Cover-Bild Das Verschwinden der Erde
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 376
  • Ersterscheinung: 22.01.2021
  • ISBN: 9783423282581
Julia Phillips

Das Verschwinden der Erde

Roman
Roberto de Hollanda (Übersetzer), Pociao (Übersetzer)

»Ein wunderreiches Debüt.« Klaus Brinkbäumer in ›DIE ZEIT‹

An einem Sommertag an der Küste Kamtschatkas verschwinden die russischen Schwestern Sofija und Aljona. Das Verbrechen erinnert an einen Vorfall nur Monate zuvor in der indigenen Bevölkerung. Wie eine düstere Wolke hängt der ungelöste Fall fortan über Kamtschatka und beeinflusst das Leben ganz unterschiedlicher Frauen in einer gespaltenen, männerdominierten Gesellschaft. Während das Netz zwischen den Einzelschicksalen dichter wird, hält die Suche nach den Mädchen die ganze Stadt in Aufruhr.
Brillant konstruiert und einfühlsam erzählt, entführt uns der Roman in eine extreme und faszinierende Welt am Rande der Welt: in die graue Stadt Petropawlowsk, die spektakulären Weiten der Tundra und die Schatten schneebedeckter Vulkane.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.01.2021

Die Frauen Kamtschatkas

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Normalerweise beginne ich meine Rezensionen von vorne, ich habe das Buch gerade beendet und das Ende hat mich emotional gepackt, überrascht aber auch ein bisschen geschockt! Die letzten beiden Kapitel ...

Normalerweise beginne ich meine Rezensionen von vorne, ich habe das Buch gerade beendet und das Ende hat mich emotional gepackt, überrascht aber auch ein bisschen geschockt! Die letzten beiden Kapitel waren grandios und haben die Verbindung der vorherigen Kapitel in einer Art und Weise zusammengeführt und bilden wirklich das Herzstück des Buches. Erst nach Beenden der Geschichte wurde mir die Tiefe dessen, was ich da gelesen hatte bewusst.

Die Autorin nutzt elf verschiedene Erzählperspektiven. Ich verstehe, dass Julia Philipps damit nicht alle gleichermaßen anspricht, die Vielzahl der Namen und auf den ersten Blick nicht zusammenhängende Handlungsstränge geht auf Kosten der Haupthandlung. Dennoch findet man beim genauen Lesen / Hinsehen kleine Details und Zusammenhänge zur Entführung der beiden Schwestern Aljona und Sofija. Und das oben beschriebene Ende entschädigt wirklich für den langsamen Fortschritt.

Es hat mich absolut fasziniert, dass in jedem Kapitel die Perspektive einer anderen Frau im Mittelpunkt steht. Jedes Kapitel ist dadurch eine in sich abgeschlossene (bzw. bewusst offen gehaltene) Kurzgeschichte. Die Frauen Kamtschatkas, die wir im Laufe des Buches kennen lernen, sind stark und schwach zugleich. Jede hat ihre eigenen Schicksalsschläge zu tragen, ob es die fehlende Anerkennung, Rassismus, die Reduktion auf das Mutter-Sein, (mehrfacher) Verlust, ein kontrollierender Verlobter, ein entlaufenes Haustier oder sonstige Vorurteile sind. Es steckt meiner Meinung nach auf viel Feminismus zwischen den Zeilen, weil auf diese Themen aufmerksam gemacht wird. Die Stimmung, die im Buch vorherrscht ist eine ganz besondere und strotz nur so vor Ambivalenzen.

Ferner spielt auch die Lebensweise in Kamtschatka eine zentrale Rolle. Ein Punkt auf den ich in diesem Zusammenhang gerne hinweisen würde ist, dass Julia Philipps selbst zwei Jahre in Kamtschatkas gelebt und auch russische Sprache, Literatur und Geschichte studiert hat. Daher fließen auch an der ein oder anderen Stelle kulturelles Hintergründe ein, die auf mich einen gut recherchierten Eindruck gemacht haben.

Ein großes Lob geht auch an die deutsche Übersetzung. Sprachlich sehr stimmig! Die Wortwahl der Autorin und der Schreibstil haben mir ebenfalls gefallen!

