Hüseyin kam vor 30 Jahren nach Deutschland, er hat immmer hart gearbeitet um seine Familie zu ernähren und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Jetzt möchte er sich einen lang gehegten Traum erfüllen, eine Wohnung in Istanbul, für die Zeit der Rente, für den Lebensabend wie man so schön sagt. Alles ist bereit, er steht kurz davor, seiner Familie endlich das neue zu Hause zu zeigen. Doch dann spürt er einen stechenden Schmerz ind er Brust, ein Herzinfarkt er stirbt. Zurück bleiben seine vier Kinder und seine Ehefrau, die jetzt nach Istanbul müssen um den geliebten Ehemann und Vater zu beerdigen. Doch das ist nicht so leicht, denn die Familie ist geprägt von Spannungen zwischen den Kindern und den Eltern.
Tja, was soll ich sagen. Ich hatte mir mehr erhofft. Fatma Aydemir schildert eine Familie, die geprägt ist vom Generationenkonflikt, vom Beharren auf Traditionen, die die Kinder so nicht leben wollen. Mit überaus dichter Präzision wirft sie den Blick auf die Familienmitglieder, auf ihre Gedanken, Wünsche und Ängste. Jedes der Familienmitglieder hat seine eigene Erzählperspektive, mit der es auf sich, die Familie und das Leben im Allgemeinen blickt Dabei entstehen durchaus sehr ergreifende Bilder, die mich berührten und bewegten. Von Ümit, der sich verliebt, aber dem alle sagen, dass es eine solche Liebe nicht gibt, nicht geben darf. Von Sevda, die alles erreicht zu haben scheint, doch die alleine dasteht mit ihrem Restaurant, ihren zwei Kindern und die um jeden Preis verhindern will, dass sie wird wie ihre Mutter. Einer Mutter, der sie vieles vorwirft, einer Mutter, mit der sie sich nicht mehr annähern kann. Peri, die wegging von der Familie, aber dabei eine Liebe verloren hat und die sich jetzt sehnt nach Hingabe und Zuneigung. Hakan, der immer wieder die falschen Deals macht, die falschen Freunde hat, der mitmachen will bei den großen Jungs und dessen Part doch am unerträglichsten zu lesen war. Und natürlich ist da noch Emine, die Ehefrau und Mutter, die nie nach Deutschland wollte, die nicht nur ihre Wurzeln in der Vergangenheit zurücklassen musste. Sie hat viel verloren, doch darüber sprechen kann sie nicht, sie vergräbt es tief in sich, die Kinder liebt sie und doch ist das Verhältnis schwierig, v.a. zu Sevda, mit der sie alles schlechte verbindet.
Diese Einzelperspektiven sind gut, sie sind toll, eindringlich geschrieben, man ist hautnah dabei. Doch dann kommt der Schnitt, die nächste Persektive, und man braucht seine ganze Aufmerksamkeit um sich auf die neue Person einzustellen. Das was vorher war, verblasst dabei erschreckend schnell und man hat rückblickend das Gefühl, eigentlich doch nichts von der Person zu wissen. Als Aneinanderreihung der Perspektiven bleibt mir dieses Konstrukt zu distanziert, es sind nur Momentaufnahmen, Bilder in einem Album, die sich nicht zu etwas Ganzem verbinden. Jede der Figuren scheint isoliert zu stehen, sowohl im Buch, als auch in der Familie, ein Gespräch ist schwierig, für mich als Leserin auch. Der titelgebende Dschinn, der böse Geist, der die Menschen befällt, lauert über allem, doch spielt er im Buch selbst eher eine Nebenrolle.
Alles in allem hatte ich nach zahlreichen begeisterten Rezensionen das Buch des Jahres erwartet, doch nach der Lektüre bleibe ich etwas ratlos zurück. Die Familiengeschichte hat für mich als kurzer Blick hinter die einzelnen Kulissen begeistert, doch als Roman funktioniert es für mich nicht. Hinzu kommt leider ein mMn ziemlich klischeehafter Schluss, dessen Twist ich nicht gebraucht hätte. "Dschinns" ist ein gutes Buch, solide geschrieben, dessen Lektüre sicher nicht schadet, das mir jedoch nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.