Die Frauen Kamtschatkas
Normalerweise beginne ich meine Rezensionen von vorne, ich habe das Buch gerade beendet und das Ende hat mich emotional gepackt, überrascht aber auch ein bisschen geschockt! Die letzten beiden Kapitel ...
Normalerweise beginne ich meine Rezensionen von vorne, ich habe das Buch gerade beendet und das Ende hat mich emotional gepackt, überrascht aber auch ein bisschen geschockt! Die letzten beiden Kapitel waren grandios und haben die Verbindung der vorherigen Kapitel in einer Art und Weise zusammengeführt und bilden wirklich das Herzstück des Buches. Erst nach Beenden der Geschichte wurde mir die Tiefe dessen, was ich da gelesen hatte bewusst.
Die Autorin nutzt elf verschiedene Erzählperspektiven. Ich verstehe, dass Julia Philipps damit nicht alle gleichermaßen anspricht, die Vielzahl der Namen und auf den ersten Blick nicht zusammenhängende Handlungsstränge geht auf Kosten der Haupthandlung. Dennoch findet man beim genauen Lesen / Hinsehen kleine Details und Zusammenhänge zur Entführung der beiden Schwestern Aljona und Sofija. Und das oben beschriebene Ende entschädigt wirklich für den langsamen Fortschritt.
Es hat mich absolut fasziniert, dass in jedem Kapitel die Perspektive einer anderen Frau im Mittelpunkt steht. Jedes Kapitel ist dadurch eine in sich abgeschlossene (bzw. bewusst offen gehaltene) Kurzgeschichte. Die Frauen Kamtschatkas, die wir im Laufe des Buches kennen lernen, sind stark und schwach zugleich. Jede hat ihre eigenen Schicksalsschläge zu tragen, ob es die fehlende Anerkennung, Rassismus, die Reduktion auf das Mutter-Sein, (mehrfacher) Verlust, ein kontrollierender Verlobter, ein entlaufenes Haustier oder sonstige Vorurteile sind. Es steckt meiner Meinung nach auf viel Feminismus zwischen den Zeilen, weil auf diese Themen aufmerksam gemacht wird. Die Stimmung, die im Buch vorherrscht ist eine ganz besondere und strotz nur so vor Ambivalenzen.
Ferner spielt auch die Lebensweise in Kamtschatka eine zentrale Rolle. Ein Punkt auf den ich in diesem Zusammenhang gerne hinweisen würde ist, dass Julia Philipps selbst zwei Jahre in Kamtschatkas gelebt und auch russische Sprache, Literatur und Geschichte studiert hat. Daher fließen auch an der ein oder anderen Stelle kulturelles Hintergründe ein, die auf mich einen gut recherchierten Eindruck gemacht haben.
Ein großes Lob geht auch an die deutsche Übersetzung. Sprachlich sehr stimmig! Die Wortwahl der Autorin und der Schreibstil haben mir ebenfalls gefallen!
In Summe habe ich das Buch innerhalb von zwei Tagen komplett gelesen, denn es hat mich berührt, vor allem wegen der Charaktere! Und ich bin mir sicher, dass ich es nochmal lesen werde, um die Verknüpfungen zwischen den Kapiteln nochmal neu zu ergründen.