In Summe habe ich das Buch innerhalb von zwei Tagen komplett gelesen, denn es hat mich berührt, vor allem wegen der Charaktere! Und ich bin mir sicher, dass ich es nochmal lesen werde, um die Verknüpfungen zwischen den Kapiteln nochmal neu zu ergründen.

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Veröffentlicht am 21.01.2021

Grandios - Ergreifend - Wahrscheinlich mein Jahreshighlight

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Dieser Roman (nein - ein Thriller ist es nicht - obwohl das leider auf dem Umschlag steht) spielt in einer sehr exotischen Gegend. Auf Kamtschatka, dieser riesigen Halbinsel, die ganz im Osten von Sibirien ...

Dieser Roman (nein - ein Thriller ist es nicht - obwohl das leider auf dem Umschlag steht) spielt in einer sehr exotischen Gegend. Auf Kamtschatka, dieser riesigen Halbinsel, die ganz im Osten von Sibirien ins Meer ragt. Erreichbar nur per Flugzeug oder Schiff, eine Straßen- oder Eisenbahnverbindung zum Rest vom russischen Festland gibt es nicht. Erst seit 1991 ist Kamtschatka für die Öffentlichkeit zugänglich - vorher war es militärisches Sperrgebiet. Auf der Halbinsel wohnen inzwischen mehrheitlich Russen, die Bevölkerungsdichte ist niedrig und die verschiedenen Stämme an Ureinwohnern sind nur auf dem Papier gleichberechtigt.

Dieser Roman gibt einer benachteiligten Bevölkerungsgruppe eine Stimme - den Frauen. Denn obwohl Frauen auf dem Papier gleichberechtigt und auch gut ausgebildet sind, fällt es ihnen doch schwer, sich in der streng patriarchalischen Gesellschaft zu behaupten. Dies wird in diesem als Kaleidoskop angelegten Roman deutlich, der den Verlauf eines Jahres beschreibt, von August bis Juli, jeder Monat aus Sicht einer anderen Frau. Mögen die Geschichten am Anfang noch zusammenhanglos wirken, so zeigt sich im Laufe der Zeit, dass es doch Zusammenhänge gibt. Oft nur mittelbare - manchmal auch unmittelbare.

Zusammengehalten wird die Geschichte durch einen Kriminalfall. Zwei kleine russische Mädchen verschwinden im August in der Hauptstadt. Und sie tauchen nicht wieder auf. Das hat Auswirkungen auf viele Menschen. Zum Beispiel auf die einzige Augenzeugin, die die Mädchen in ein Auto steigen sah. Als man aber das Auto und die Mädchen nicht findet, zweifeln alle an ihrem Verstand - sie selbst nachher auch. Da ist die Ureinwohnerin, deren Tochter vorher schon verschwand. Aber sie war schon 18 - und es wurde nicht von der Polizei nach ihr gesucht. Dann sind da diverse junge Frauen, die durch das Verschwinden der Mädchen noch mehr kontrolliert und behütet werden und noch mehr von ihrer Freiheit verlieren. Da sind aber auch andere Frauen, die zwar nur mittelbar betroffen sind - aber auch große Verluste zu verarbeiten haben. Und das ist wohl das Thema des Buches: Verlust.

Der Verlust der Kindheit, der Eigenständigkeit, der Träume, der unberührten Natur, der Liebe....

Erzählt wird dies alles in einer sehr klaren, kraftvollen, perfekt auf den Inhalt abgestimmten Sprache. Den Übersetzer*innen ist hier sicherlich auch viel zu verdanken!

Die Autorin hat wohl insgesamt 10 Jahre an dem Roman gearbeitet und war selbst lange auf Kamtschatka. Das merkt man. Sie beschreibt diesen weit entfernten, gleichzeitig exotischen und doch manchmal so trostlosen Landstrich sehr eindringlich. Auch die grandiose Natur wird gewürdigt.

Der gesamte Roman ist perfekt komponiert - wie ein Musikstück, dass eine perfekte Melodie hat - ohne Kitsch - aber sehr ergreifend.

