Spannende Fortsetzung der Familiensaga
Mit „Nur nachts ist es hell“ setzt Judith Taschler ihren Familienroman „Über Carl reden wir morgen“ fort. Der zweite Teil lässt sich jedoch problemlos auch eigenständig lesen; ich kenne Teil 1 selbst nicht.
Elisabeth, ...
Mit „Nur nachts ist es hell“ setzt Judith Taschler ihren Familienroman „Über Carl reden wir morgen“ fort. Der zweite Teil lässt sich jedoch problemlos auch eigenständig lesen; ich kenne Teil 1 selbst nicht.
Elisabeth, geboren 1895 im Mühlviertel, blickt in hohem Alter auf ihr wechselvolles Leben in unruhigen Zeiten zurück. In Briefform schreibt sie ihre Erinnerungen nieder, gerichtet an eine Person, deren Identität erst im Laufe des Romans klar wird. Auch der Strom der Erinnerungen mäandert durch die Zeiten: Immer wieder springt Elisabeth zwischen verschiedenen Jahrzehnten, Ereignissen und Personen hin und her. Dies erfordert beim Lesen eine gewisse Konzentration, zumal sie gelegentlich auf Ereignisse Bezug nimmt, die erst deutlich später erklärt werden. Dennoch macht gerade dieser nichtlineare Stil für mich den besonderen Reiz des Romans aus, da er sehr authentisch wirkt, gerade so, als ob man mit seiner Oma am Küchentisch sitzen und ihren Erzählungen lauschen würde. Nach und nach setzt sich so ein Puzzle zusammen, das die Lebens-, Familien- und Weltgeschichte miteinander vereint. Auch der eher nüchtern-distanzierte Schreibstil passt für mich gut ins Bild und zu einer Frau dieser Zeit.
Ein großes Thema des Romans ist auch die Rolle der Frau Anfang des 20 Jahrhunderts, die Repressionen und Ressentiments, denen Medizinstudentinnen (und sicher auch Studentinnen anderer Fachrichtungen, auch wenn diese hier nicht näher erwähnt werden) und praktizierende Ärztinnen ausgesetzt waren, sowie die prekäre Lage ungewollt Schwangerer, die Elisabeth als Allgemeinärztin und Fachärztin für Gynäkologie unmittelbar miterlebte. Diese Passagen sind sehr eindrücklich beschrieben.
Ein kleiner Kritikpunkt war für mich die Geschichte um die älteren Zwillingsbrüder Eugen und Carl – diese erschien mir doch etwas weit hergeholt und ein bisschen zu dick aufgetragen. Auch bei manchen Szenen hatte ich den Eindruck, dass sie nicht so recht zu der beschriebenen Zeit passten (etwa wenn 1919 Elisabeth einen jungen Mann aus angesehenem Hause, mit dem sie bis dahin keine Beziehung führt, in Gegenwart seiner Eltern ohne Bedenken auf den Mund küsst).
Fazit: Ein abwechslungsreicher, unterhaltsamer historischer Roman mit einem interessanten Erzählstil, den ich mit Spannung gelesen habe.