Zeitgeschichte mit aktuellem Bezug
Schauplatz des Romans ist Unnenmoor, einem kleinen, abgelegenen Dorf im ostfriesischen Moor, in den Nachkriegsjahren.
Hier leben Edith mit ihrer Tochter Betty und Annie mit ihrem Sohn Willy. Die beiden ...
Schauplatz des Romans ist Unnenmoor, einem kleinen, abgelegenen Dorf im ostfriesischen Moor, in den Nachkriegsjahren.
Hier leben Edith mit ihrer Tochter Betty und Annie mit ihrem Sohn Willy. Die beiden Frauen waren schon immer Freundinnen, haben zusammengehalten und sich gegenseitig geholfen, als ihre Männer in den Krieg mußten. Beide hoffen auf deren Rückkehr und dass das Leben wieder wie vor dem Krieg sein wird. Doch nur Josef, Annies Mann, kehrt fünf Jahre nach Kriegsende als Invalide – er hat beide Beine verloren – aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Vom Krieg traumatisiert, findet Josef nicht in das alte Leben zurück. Er beginnt zu trinken, Annie bleibt ihm fremd, stattdessen fühlt er sich zu Edith hingezogen. Annie gibt ihrer Freundin die Schuld an ihrem Unglück und glaubt, Edith habe sie und ihre Familie verhext.
Viele der Bewohner dieses rückständigen Dorfes sind ebenfalls sehr empfänglich für Aberglaube, Hexerei und magische Kräfte und beginnen Edith, einer eigenständigen, selbstbewußten und dazu noch rothaarigen (!) Frau, zu mißtrauen.
Helga Bürster ist es hervorragend gelungen, die Atmosphäre dieser abgelegenen, kargen Landschaft authentisch einzufangen. Sehr anschaulich beschreibt sie die Trostlosigkeit und den schweren Alltag in dem kleinen Moordorf. Auch der Einsatz des Plattdüütschen führt dazu, dass man sich direkt in die Geschichte hineingezogen fühlt.
Die verschiedenen Charaktere sind liebevoll und detailreich dargestellt – wortkarg, dickköpfig, teilweise schrullig – norddeutsch eben. Man trifft auf so verschiedene, eigenwillige Menschen wie die alte Guste, eine Kräuterfrau, die krumme Katie, die als Hausiererin durch die Dörfer zieht, Theo, den Zeitungsschreiber, und auch den Spökenfritz, der weiß, wie man das Unglück wieder los wird und sich das gut bezahlen lässt.
Die Geschichte erzählt sehr gut, wie schnell Menschen, die sich hoffnungs- und orientierungslos fühlen sowie Angst vor dem Neuen/Unbekannten haben, dem Aberglauben verfallen und schnell einen Sündenbock finden. Ein durchaus beklemmender Bezug zur aktuellen Lage ist ebenfalls gegeben. Anscheinend brauchen manche Menschen in schwierigen Zeiten Sündenböcke, denen man die Schuld für alles in die Schuhe schieben kann. Früher waren es Hexen, heute sind es die Regierung, Migranten, etc. Man glaubt vielleicht nicht mehr an Wunderheiler, dafür folgt man kruden Verschwörungstheorien.
Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann!