Cover-Bild Wiesenstein
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 552
  • Ersterscheinung: 17.12.2018
  • ISBN: 9783406700613
Hans Pleschinski

Wiesenstein

Roman
Der alte Mann, eine Berühmtheit, Nobelpreisträger, verlässt mit seiner Frau das Sanatorium, wo beide Erholung gesucht haben, und wird mit militärischem Begleitschutz zum Zug gebracht. Doch es ist März 1945, das Sanatorium Dr. Weidner liegt im eben zerstörten Dresden und der Zug fährt nach Osten. Gerhart und Margarete Hauptmann nämlich wollen nirgendwo anders hin als nach Schlesien, in ihre Villa „Wiesenstein“, ein prächtiges Anwesen im Riesengebirge. Dort wollen sie ihr immer noch luxuriöses Leben weiterleben, in einer hinreißend schönen Landschaft, mit eigenem Masseur und Zofe, Butler und Gärtner, Köchin und Sekretärin – inmitten der Barbarei.
Aber war es die richtige Entscheidung? Überhaupt im Dritten Reich zu bleiben? Und was war der Preis dafür? Können sie und ihre Entourage unbehelligt leben, jetzt, da der Krieg allmählich verloren ist, russische Truppen und polnische Milizen kommen? Und das alte Schlesien untergeht?
Hans Pleschinski erzählt erschütternd und farbig, episodenreich und spannend vom großen, genialen Gerhart Hauptmann, von Liebe und Hoffnung, Verzweiflung und Angst. Er erzählt vom Ende des Krieges, dem Verlust von Heimat, von der großen Flucht, vergegenwärtigt eine Welt, die für uns verloren ist, und das Werk Gerhart Hauptmanns, auch mit unbekannten Tagebuchnotizen. „Wiesenstein“ ist die Geschichte eines irrend-liebenden Genies und einer untergehenden und sich doch dagegenstemmenden Welt. Ein überwältigender Roman.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.03.2018

Lebensabend zwischen Trümmern

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Gerhart Hauptmann erlebt nur wenige Kilometer von Dresden entfernt dessen blutigen Untergang in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Alt, krank und gebrechlich hat der große Autor nur noch den Wunsch ...

Gerhart Hauptmann erlebt nur wenige Kilometer von Dresden entfernt dessen blutigen Untergang in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Alt, krank und gebrechlich hat der große Autor nur noch den Wunsch nach Hause zurückzukehren und die Kriegstage zu vergessen. Eine strapaziöse Flucht bis zum Wiesenstein bringt nicht die erhoffte Erlösung. Isoliert, fasst wie im Vakuum, schreibt er in seinem Zuhause an seinem letzten großen Werk – auf den Schutz seiner Legende vertrauend, während um ihn herum der Krieg tobt. Doch Schlesiens blutigste Tage stehen noch bevor. Während Hauptmann entrückt seinen Lebensabend verbringt blutet Schlesien nach Kriegsende unter der Herrschaft der Polen und Russen aus. Kann Hauptmann mit seinem Ruf das Dorf schützen und wird ihm ein stilles Ende in seiner Heimat vergönnt sein?

Wie ein Zauberturm wirkt der Wiesenstein. Unberührt von den Kriegswirren kann man kaum entscheiden, ob Hauptmann arrogant, entrückt oder einfach nur wie ein verzweifelt Flüchtender wirkt. Die Zerrissenheit eines Autors, der feststellen muss sich selbst überlebt und verraten zu haben, lässt auch im Leser ein schlechtes Gefühl zurück. Es nimmt einem den Atem zu sehen wie ein großer Autor an seiner Zeit und seinen Entscheidungen zerbrochen ist und nur noch verzweifelt ein Leben führt, das mit Beginn des Dritten Reiches bereits vorbei war. Gescheitert an der eigenen Eitelkeit, an Kurzsichtigkeit und doch wehrt er sich mit aller Kraft eine Niederlage einzugestehen. War Hauptmann schuldig oder nur blind? Ist er arrogant oder lebt er bereits in seiner eigenen Welt an der Schwelle des Todes?

Pleschinski schafft es mit eindrucksvoller Bildgewalt die letzten schauerlichen Tage des Krieges lebendig werden zu lassen und die ersten Monate des Friedens, die immer noch von Gewalt und Tod geprägt sind. Die Zerrissenheit eines Skandalautors, der schließlich von der Öffentlichkeit, die ihn umjubelt und zu dem man sich in der Not geflüchtet hat, verdammt wurde. Fast mit Sachbuchcharakter entfaltet sich hier ein Roman, der mit seiner Objektivität und seinen Details fesselt. Er erschüttert, er lässt vieles hinterfragen und gibt vor allem einen Einblick in das Dilemma, vor dem die Menschen im Dritten Reich standen. Wie viel Anpassung zur Sicherung der eigenen Existenz ist akzeptabel? Wie viel hat man wissen, wie viel ahnen können, in einer Welt ohne Internet, mit gleichgeschalteten Medien? Wie sehr lässt man sich verführen, für ein bisschen öffentliche Anerkennung? Wie viel Kumpelhaftigkeit mit Autoritäten kann toleriert werden und sei es zum Schutz der Familie und Freunde? Das Buch wirft Fragen auf, die man nicht beantworten will.

Das Buch beeindruckt und erschüttert. Es ist sehr viel mehr als die Biographie eines zwielichtigen Autors, dessen umjubelte Fortschrittlichkeit im Expressionismus von Nazivorwürfen in der Nachkriegszeit verdüstert wurde. Gleichzeitig gibt es einen detaillierten Einblick in Hauptmanns literarisches Schaffen. Es wird aus bekannten und fast vergessenen Werken zitiert. So wird man immer weiter in das komplexe Seelenleben des zerrissenen Autors geführt. Ein Leben, das in mehr als einer Hinsicht zertrümmert wurde und zwischen Trümmern qualvoll stirbt. Wie ein Zauberturm, ein Vakuum, ragt der Wiesenstein wie die Ruine eines magischen Symbols zwischen den Trümmern herausragt – Zeugnis vergangener Größe, großen Glanzes, das trotzdem noch Schutz bietet. Dass diese Geschichte auf Tatsachen beruht, macht es umso berührender. Das Nachwort gibt einen kurzen Einblick in die Fakten, auf denen das Buch beruht einen Einblick in die Schicksale der anderen Charaktere. Nichts für schwache Nerven, hochinteressant, komplex und bildgewaltig überzeugt dieses Buch auf ganzer Linie. Ein Biographie, ein Sachbuch und doch so viel mehr. Beeindruckend und absolut lesenswert!

Veröffentlicht am 20.02.2018

Der alte Mann und das Gebirge

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Das Riesengebirge in Niederschlesien, genauer gesagt. Dort haust der alte Mann, nämlich der berühmte Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann, zum Ende des zweiten Weltkriegs und will auch nicht fort ...

Das Riesengebirge in Niederschlesien, genauer gesagt. Dort haust der alte Mann, nämlich der berühmte Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann, zum Ende des zweiten Weltkriegs und will auch nicht fort aus seiner schlesischen Heimat, obwohl er nicht nur dort bekannt ist wie ein bunter Hund. Auch, wenn dem nationalsozialistischen Deutschland schon das Feuer unter dem Allerwertesten brennt - Hauptmann gilt als eine der Ikonen Deutschlands und wird auch jetzt noch hofiert und gut versorgt - wie es übrigens unter allen Regierungen der Fall war.


Hauptmann ist kein Nazi, aber er hat es sich bequem gemacht im Regime, kann er doch in seinem geliebten Haus Wiesenstein wohnen bleiben und wird mit allem Komfort versorgt, den man sich nur denken kann. Dafür erwartet das Regime das ein oder andere flammende Statement zur rechten Zeit - nun ja, aus Hauptmanns Sicht kein allzu großes Opfer.


"Wiesenstein", der Roman, der nach Hauptmanns Haus, nach seiner Trutzburg sozusagen - denn genau als solche sieht er sein in jüngeren Jahren erworbenes und selbst geschaffenes bzw. zumindest erweitertes Heim - gibt die aller- aber wirklich allerletzten Zuckungen des Nationalsozialistischen Deutschland wider und beginnt unmittelbar nach der Bombardierung Dresdens, die Hauptmann ausgerechnet in der Stadt bzw. in deren unmittelbaren Umgebung erleben musste.