Für mich ein grandioses Buch. Ich war gefesselt, ich fand es spannend. Auch wenn es kein klassischer Krimi ist - obwohl es um einen Kriminalfall geht. Ich liebe Romane, die als Kaleidoskop geschrieben sind und ich bin tief eingetaucht in eine Gesellschaft, in der ich sicherlich nicht leben will - die mir aber nahe gekommen ist. In all ihrer Unvollkommenheit - Unfertigkeit - Ungerechtigkeit.

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Veröffentlicht am 16.03.2021

Kurzgeschichten

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Bei dem Buch „Das Verschwinden der Erde“ handelt es sich um ein sehr außergewöhnliches Buch. Hat man im ersten Kapitel noch den Eindruck es drehe sich alles um die vermissten Schwestern, wie im Klappentext ...

Bei dem Buch „Das Verschwinden der Erde“ handelt es sich um ein sehr außergewöhnliches Buch. Hat man im ersten Kapitel noch den Eindruck es drehe sich alles um die vermissten Schwestern, wie im Klappentext angekündigt, merkt man doch schnell, dass dem nicht so ist. Es folgen in sich abgeschlossene Kapitel über verschiedene Bewohner Kamtschakas. Nach und nach kann man Verbindungen zwischen den einzelnen Kapiteln aufbauen.

Das Buch als Thriller zu deklarieren ist leider irreführend, denn wer eine fortlaufende Ermittlung erwartet, wird enttäuscht. Nichtsdestotrotz fand ich es ein sehr besonderes Buch, das vor allem durch die einzigartige Atmosphäre besticht. Ein ruhiger und gesellschaftskritischer Roman, der sehr sprachgewaltig daherkommt.

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Veröffentlicht am 20.02.2021

Tundra-Geheimnisse

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Es ist nicht ganz einfach Julia Philipps´ Romandebüt "Das Verschwinden der Erde" gattungstechnisch einzusortieren: Literarischer Thriller, wie der Klappentext verspricht? Oder doch eher ein Episodenroman, ...

Es ist nicht ganz einfach Julia Philipps´ Romandebüt "Das Verschwinden der Erde" gattungstechnisch einzusortieren: Literarischer Thriller, wie der Klappentext verspricht? Oder doch eher ein Episodenroman, der den Blick auf das Leben von Frauen im Fernen Osten Russlands lenkt, eine Zustandsbeschreibung der postsowjetischen Gesellschaft, ausgerechnet von einer Amerikanerin, die zuvor ein bißchen für die Moscow Times bloggte? Der Titel erinnert jedenfalls an ein Lied von Wladimir Wyssotzki, dem Sänger und Schauspieler mit der markant-rauen Stimme und poetischen Texten, in denen es mal um Krieg, mal um Berge und Wildnis ging.

Wenn dieses Buch ein Thriller ist, dann keiner der vordergründigen Sorte. Ein Kriminalfall bildet gewissermaßen die Klammer der Handlung, die sich über ein Jahr hinweg erstreckt, mit jedem für jeweils einen Monat gewidmeten Kapitel, das eine Frauenfigur ins Zentrum rückt. Manche Nebenfigur oder in einem Satz erwähnte könnte in einem anderen Kapitel im Mittelpunkt stehen.

Es ist August und in den Sommerferien, als die beiden Schwestern Aljona und Sofija verschwinden, mitten in der Stadt Petropawlowsk auf der Halbinsel Kamtschatka, die jahrelang militärisches Sperrgebiet war. Der Leser weiß mehr als die Figuren des Romans, die grübeln, was wohl aus den Mädchen geworden ist: Sie stiegen zu einem Fremden ins Auto, einem Mann, der Aljonas Handy an sich nahm, als sie ihre Mutter anrufen sollte. Keine Ausgangslage, die Optimismus auslöst - schon gar nicht, da die Mädchen verschwunden bleiben.

Um Verluste und Verlustängste geht es auch in anderen Kapiteln - toxische Beziehungen, ein verschwundener Hund, eine Frau zwischen zwei Männern, gesundheitliche Sorgen. Manche sehnen sich nach der guten alten Zeit des sowjetischen Imperiums mit seinen klaren Regeln, andere nach dem traditionellen Leben und der Pflege ihrer Identität. Die indigene Bevölkerung der Taiga, die teilweise noch immer mit den Rentierherden im Sommer eine nomadische Lebensweise hat, wird von den Russen als fremd wahrgenommen. Der innerrussische Rassismus ist spürbar.

