Der historische Krimi "Der weiße Affe" hat mein Interesse geweckt, als ich auf einigen Blogs sehr positive Bewertungen gesehen habe. Als es vor kurzem eine Leserunde bei Lovelybooks dazu gab, habe ich mich beworben und hatte Glück.
Berlin in den Goldenen Zwanzigern. Als der junge Kommissar Ariel Spiro von Wittenberg in die Metropole Berlin kommt, wird er sofort zu seinem ersten Mordfall gerufen. Der jüdische Bankier Eduard Fromm wird erstochen im Hausflur eines Wohnhaues entdeckt. In einer der Wohnungen lebt seine Geliebte, eine deutsche Walküre, namens Hildegard Müller. Fromm hat sich bei ihr ein typisches deutsches Biedermayerleben eingerichtet. Hat das Doppelleben, das er führte, ihm den Tod gebracht?
Gemeinsam mit seinem Kollegen Ewald Bohlke versucht Spiro seinen guten Ruf gerecht zu werden und den Fall so schnell wiemöglich zu lösen. War der Mord politisch angesiedelt? Oder geschah er aus Eifersucht? Schließlich hat das Fräulein Hilde auch noch einen Verlobten....
Aber auch die wohlhabende Familie des Toten gibt einige Rätsel auf. Fürchtete der Sohn Ambros, der nicht das beste Verhältnis zum Vater hatte, um sein Erbe? Oder hat die schöne Tochter Nike, die auch Spiro den Kopf verdreht, ein Geheimnis? Aber auch zwichen Fromm und seinen Stellvetreter in der Bank, Moses Silberstein, kam es erst vor kurzem zu Unstimmigkeiten...
An Verdächtigen mangelt es also nicht wirklich. Kommissar Ariel Spiro, der vom Land in die Metropole Berlin kommt, stürzt sich bei seinen Ermittlungen eher unbewusst in das wilde Berliner Nachtleben. Von seinen neuen Kollegen wird er deshalb skeptisch beäugt. Hat Spiro etwas zu verbergen? Ist er Jude oder keiner? Ist er homosexuell, weil er in der "Zauberflöte", einem Bund für Männer, gesehen wurde? Spiro ist ein sympathischer junger Mann, der sich bei seinen Ermittlungen durch nichts aufhalten lässt. Er ist intelligent, aber auch chaotisch. Das Stadtleben ist ihm noch fremd und so tritt er auch des Öfteren von einem Fettnäpfchen ins nächste. Als ein weiterer Mord passiert, ahnen Spiro und Bohle nicht, dass die beiden Mordfälle zusammenhängen...
Neben dem Kriminalfall steht das lebenslustige Berlin der 20iger Jahre im Mittelpunkt. Die aufgekratzte Stimmung nach dem Ende des ersten Weltkrieges wird von Kerstin Ehmer wunderbar eingefangen. Auf der einen Seite haben die Menschen das Gefühl ihr Leben nach dem großen Krieg einfach genießen zu wollen. Das Vergnügen und das Ausleben der Sexualität steht bei den gehoben Schichten an erster Stelle. Hier scheint es kaum Grenzen zu geben. Auf der anderen Seite steht die Armut der Kriegsverlierer und Invaliden, der Waisen und Witwen. Kerstin Ehmer gelingt es ein äußerst authentisches Bild dieser Zeit zu vermitteln.
Auch der Berliner Dialekt, den die Autorin immer wieder einstreut, bringt noch mehr Lokalkolorit in die Geschichte und macht sie identisch.
Dazwischen gibt es immer wieder verwirrende Passagen, die in kursiver Schrift geschrieben sind. Diese Abschnitte erzählen von einem Jungen und einer grauen Königin, wilden Geistern und Affen, jungen Kriegern auf einer Südseeinsel... Immer wieder fragt man sich als Leser, was diese Passagen mit dem Rest des Krimis zu haben soll. Erst nach und nach erkennt man wohin diese Abschnitte führen und wie sie sich langsam, Puzzlestück um Puzzlestück, zueinanderfügen.
Im Allgemeinen dauerte es ebenfalls eine Weile bis ich in die Geschichte fand. Danach empfand ich aber das Konstrukt, das die Autorin hier aufgebaut hat, wirklich beeindruckend.
Schreibstil:
Der Schreibstil von Kerstin Ehmers ist poetisch und der Zeit angepasst. Trotzdem hatte ich anfangs ein bisschen Probleme damit. Das typische Berlinerische war für mich als Österreicherin manchmal schwer zu verstehen. Das lag aber weniger an die im Dialekt geschrieben Dialoge, sondern eher an den Gesamtbild, dem Lokalkolorit.
Fazit:
Ein etwas anderer historischer Krimi, der durch seine Sprache und das hervorragend dargestellte Sittengemälde der damaligen Zeit in Berlin, glänzt. Nicht immer leicht zu lesen, aber empfehlenswert.