Jetzt soll es heimgehen und so zieht der bereits bettlägerige Hauptmann gemeinsam mit seiner Frau Margarete in Begleitung der Sekretärin Annie Pollak und des sich gerade erst angedienten Masseurs Paul Metzkow entgegen allen Flüchtlingsströmen alle düsteren Vorhersagen ignorierend gen Osten: Nur nach Hause, lautet die Devise! Und zum ersten Mal kommt ein Bedürfnis zum Vorschein, das sich wie ein roter Faden durch den ganzen Roman zieht: die Menschen in seiner Umgebung, hier also Annie und Paul, erhoffen sich Schutz durch die Nähe zu Gerhart Hauptmann, Sicherheit vor feindlichen Truppen, ebenso aber eine gewisse Gewährleistung von Komfort - was 1945 vor allem bedeutet, satt zu werden und etwas zum Anziehen zu haben, vielleicht sogar zum Wechseln. Und daheim auf Wiesenstein wartet noch ein ganzes (naja, kleines, aber immerhin) Bataillon von Bediensteten mit denselben Erwartungen.


Der Hauptteil des Romans, auf Wiesenstein, hat etwas Unwirkliches, ja Groteskes. Autor Hans Pleschinski vermag diese Endzeitstimmung, die auch in Haus Wiesenstein herrschte, trotz einiger Längen und Umständlichkeiten, die ich empfunden habe, unglaublich kraftvoll und dicht, mit einer starken Präsenz wiederzugeben. Fast empfand ich mich als Teil der Hauptmann'schen Entourage. Das "normale" Leben, auch wenn es das eines alten, ja sterbenden Mannes und seines Umfelds ist, in harten Zeiten und in einer Gegend, die quasi schutzlos ist, zumindest im Verlauf des Romans dazu wird - das hat etwas sehr, sehr Frappierendes, betroffen machendes.


Ein kluger, unglaublich umfassend recherchierter Roman, der dem Thema dank eindringlicher Schilderung eine kraftvolle Präsenz einzuhauchen vermag! Ja, es gibt Passagen, in denen Hauptmanns Werke seitenweise zitiert werden. Ja, es gibt Passagen, in denen der Meister parodiert, oder vielmehr: bloßgestellt wird. Ja, diese Teile fügen sich nahtlos in den Roman. Nein, ich habe sie nicht gerne gelesen, überhaupt nicht gerne.


Aber ich muss auch nicht jede Kleinigkeit dieses absolut opulenten Werkes, nein: Meisterwerkes schätzen, um es in seiner Gesamtheit würdigen zu können. Und das tue ich hiermit und empfehle es jedem weiter, der Romane über signifikante historische Personen und Entwicklungen so liebt wie ich. Die Lektüre ist eine wahre Herausforderung, aber was für eine! Ich jedenfalls knie nieder vor einem Meilenstein der deutschen Literatur!

Veröffentlicht am 06.03.2018

Hauptmann: „Erwähnte ich, dass ich selbst ein überzeugter Kompromissler bin?“

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Hauptmann: „Erwähnte ich, dass ich selbst ein überzeugter Kompromissler bin?“ S. 331



Die Handlung beschreibt die letzten rund eineinhalb Jahre im Leben Gerhart Hauptmanns, zwischen Februar 1945, nach ...

Hauptmann: „Erwähnte ich, dass ich selbst ein überzeugter Kompromissler bin?“ S. 331



Die Handlung beschreibt die letzten rund eineinhalb Jahre im Leben Gerhart Hauptmanns, zwischen Februar 1945, nach dem Bombenangriff auf Dresden, von wo er mit seiner Begleitung flüchtet in seine geliebte Villa Wiesenstein in seiner Herkunftsregion Schlesien, heute Polen, bis zu seinem Tod am 6. Juni 1945 sowie seiner Beisetzung.

