Da sich die ganze Geschichte hier von Clare, Jack’s Ex-Frau handelt, ist sie natürlich der Dreh und Angelpunkt des Ganzen. Während wir also in Band 1 quasi alles nur aus zweiter Hand und somit durch Erzählungen und Erinnerungen erfahren, lernen wir sie hier persönlich kennen, was ich persönlich als unheimlich interessant empfand. So hatten wir als Leser die Möglichkeit, das Bild, das sich in „Vergiss die Liebe nicht“ von ihr entwickelt hat, nochmal komplett zu überdenken und falls nötig, neu zu formen. Zu Beginn war das eigentlich gar nicht nötig: Clare war damals schon die liebende Mutter, der wir auch jetzt wieder begegnen. Doch das Koma hat sie nicht nur körperlich verändert, sondern auch seelisch. Während sie sich im ersten Band am Schluss als sehr taffe, sehr reife Frau gibt, wird ihr im zweiten Teil wohl die Tragweite ihrer Großherzigkeit erst richtig bewusst. Erst ab diesem Punkt konnte ich mich auch so richtig mit ihr anfreunden. Zuvor hatte ich immer das Gefühl, es gäbe eine gewisse Distanz zwischen uns, weil ich sie schlicht und einfach nicht so recht nachvollziehen konnte. Kein Mensch auf dieser Welt gibt den Partner freiwillig frei, ohne darunter zu leiden; es vielleicht zeitweise sogar zu bereuen und ohne wütend zu werden – wütend auf den Partner, wütend auf sich selbst, usw. Das fehlte mir im Vorgänger komplett, kam hier aber endlich in authentischem Maße vor. Auch ihre Entwicklung gefiel mir weitestgehend, besonders weil ihre Genesung nicht Knall auf Fall kam. Womit ich mir allerdings schwer tat waren ihre Emotionen. Natürlich liebte sie ihre Kinder und ihren Ex-Mann sicher auch noch irgendwie – doch die Sache zwischen Aidan und ihr erreichte mich nicht. Das ging mir definitiv zu schnell und war nur schwer nachvollziehbar bzw. glaubhaft.
Aidan als Person überzeugte mich allerdings schon. Allein sein Äußeres traf in meinen Vorstellungen komplett meinen Geschmack und selbst sein mürrisches Verhalten empfand ich als äußerst sympathisch und echt. Dass sich hinter diesem Verhalten mehr verbirgt, war schnell klar, doch was dann kam, überraschte mich tatsächlich. Endlich mal etwas, das man nicht in jedem zweiten Liebesroman hat! Umso größer war mein Mitgefühl für ihn und obwohl mir die Sache mit Clare, wie erwähnt, zu überstürzt und zu übereilt geschah, nahm ich ihm seine Gefühle wesentlich mehr ab.
Alle anderen Figuren waren wieder genau das, was die Geschichte ausmachten. Ich liebe die Charaktergestaltung von Marie Force, weil es meist die Nebenfiguren sind, die einen komplett für sich gewinnen können. Aidan’s Familie, Clare’s Töchter, Reid .. sie alle wuchsen mir endlich ans Herz und werden jetzt schon schmerzlichst vermisst.
„Wohin das Herz mich führt“ schließt quasi nahtlos an seinen Vorgänger an und entwickelt sich dann in die Richtung, die der Klappentext vermuten lässt. Doch bis Clare endlich nach Vermont reist (erster Satz des KT), vergehen ungelogen über 100 Seiten und obwohl genau das dafür sorgt, dass wir auch Jack und die Mädchen nochmal treffen, hätte das in 20 Seiten abgehandelt werden können. So hat sich Marie Force für den Einstieg einfach viel zu viel Zeit gelassen, nur um die eigentliche Story dann zu schnell abzuwickeln. Ein Langatmigkeit, die man hätte gekonnt umschiffen können. Ein weiterer Punkt, der für Verwirrung bei mir sorgte, war die Tatsache, dass es quasi zwei Handlungsstränge gibt. (Wird im Klappentext auch mit keiner Silbe erwähnt). Wir begleiten nicht nur Clare in Vermont, sondern auch Kate in Nashville. Hätte man die beiden Geschichten in jeweils einzelne Bücher gepackt, wären beide wesentlich glaubhafter abgelaufen und es hätte die nötige Zeit gegeben, um eine authentische Entwicklung zu gewährleisten. So empfand ich beides als nur halb ausgereift und nur halb geglückt.
