird. Es ist eine Frage, wie viel Liebe schafft zu heilen, aber eine andere ist, wie viel Kraft Liebe hat, etwas zu zerstören. Bei diesem Buch geht es nicht um ein Happy End mit süßen Liebesschwüren, es geht nicht um einen verliebten Musiker, der romantische Liebeslieber schreibt. Nein, es geht um so viel mehr. Bei diesem Buch ist der Weg das Ziel. Jedes Ende wäre bei diesem Buch für mich in Ordnung und nachvollziehbar gewesen, denn der Weg dahin war es, der einen verblüfft hat. Es ist einfach so rund und stimmig, gleichzeitig so zerstörerisch und traurig. Und ich bin absolut traurig, nun von Evan und Carrie Abschied nehmen zu müssen, denn ihre Geschichte ist auserzählt. Welche Lehren der Leser aus dem Buch vielleicht (oder hoffentlich) noch mitnimmt, bleibt ihm überlassen, aber es gibt viel, was man mitnehmen kann, auch aus dem Gesamtkonzept der Dilogie.
Melody of our future ist für mich eines der besten Bücher, welches ich dieses Jahr und generell in diesem Genre gelesen habe. Nicht nur der tolle Schreibstil der Autorin ist für sich genommen schon Gold wert, nein, all diese Emotionen, der ganze Schmerz, die gnadenlose Ehrlichkeit, mit der Emily Crown ihre Charaktere leiden lässt und dem Leser Seite für Seite weiter das Herz bricht, machen das Buch zu seinem absoluten Highlight und in meinen Augen zu einem Must Read im Bereich der Romance-Literatur.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]