Autor Pleschinski verbindet für seinen Roman:
•die reine Handlung um die Protagonisten rund um Gerhart Hauptmann, dessen Frau Margarete und deren Entourage aus Masseur, Sekretärin, Köchin, Hausmeister etc.
•viele der Werke Hauptmanns - so ausführlich zitiert, dass sie für den Leser einzuordnen sind, geradezu eine Werkschau
•der historische Zusammenhang wird – meist bildhaft – dargestellt, die Situation im zerbombten Dresden, letzte Kriegstage, Flucht, Vertreibung, das Ende des Schlesiens, wie Hauptmann es kannte
•eine geschichtliche Einordnung, Überblicke

Genau hier liegen für mich die Stärken und Schwächen des Romans:
Mir waren von Hauptmann nur Eckdaten geläufig, ich kannte das Haus auf Hiddensee, wusste nichts von Wiesenstein. Ich kannte die „üblichen Verdächtigen“ seiner Werke. Für mich ist es eine starke Leistung, wie Pleschinski das teils in Vergessenheit geratene extrem umfängliche Werk zugänglich macht, begreifbar – eine wundervolle Einladung zur weiteren Lektüre, die Verlage nutzen dies hoffentlich sinnvoll. Problematisch ist dabei für mich aber im Gegenzug, dass einige Konversationen Hauptmanns wie Fiktion daherkommen, sich aber entpuppen als fast wortwörtlich aus seinen Werken entnommen, aber dennoch nicht als Zitate erkennbar sind (wie im Gegensatz dazu die Zitate aus seinen Werken, bei denen das Vehikel genutzt wird, dass jemand vorliest oder Korrektur gelesen wird). Ich beziehe mich zum Beispiel auf die Unterhaltung S. 59f, dies steht fast wörtlich in „Das Abenteuer meiner Jugend“, recht zu Anfang (als Leseprobe gratis im Internet), ich war zufällig darauf gestoßen. Ja, das Werk ist kein Sachbuch – aber was als Roman daherkommt, sollte für mich auch (reine) Fiktion sein, wo es sich so darstellt.

Der Stil des Romans ist durchaus speziell, wohl angenähert an das Thema. Einzelne typische Sätze sind oft sehr deskriptiv, dann fehlt anderen das Verb: „Massiv wirkte Wiesenstein. Und geräumig. Graue Quader als Fundament, Graniteinfassung um die vergitterten Fenster im Erdgeschoss.“ Dann gibt es wieder überbordend lange mäandrierende Sätze: „Annie Pollack hütete sich, schon gar in diesem Moment [d.i. die Ankunft vor Haus Wiesenstein], auf die national-euphorischen, ja nationalsozialistischen Anwandlungen – kaum als fahrlässig oder blindes Eifern zu beschönigen – des Dichters auch nur anzuspielen: Was der Führer verfügte, war besonnene Tat. – Das Hakenkreuz vor der Ostseevilla hätte er nicht hissen lassen müssen, wenn auch diese Unterwerfung oder, schlimmer noch: dieses Bekenntnis, seine Einkünfte sicherte.“ S. 81 Ich habe das Buch deshalb gefühlt mit nur etwa halber üblicher Lesegeschwindigkeit lesen können, der Stil an sich, der Wechsel zwischen fast militärisch-kurz und ausufernd, dazu der Wechsel zwischen Beobachtung der Handlung, Darstellung des Werks und Geschichtsdarstellung tat sein Übriges: ich kam aus dem Lesefluss, empfand die Wechsel als anstrengend, sie bauten Distanz auf.

Gelegentlich trat mir auch der Autor zu sehr hervor: ich lerne gerne anhand von fiktiven Romanen über etwas ODER lese ein Sachbuch; im Roman erwarte ich dafür nicht Fakten, sondern eine realistische, an Fakten orientierte Handlung, anhand derer ich die Fakten beispielhaft erlebe – so der Selbstmord der Bekannten aus Furcht vor den einmarschierenden Russen. Pleschinski stellt das einprägsam dar, dennoch liefert er darüber hinaus häufig eine Geschichtsstunde mit reinen Fakten (die Verschiebung der Grenzen Polens zum Beispiel – das sollte er seinen Lesern zutrauen, selbst wenn eventuell jemand dafür Wikipedia bemühen muss). Das wirkt auf mich steuernd, Einfluss nehmend.

Dazu tritt er in einigen Wertungen hervor: „Wann hatte es begonnen, dass man …in öffentlichen Verlautbarungen einfach geduzt wurde? … Wünschen Sie den totalen Krieg? – Das ohrenbetäubende „Ja!“ wäre gewiss schütterer ausgefallen.“ S. 32f Die Bemerkung an sich finde ich originell, doch insgesamt ist mir das alles etwas zu viel, teils zu gewollt. Da wird dieses Monumentalwerk geschrieben, doch gleichzeitig wird dessen Objekt vorgeführt als in einer Blase lebender Opportunist mit starkem Standesbewusstsein – sicherlich auch, aber speziell die damaligen Standesunterschiede waren gewiss nicht untypisch und allein ein Kokon von Bewunderern hat bis heute andere Prominente weiter in ähnlichen Blasen leben lassen. Rechtfertigt das die Anbiederung an die jeweiligen Machthaber? Nein, aber ich kenne jetzt hauptsächlich die Darstellung nach Pleschinski und ein wenig Wikipedia.