Zugegeben, schon während des Lesens ist mir aufgefallen, dass ich Kate’s Leben in Nashville wesentlich interessanter fand und die 18-jährige Tochter von Clare deutlich lieber begleitete, als Clare selbst. Ihre Liebe zur Musik war herzerwärmend und jedes Mal wenn erzählt wurde, wie sie singt, hatte ich ihre Stimme im Kopf. Ich genoss ihren Mut und ihr Engagement und vor allem: ich genoss ihre Gefühle. Denn während bei Clare und Aidan der Funke nicht auf mich überspringen wollte, war ich voll bei Kate und gönnte ihr das Glück auf jede erdenkliche Weise. Es ist auch nur ihr zu verdanken, dass überhaupt so etwas wie Spannung aufkam. Denn während Clare’s Leben eher träge dahin plätschert und wenig spannendes passiert, ist Kate’s Leben voll davon. Sie kämpft für ihren Traum, sie kämpft für ihr Glück und für ihre große Liebe und muss sich bei all jenen Punkten starkem Gegenwind stellen.
Das Ende war dann aber wieder auf Clare’s Seite. Oh Himmel, wie kompliziert kann eine Meinung nur ausfallen – es tut mir leid. Aber es ist einfach so. Bei Clare war es zwar ebenfalls wieder restlos überstürzt, doch wenigstens hab es ein zufriedenstellendes Ende. Bei Kate war es ein Kate, wie mit einer Axt geschlagen. Zack. Buch zu Ende. Inzwischen weiß ich, dass es in Band 4 wieder um die 18-jährige Sängerin geht, doch beim Beenden des Buches war mir das nicht klar und ich fühlte mich zugebeben echt ein wenig vor den Kopf gestoßen. Wie man unschwer erkennt: die Handlung und Umsetzung überzeugte mich nicht – dafür aber wieder der einzigartige Charme
Der Schreibstil ist, wie in jedem Buch der Autorin, einfach großartig. Der Lesespaß ist absolut gegeben, man fliegt quasi nur so durch die Seiten, kann sich wunderbar fallen lassen und die Sprache ist dem Genre perfekt angepasst. Der romantische, fast schmalzige Teil ist genau so vorhanden wie bildhafte Details rund um die Charaktere und die Kulissen. Ich habe mich zum Beispiel prompt in das kleine Örtchen Stowe verliebt; schon als Marie Force ihn das erste Mal kurz umschrieben hat. Allerdings gab es ein kleines Problemchen, was ich so von der Autorin noch gar nicht kenne: die Dialoge wirkten zum Teil recht steif, fast schon erzwungen. Einfach nicht so richtig weich, wie ich das sonst von Gesprächen aus Marie Force‘ Büchern gewohnt bin. Gerade zu Beginn dachte ich mehrfach „so unterhält sich doch keiner“ oder „so antwortet doch keiner auf eine Frage“ .. das war mir einfach fremd und ich blieb immer wieder kurzzeitig daran hängen bzw. hielt mich daran unverhofft lange auf weil es den Lesefluss ein wenig ins Stocken brachte. Nichts desto trotz hat sich das im Laufe der Geschichte ein bisschen gelegt, sodass es am Ende nicht mehr großartig ins Auge stach (oder ich hatte mich einfach daran gewöhnt – wer weiß).
Erzählt wie gewohnt in der dritten Person, sodass wie quasi der allwissende Erzähler sind und nicht die Protagonistin selbst. Wie schon im Vorgänger hat mich das positiv überrascht, da ich ja die Ich-Form deutlich bevorzuge. Trotzdem gefiel es mir hier sehr gut und die stetigen Wechsel zwischen den Sichten von Clare, Kate und Co. brachten ein gewisses Maß an Spannung mit sich.
FAZIT:
„Wohin das Herz mich führt“ kann mit seinem Vorgänger definitiv nicht ganz mithalten. Es gab, in meinen Augen, deutlich mehr Schwächen und alles in allem überzeugte er mich spürbar weniger, als „Vergiss die Liebe nicht“. Eine zu lange Einleitung rauben dem Hauptteil zu viel Platz, sodass am Ende alles sehr übereilt und überstürzt wirkt. Auch die beiden Handlungsstränge haben der Geschichte keinen Gefallen getan – viel besser hätte ich es gefunden, wären die beiden Stränge in jeweils einzelne Bücher gepackt worden, sodass beide mehr Raum bekommen hätten um sich zu entwickeln und entfalten. Ansonsten gab es aber natürlich wieder den typischen Marie Force Charme, der sich einfach wie eine Welle über mir aufbaute und über mich hereinschwappte und komplett einnahm. Auch die Figuren konnten mich größtenteils für sich gewinnen und sorgen letztlich dafür, dass ich mich schon darauf freue, Band 3 zu lesen und ihnen so wieder begegnen darf.