Zu den eindrücklichsten Passagen von "Das Verschwinden der Erde" gehören die Landschaftsbeschreibungen von Taiga und Tundra, von der Küste, von dem, was von der indigenen Kultur überdauert hat. Doch es gibt nicht nur die große Leere der Landschaft, sondern auch die große innere Leere vieler der Figuren, die nach Orientierung und Sicherheit suchen, die sich teils selbst verleugnen, die durch Schicksalsschläge ins Straucheln geraten.

Erst im vorletzten Kapitel geht es um Marina, die Mutter der verschwundenen Mädchen und erst hier, kurz vor dem Ende, konfrontiert die Autorin ihre Leser mit dem Schmerz und der Hilflosigkeit einer Frau, die jeden Tag damit rechnen muss, dass ein Polizist anruft, um vom Fund der Leichen ihrer Kinder zu berichten - und die dennoch hoffen will. Es ist zugleich das für mich eindrucksvollste Kapitel, in dem sich die russische und die indigene Bevölkerung am ewenischen Neujahrsfest Nurgenek begegnen, in der Nacht, in der traditionellen Legenden zufolge die Toten unter den den Lebenden wandelt.

Julia Philipps schreibt klar und präzise, lässt ihren Frauenfiguren einen Rest von Geheimnis und auch das Ende, das hier natürlich nicht verraten werden soll, lässt verschiedene Interpretationen zu. Ihr Debüt macht auf jeden Fall neugierig auf mehr.

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Eine Geschichte wie ein Kaleidoskop

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An der Küste Kamtschatkas lassen sich Aljona und Sofia an einem sonnigen Nachmittag von einem Fremden überreden, in sein Auto zu steigen. Seitdem fehlt von den Schwestern jede Spur.
Julia Phillips entführt ...

An der Küste Kamtschatkas lassen sich Aljona und Sofia an einem sonnigen Nachmittag von einem Fremden überreden, in sein Auto zu steigen. Seitdem fehlt von den Schwestern jede Spur.
Julia Phillips entführt ihre Leser in eines der entlegensten Gebiete der ehemaligen Sowjetunion. Ureinwohner und Russen versuchen ein Miteinander, in dem Misstrauen und Vorurteile viel zu viel Raum einnehmen. Sprachen und Gebräuche, auch die Herausforderungen der Natur bereichern beiläufig und doch prägend das gesamte Geschehen.
Ausgehend vom August wird für ein ganzes Jahr Monat um Monat eine andere Person in den Fokus gerückt. Ganz dicht gerät man an die Menschen heran und spürt gleichzeitig eine unüberbrückbare Distanz. Zu sezierend ist der Blick.
Zunächst sucht man im Laufe der Begegnungen vergeblich nach dem Kontext, überlässt sich schließlich den eindringlichen Schilderungen unterschiedlichster Lebenssituationen. Meist sind es Frauen, die im Mittelpunkt stehen. Die sich im Geflecht ihrer Beziehungen verhalten und erklären. Gegen ihre Verzweiflung und um ihre Träume kämpfen, Stärken und Schwächen offenbaren. Dann, nachdem sich die Perspektive wieder einmal verschoben hat, erscheinen bereits bekannte Figuren in anderen Kontexten und zeigen neue Facetten, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Hier dreht sich ein gigantisches Kaleidoskop von bunten Geschichten um dieselben Betroffenen und die durchgängige Frage nach dem Schicksal der Mädchen und verursacht von Seite zu Seite großartige und überraschende Bilder.
Das Cover ist so schön wie verunsichernd: Die hochaufgetürmten blauen Berge, in die sich die Schwestern zu verlieren drohen, erinnern an aufgewühltes Meer. Das ist so wenig zufällig wie der scheinbar rätselhafte Titel.
Am Ende fügt sich alles zusammen. Genial konzipiert, mit Genuss zu lesen. Ganz sicher ist der Roman eine literarische Kostbarkeit. Ein Thriller jedoch, wie auf im Zitat auf der Rückseite angegeben wird, ist er nicht. Leser*innen, die hier mit falschen Erwartungen einsteigen, werden möglicherweise enttäuscht sein.

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