Sind es diese Träume wert?
Eigentlich hatte ich nicht wirklich vor den neuen Roman von Fredrik Backman zu lesen. "Ein Mann namens Ove" hat mit gut gefallen und hatte einen bösen Humor und einen schrulligen Protagonisten. Ein Buch, ...
Eigentlich hatte ich nicht wirklich vor den neuen Roman von Fredrik Backman zu lesen. "Ein Mann namens Ove" hat mit gut gefallen und hatte einen bösen Humor und einen schrulligen Protagonisten. Ein Buch, das mich gut unterhalten hat. Bei der Verfilmung habe ich allerdings nach der Hälfte den TV abgedreht....
Dann las ich "Oma lässt grüßen und sagt es tut ihr leid", das ich fast abgebrochen habe. Der Roman hat mir überhaupt nicht gefallen. Da ich es normaler Weise dreimal mit einem Autor versuche und mich Ole ja großteils überzeugen konnte, habe ich dann auch noch "Britt-Marie war hier" gelesen, das gerade noch 3 Sterne absahnte. Da alle drei Romane einen satirischen Touch hatten, war ich überrascht diesen bei "Kleine Stadt der großen Träume" NICHT zu finden und das war für mich ein großes Plus.
Dieser wundervolle Roman enthält sehr viel Gesellschaftskritik und hat mich erst so wirklich nach den ersten 70 - 100 Seiten gepackt. Zuerst werden Personen und Charaktere vorgestellt und welche Bedeutung das Eishockey für die kleine Stadt hat. Dies zog sich etwas in die Länge, doch ist rückblickend notwendig. Doch das Durchhalten hat sich gelohnt, denn danach konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen. Das Hauptthema, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht, ist der Eishockeysport...der mich noch nie wirklich interessiert hat. Warum es mir trotzdem super gefallen hat?
Das Drama, das sich rund um die Einwohner entwickelt, beginnt nämlich nach diesen ersten hundert Seiten. Denn danach steht Eishockey zwar immer noch im Mittelpunkt, doch die Story entwickelt sich zu einem Gesellschaftsdrama....und das so spannend, dass man mit den Einwohnern der Stadt richtig mitfiebert.
Björnstadt ist eine kleine schwedische Stadt, die man eher verlässt, als zuzieht. Die Infrastruktur ist schlecht, die meisten großen Firmen sind bereits umgesiedelt. Das Einzige, was die Björnstädter gut können, ist Eishockey spielen. Die Hoffnungen und Träume einer ganzen Gemeinschaft richten sich auf den Erfolg der Junior-Hockey-Mannschaft, die im Viertelfinale steht. Würden es die Jungs ins Halbfinale schaffen und danach sogar gewinnen, würde Björnstadt die Unterstützung von Sponsoren und Politikern erhalten, die sie sich jahrelang gewünscht haben....und jahrelang übergangen wurden. Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes in der kleinen Stadt und es beginnt eine Hexenjagd, die mich wahrlich schockiert hat. Wie hoch darf der Preis sein, um die gewünschte Unterstützung zu erhalten und den Sieg nach Björnstadt zu holen? Steht der Club über einem einzigen Menschenleben oder dem einer Familie?
Fredrik Backman hat hier ein hochbrisantes Thema aufgegriffen. Moral und Gerechtigkeit stehen in diesem Roman im Vordergrund. Es geht ihm dabei nicht nur um die Menschen in der Stadt, die Eishockey lieben, sondern auch um diejenigen, die damit wenig anfangen können, nicht gut genug sind oder aus der falschen Gesellschaftsschicht kommen. Diese Menschen haben oft gar keine Chance und sind sehr schnell ausgeschlosssen. Es geht um soziale Ausgrenzung und moralische Prinzipien. Dieses Buch war eine emotionale Achterbahnfahrt. Manchmal fühlte ich mich inspiriert, oftmals war ich absolut empört. Es machte mich froh und traurig zugleich.
Die Charaktere sind authentisch und vielschichtig gezeichnet. Es gibt kein schwarz und weiß. Alle entwickeln sich weiter und sind nicht stereotyp. Backman erzählt aus vielen Sichtweisen und lässt den Leser die Gedanken seiner Protaginisten mitteilen. Wir lernen Peter kennen, ein ehemaliger Profispieler, der nun der Sportdirekor des Clubs ist, seine Frau Mira, eine Juristin, die nur ihm zuliebe von Kanada in seine Heimatsatdt gezogen ist, ihre 16-jährige Tochter Maya und deren Freundin Ana, sowie einige Spieler der Juniorenmannschaft: Kevin, Benji, Bobo und Amat, wie auch deren Trainer David, um nur einige aufzuzählen Durch die eher düstere Stimmung des kalten schwedischen Winters, der dunklen Wälder und der oftmaligen Hoffnungslosigkeit der Björnstädter, hat die Geschichte auch etwas Dunkles. Sie zieht aber den Leser nicht hinab - im Gegenteil. Man bekommt hier eine geballte Dosis vieler Gefühlseben: Wut, Verzweiflung, Unglauben, Trauer, Überlegenheit, Freude und Tragik.
Fredrik Backman hat mir nicht nur die Faszination des Eishockey näher gebracht (auch wenn ich kein Fan geworden bin, aber dieser Enthusiasmus für eine Sportart lässt sich auf jede X-beliebige ummünzen!), sondern mich mit diesem Gesellschaftsdrama wirklich überzeugt. Facettenreiche Charaktere, unvorhersehbare Wendungen und ein Schreibstil der seinesgleichen sucht, haben mir hier wunderbare und aufwühlende Lesestunden bereitet.
Fazit:
Fredrik Backman kann auch anders! Sein neuer Roman ist ein sozialkritisches Gesellschaftsdrama, das einer emotionalen Achterbahn gleichkommt. Es ist nicht unbedingt leichte Kost, aber spannend und mit viel Sensibilität erzählt. Ich bin absolut positiv überrascht und vergebe hier eine eindeutige Leseempfehlung!