Überaus amüsant fand ich hingegen die Passagen über den Kleinkrieg mit Mann oder die Darstellung der völligen Ignoranz der Hauptmanns bei Besuchen der polnischen oder russischen Machthaber, das Hofhalten als Teil einer untergegangenen Welt.

Zusammenfassend fühle ich mich beeindruckt davon, wie tief in die Materie Autor Hans Pleschinksi eingetaucht ist, wie stark er Hauptmanns Werk integrierte und sich stilistisch anpasste. Ich hätte mir etwas mehr Distanz gewünscht hinsichtlich des eigenen Hervortretens und Kommentierens, konnte mit der wohl gewollten Distanz zu den Figuren jedoch durchaus umgehen und habe viel gelernt. Die Lektüre wird sicherlich bei mir weitere Lektüren bedingen, Hauptmann selbst (wobei die späteren Werke eher abschreckten). 4 Sterne

Veröffentlicht am 27.02.2018

Umfangreiches und gut recherchiertes Werk über Gerhart Hauptmann zum Ende seines Lebens 1945/1946

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Hans Pleschinski legt mit "Wiesenstein" ein sehr umfangreiches Werk vor, das nach dem Wohnsitz des Schriftstellers Gerhart Hauptmann in Schlesien benannt ist, wo auch die meisten Teile der Handlung spielen.
Die ...

Hans Pleschinski legt mit "Wiesenstein" ein sehr umfangreiches Werk vor, das nach dem Wohnsitz des Schriftstellers Gerhart Hauptmann in Schlesien benannt ist, wo auch die meisten Teile der Handlung spielen.
Die Darstellung beginnt in Dresden im März 1945, kurz nachdem die Stadt durch Bombenangriffe fast vollständig zerstört wurde, und endet mit Hauptmanns Tod im Jahre 1946.
Während große Fluchtbewegungen in den Westen eingesetzt haben, fährt Gerhart Hauptmann mit seiner Frau sowie Bediensteten von Dresden aus in die entgegengesetzte Richtung, um sich nach einem Aufenthalt im Sanatorium nun wieder in seiner Residenz Villa "Wiesenstein" im Riesengebirge einzurichten. Auch über das Kriegsende hinaus bleibt Gerhart Hauptmann mit seiner Entourage in Wiesenstein wohnen; die russischen und polnischen Verwalter halten bis zu seinem Tod die Hand über ihn.


Meine Meinung:
Das Werk ist keine leichte Kost, in die man schnell Einstieg findet und die man nebenher schnell lesen kann. Durch die Mischung von Erlebnisberichten und Zitaten aus den Werken Hauptmanns wird der Lesefluss des Öfteren unterbrochen, und der Zugang fällt zunächst aufgrund der Sperrigkeit etwas schwer.
Im Laufe des Buches werden jedoch Abschnitte - gerade die Beschreibungen der Erlebnisse zum Ende des zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach - zunehmend spannend zu lesen. Ich kenne bisher kein Buch, dass die Ereignisse von 1945/46 - gerade auch in Schlesien - so eindringlich beschreibt. Hierdurch habe ich viel gelernt, aber vor allem aber auch die bedrückende Atmosphäre fast hautnah gespürt.

Dem Buch merkt man deutlich an, dass der Autor sehr gut und gründlich recherchiert hat. Das Werk und die Person Hauptmanns werden differenziert aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt, wobei sich der Autor geschickt der verschiedenen handelnden Personen, z.B. Butler, Masseur, Sekretärin, Archivar, Köchin, Gärtner, Ehefrau..., bedient, die alle ihre eigene Sicht vertreten und die Pleschinski gekonnt in Gesprächen reflektieren und zurückschauen lässt.
Als Leser wird man nicht unbedingt ein Freund oder Fan Hauptmanns, aber man bekommt einen sehr guten Überblick und kann auch reflektiert eine zeitgeschichtliche Einordnung vornehmen. Gerade eine kritische Sicht auf Hauptmann, der während des Dritten Reiches in Deutschland geblieben und nicht emigriert ist, wird durch das Buch befördert. Darüber hinaus ist auch die Beschreibung der Kontakte, die der Schriftsteller während seines Lebens hatte, ist sehr interessant, denn natürlich war während des langen Lebens des Nobelpreisträgers viel Prominenz zu Gast bei ihm - ob in Wiesenstein oder im Haus auf Hiddensee oder auch in Italien.

