London Bridge – die Brücke über der Themse
„Vielleicht ist Ihnen bekannt, Sir, dass zuerst eine Holzbrücke über die Themse führte. Ein fragiles Konstrukt, fraglos. Doch vor mehr als fünfhundert Jahren wurde dann die London Bridge aus Stein errichtet. ...
„Vielleicht ist Ihnen bekannt, Sir, dass zuerst eine Holzbrücke über die Themse führte. Ein fragiles Konstrukt, fraglos. Doch vor mehr als fünfhundert Jahren wurde dann die London Bridge aus Stein errichtet. Über die darauffolgenden Jahre und Jahrhunderte erweiterte man sie.“
Julius Arth hat sich während eines Englandbesuches von einem Bild der alten London Bridge zu diesem historischen Roman inspirieren lassen und natürlich wollte ich wissen, was es mit dieser Brücke auf sich hat. Schon der erste Eindruck ist positiv, das Cover, die Buchrückseite und die Buchinnenseite versetzen mich einige Jahrhunderte zurück.
„Es wird weitergehen. Und ich schwöre, dass ich mich von keiner Schnepfe aus Westminster und keinem diebischen Gehilfen unterkriegen lassen werde.“ So kämpferisch gibt sich Juliana Hamley, nachdem eine unzufriedene Kundin erbost ihr Tuchgeschäft verlassen und ihr Gehilfe mit einem Ballen edelster Seide das Weite gesucht hat. Daniel, ihr verstorbener Mann, hat ihr nichts als Schulden hinterlassen. Sie begegnet Oliver Morris, der für das Bridge House, das die Verwaltung der Brücke obliegt, tätig ist. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder und auch Alder, ein Straßenjunge, den sie gerade noch rechtzeitig aus der Themse fischt, spielt eine nicht unerhebliche Rolle in ihrem Kampf ums Überleben. Wir schreiben das Jahr 1749.
Es sind zwei Erzählstränge, die ein halbes Jahrtausend trennen, zwei so intensive Geschichten, die wechselseitig erzählt werden. 1749 ist es die Tuchhändlerin Juliana, deren Geschäft in der ehemaligen Brückenkapelle mehr schlecht als recht geht und 1202 sind es Estrid und ihre Schwester Sybilla, die als Kräuterkundige der Hexerei verdächtig ist. In diesen frühen Jahren ist es der für den Unterhalt der Brücke zuständige Geistliche Peter de Colechurch, der angeregt hat, die Holzbrücke durch Stein zu ersetzen. Und dieser Geistliche ist es auch, der nach einem Unglück im Namen der Kirche seine Helfer auf Sybilla hetzt.
Beide Zeitebenen lassen mich tief in die jeweilige Epoche abtauchen - jede für sich ist fesselnd, jede hält mich gefangen. Julius Arth nimmt mich mit in ein London, das die damalige Zeit und das Leben auf der Brücke in den mehrstöckigen Häusern – wie eine Stadt über dem Wasser - und deren Bewohner gut einfängt. Die vielen Händler sehen sich durch den Bau einer zweiten Brücke in ihrer Existenz bedroht, auch Juliana steht vor dem Ruin. Das Schmuggelgeschäft, das ihr der pfiffige Alder vermittelt, ist lukrativ, birgt jedoch auch viele Gefahren in sich.
Neben Julianas Geschichte, die von unbedingtem Zusammenhalt, von Freundschaft und auch von einer aufkeimenden Liebe erzählt, aber auch von nicht legalen Mitteln, um dem Schuldnergefängnis zu entkommen, ist es auch Estrid, deren Leben fünfhundert Jahre zuvor mit der Brücke, an deren Bau ihr Ehemann Stephen mitgewirkt hat, verbunden ist.
Viel Historisches habe ich mitgenommen, auch hat mich dieser Roman angeregt, noch mehr über dieses Bauwerk zu erfahren. Es war ein kurzweiliges, ein informatives Leseerlebnis mit Charakteren, die liebenswürdig und nett, andere wiederum verschlagen und hinterhältig sind – allesamt sind sie glaubhaft wiedergegeben. Gerne hätte ich weitergelesen, immer weiter… vor dem Hintergrund der Brücke. „Die London Bridge ist für nichts Geringeres als für die Ewigkeit erbaut.“