Die Viermächtestadt Berlin im Jahre 1958: Der junge Kriminalassistent und ehemalige Laternenanzünder – bis es diesen Beruf nicht mehr gab -, Fred Lemke aus dem märkischen Buckow ist ganz gewiss einer der ungewöhnlichsten und sympathischsten Ermittler, der mir in meiner langen Laufbahn als passionierte Krimileserin je begegnet ist! Nicht nur geht er mit großem Engagement und Ernsthaftigkeit seinen zweiten Fall seiner noch sehr frischen Karriere an, sondern es fehlt ihm erfreulicherweise auch jegliche Abgeklärtheit und Emotionslosigkeit, die die meisten seiner Kollegen an den Tag legen. Er kann sich einfühlen in die unterschiedlichsten Menschen, die ihm im Zuge seiner Ermittlungen in dem Mordfall des Barmixers Gottfried begegnen, lässt sich berühren von dem Schicksal der Gebeutelten, denen, die auf der Schattenseite stehen, und kann andererseits auch gehörige Wut verspüren auf die Täter, diejenigen, die Dreck am Stecken haben und, wenn nötig, über Leichen gehen. Obwohl man sich wünschen möchte, dass Fred diese seine Empathiefähigkeit behält, die ihn so unverwechselbar, so menschlich macht und die Menschen dazu bringt, ihm Vertrauen zu schenken, sorgt man sich doch, ob er das durchhalten kann.
Der Fall, mit dem es Fred zu tun hat, ist zwar in wenigen Tagen aufgeklärt, soweit Aufklärung möglich und zulässig ist in dem Milieu und unter den Umständen, in und unter denen sich der Mord, der mit einer sehr ungewöhnlichen Waffe, einer Armbrust nämlich, ausgeführt wurde, zugetragen hat, aber während dieser Tage reibt sich der noch unerfahrene, aber intuitiv immer folgerichtig handelnde Kriminalassistent in Probezeit völlig auf und kommt so gut wie gar nicht zum dringend notwendigen Schlaf. Was treibt ihn an, den heimatlosen, ein bescheidenes und stark reduziertes Leben führenden Fred? Die Antwort kann man bald zwischen den Zeilen lesen: Schuldgefühle wegen eigenem – vermeintlichen! - Versagen in der Vergangenheit und ein übermächtiges Verlangen nach Gerechtigkeit. Den Toten, deren Mörder er eben jener Gerechtigkeit zuführen möchte, gibt er damit ihre Würde, die man ihnen durch ihr gewaltsames Ableben genommen hat, zurück. So sein Credo.
Doch je weiter Freds Wahrheitssuche voranschreitet, auf die er sich gemeinsam mit der ihm zur Seite gestellten Ellen von Stain, eine so schillernde wie undurchsichtige Persönlichkeit und Ermittlerin mit Sonderstatus, was immer das auch bedeuten soll – sowohl Fred als auch der Leser bekommen darauf keine schlüssige Antwort -, begibt, umso komplizierter gestaltet sie sich. Fred und von Stain wird alsbald klar, dass sie sich auf eine gefährliche Sache eingelassen haben, dass der Mord an dem Barmixer eingebettet ist in einen weitaus größeren Kontext, als zu Beginn der Ermittlungen zu vermuten war!
Und hier kommen wir direkt zu der Realität der Viermächtestadt Berlin im Jahre 1958, einer Realität, von der der Normalbürger, der entweder begann, sich an dem beginnenden Wirtschaftswunder zu erfreuen oder aber, wenn er zu den weniger Glücklichen gehörte – und von diesen gibt es hier im Roman eine ganze Menge! - und in heruntergekommenen Wohnungen hauste und ums tägliche Überleben kämpfen musste, keine Ahnung hatte. Das Berlin dieser Zeit, so bekommt man rasch mit, gehörte mitnichten den Berlinern! Die Gesetze wurden von den vier Mächten gemacht, und die drei Westmächte und die Sowjets, die den Ostteil der Stadt nach ihrem Vorbild umgestaltet hatten, waren sich alles andere als grün. Die Geheimdienste hatten hüben wie drüben Hochsaison – und wie gefährlich es werden kann, wenn man ihnen ins Gehege kommt oder gar zu deren Zielscheibe wird, erfahren Fred und von Stain sehr bald.
Mit Geschick, den unvermeidlichen und noch weniger verzichtbaren Beziehungen und vor allem einem eifrigen Schutzengel entkommen sie nicht nur einer brenzligen Situation und nähern sich schließlich der Wahrheit an, die so unglaublich wie unerwartet ist – und dies nicht nur, was den ursprünglich aufzuklärenden Mord anbelangt. Denn da gibt es schließlich auch noch den titelgebenden weißen Panther, hinter dem sich der Nachtclubbesitzer Harry Renner verbirgt, der Arbeitgeber des ermordeten Barmixers Gottfried, ein Mann mit vielen Gesichtern und einer undurchsichtigen Vergangenheit. Eine eindrucksvolle Figur in einem nicht weniger beeindruckenden Krimi, der so authentisch eine Zeit auferstehen lässt, in der Vergangenheit und Gegenwart aufeinanderprallen, um eine neue Zukunft entstehen zu lassen.
Als spannende Geschichtsstunde habe ich meine Besprechung überschrieben – und genau dies ist dieser historische Kriminalroman für mich, die ich dem öden Geschichtsunterricht zu seligen Schulzeiten nie etwas abgewinnen konnte. Der Autor mit dem Pseudonym Leonard Bell jedoch hat mich mitgerissen mit seiner perfekt erzählten, perfekt aufgebauten, mit sehr glaubwürdigen Charakteren besiedelten Geschichte und mich auf seinen 441 Seiten, gelesen in wenigen Tagen, mehr gelehrt über die facettenreiche Nachkriegsgeschichte der geteilten Stadt Berlin als die Schule, in der man angeblich fürs Leben lernt (was ein Schmarrn!), je vermocht hatte. Und obwohl ich mich im allgemeinen mit Serienkrimis nicht anfreunden mag, wäre es mir diesmal und ausnahmsweise eine Freude, gerade Fred Lemke, der eben erst begonnen hat, das Leben und mit ihm das Lebensgefühl, das der Rockn' Roll symbolisiert, für sich zu entdecken, wiederzubegegnen. Die Figur hat Potential, wie auch Lemkes Mitspieler, allesamt spannende Charaktere, ob sympathisch oder genau das Gegenteil oder irgendetwas dazwischen, und so unterschiedlich wie im wahren Leben!