Sehr wichtig fand ich auch die Darstellung der Konflikte zwischen Flüchtlingen und beispielsweise den Bewohnern Schlesiens, die (noch) nicht geflohen waren / vertrieben worden waren, da diese vor allem vor dem Hintergrund der Beschreibung der Gefühlslage - wieder und immer noch - sehr aktuell sind.

Auch wenn die Beschreibungen (gerade im Zusammenhang mit dem Werk oder Gesprächen Hauptmanns) zum Teil recht sperrig zu lesen waren, ist es doch insgesamt ein wichtiges Buch, von dem man sehr lange zehren wird.


Fazit:
Bei "Wiesenstein" handelt es sich sicherlich nicht um leichte Kost; man lernt jedoch eine Menge, nicht nur über Gerhart Hauptmann und sein Werk, sondern auch über ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte.

Veröffentlicht am 24.02.2018

Ein eindringliches Porträt

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„Wiesenstein“ von Hans Pleschinski ist ein interessanter und monumentaler Roman über die letzten Monate des Schriftstellers und Dramatikers Gerhart Hauptmann.

Gerhart Hauptmann und seine Frau Magarete ...

„Wiesenstein“ von Hans Pleschinski ist ein interessanter und monumentaler Roman über die letzten Monate des Schriftstellers und Dramatikers Gerhart Hauptmann.

Gerhart Hauptmann und seine Frau Magarete kehren nach einem Aufenthalt im Sanatorium Dr. Weidner zurück in ihr luxuriöses Anwesen „Wiesenstein“ im Riesengebirge. Obwohl der Krieg so gut wie verloren ist, die Bevölkerung in Armut lebt, mangelt es den Hauptmanns an nichts. In ihrer Villa leben sie mit ihren Bediensteten wie in einer Blase und bekommen nur wenig von dem mit, was um sie herum geschieht. Gerhart Hauptmann ist kein Nazi, aber für ein entsprechendes Statement, das ihm seinen Luxus sichert, ist er sich nicht zu schade.

Dieser facettenreiche, gut recherchierte Roman ist intensiv und eine echte Herausforderung, da er nicht immer einfach zu lesen ist.
Der größte Teil des Romans schildert das Leben in der Villa Wiesenstein und die Atmosphäre und Stimmung dort wirkt regelrecht irreal in Anbetracht dessen, was im Rest des Landes passiert.
Dabei wird Hauptmann aus ganz unterschiedlichen Perspektiven dargestellt. Mit Zitaten aus Biografien, Tagebucheinträge seiner Frau und Auszüge aus seinen Werken versucht Pleschinski einen vielseitigen Eindruck des Schriftstellers zu schaffen.
Ausgesprochen gut dargestellt - und im krassen Kontrast zum Leben auf Wiesenstein - fand ich die Beschreibung im Rest des Landes. Mit Worten dargestellte Bilder der Bevölkerung, die sich auf der Flucht befand, vertrieben wurde und ihr gesamten Hab und Gut bei sich trugen, haben erschreckende Bilder in meinem Kopf entstehen lassen.
Die Stimmung dieser Zeit in den verschiedenen Bevölkerungsschichten hat der Autor ausgesprochen gut eingefangen. Das Bild, das er von Gerhart Hauptmann gezeichnet hat, ist keineswegs positiv. Er hat die Bewunderung, die er für seine Werke erhalten hat und seinen Sonderstatus, den diese ihm verschaffen haben, zu nutzen gewusst.

„Wiesenstein“ ist ein informatives und intensives Werk über die letzten Monate von Gerhardt Hauptmann, bei dem beim Lesen ein wenig Konzentration erforderlich ist. Meiner Meinung nach kein Lesegenuss, aber ein Buch das sich lohnt.