Der Titel ist Programm
Mein "Blind Date" mit einem Buch hat mich diesen Monat zu einem recht ungewöhnlichen Werk geführt.
Fred Vargas' zwölftes Werk über Kommissar Adamsberg "Der Zorn der Einsiedlerin" lässt mich sehr gemischten ...
Mein "Blind Date" mit einem Buch hat mich diesen Monat zu einem recht ungewöhnlichen Werk geführt.
Fred Vargas' zwölftes Werk über Kommissar Adamsberg "Der Zorn der Einsiedlerin" lässt mich sehr gemischten Gefühlen zurück. Das liegt unter anderem daran, dass ich zuvor noch keinen Fred Vargas Roman gelesen habe. Obwohl das generell zu einem Blind Date dazu gehört, wünschte ich dennoch, ich wäre in irgendeiner Form vorgewarnt worden.
Kurz zur Handlung:
Aufgrund eines Mordfalls wird Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg aus Island zurück nach Paris beordert. Selbiger Mordfall wird schnell gelöst und eigentlich könnte das Buch an dieser Stelle enden. Die Betonung liegt auf KÖNNTE. Natürlich hat der 500 Seiten dicke Roman noch einiges mehr zu bieten. Drei alte Männer sterben in Nîmes durch das Gift einer Einsiedlerspinne. In den zugehörigen Internetforen wird über eine mögliche Mutation des Giftes gesprochen, aber Adamsberg vermutet mehr. Er denkt, es handelt sich um geplante Morde. Zusammen mit seinen Kollegen Veyrenc, Retancourt, Froissy und einigen mehr macht er sich hinter dem Rücken des Departement auf Spurensuche.
Neben der Haupthandlung finden mehrere Nebenhandlungen statt, die zunächst einmal ziemlich zusammenhangslos erscheinen. Doch jede einzelne wird hinterher von Bedeutung werden, so dass am Ende, wie bei einem Mosaik, ein großes Bild entsteht. In dieser Hinsicht ist der Roman ohne wenn und aber absolut genial und verdient meine absolute Höchstachtung. Ebenfalls großartig gemacht ist die Person Adamsbergs. Da ich die vorigen Bücher nicht kenne und damit auch nicht viel von Adamsberg weiß, kann ich wenig zu seiner Entwicklung im Vergleich sagen. Aber die Gestaltung dieses Charakters, der so nahe an der Grenze zwischen Wahnsinn und Genie lebt, ist einsame Spitze. Seine Gedankengänge, Proto-Gedanken und Erinnerungen sind überaus scharfsinnig ausgestaltet und eines der interessantesten Dinge, die ich in letzter Zeit lesen durfte.
Trotz der ganzen positiven Seiten gibt es leider auch ein paar fundamentale Schwächen.
Zu Beginn wäre da die Sprache. Selbige ist zwar nicht unbedingt eine Schwäche, aber relativ anspruchsvoll und ohne Zweifel etwas für Liebhaber. Es gibt viele literarische Anspielungen und der Roman strotzt nur so von Fachbegriffen. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, aber als Anfänger im Genre tut man sich doch bedeutend schwerer (aber das Buch ist ja auch nicht für Anfänger gemacht).
Die Geschichte ist genauso anspruchsvoll wie ihre Sprache. Auch das ist nichts Schlechtes, sorgt aber unweigerlich dafür, dass sich der Roman sehr in die Länge zieht, was nicht unbedingt hätte sein müssen. Je weiter man liest, umso obskurer wird die Handlung. Immer öfter treten Adamsberg und Co. auf der Stelle, die Ermittlung hängt sich an mehreren Stellen auf. Gerade durch diese Szenen wird das Buch teilweise extrem in die Länge gezogen und man verliert stellenweise die Lust am Lesen, was sehr schade ist. Es wird auch ziemlich schnell klar, wer der Mörder ist, aber das wirklich interessante ist ja auch die Geschichte dahinter.
Nichtsdestotrotz ist das Buch sehr lebenswert und hat mir trotz seiner Längen und dem hohen Leseaufwand ausgesprochen gut gefallen. Man merkt die große Recherchearbeit, die die Autorin in das Werk gesteckt hat und spürt zugleich das große Interesse dahinter.
Von mir gibt es daher wunderbare vier von fünf Sternen.
LG