Nora beschließt zu sterben...
Es ist der Tag, der Nora Seed den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihr Kater wird überfahren, sie verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern auch noch ihren Nebenjob. Sie zieht Bilanz: Erwähnenswerte Freunde ...
Es ist der Tag, der Nora Seed den Boden unter den Füßen wegzieht. Ihr Kater wird überfahren, sie verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern auch noch ihren Nebenjob. Sie zieht Bilanz: Erwähnenswerte Freunde hat sie nicht, ihre Eltern sind tot, zu ihrem Bruder hat sie kaum Kontakt. Kurz, sie fühlt sich einsam, alleingelassen in einer Welt, die nichts Schönes für sie zu bieten hat. Warum also weiterleben? Also beschließt Nora zu sterben, schluckt ihre Antidepressiva. Aber offenbar will selbst der Tod sie nicht haben, ist ihre Zeit noch nicht abgelaufen. Und so landet sie an einem Ort zwischen Leben und Tod, in der Mitternachtsbibliothek, wo sie eine alte Bekannte aus ihrer Kindheit empfängt. Mrs Elm, die Bibliothekarin, führt sie herum und zeigt ihr die Bücher, die allesamt die Möglichkeiten in Noras Leben verkörpern, die sie nicht ergriffen hat und die sie an diesem Ort nun nachholen kann. Ein verlockender Gedanke, mit dem wohl jede/r spielt, der im Rückblick auf sein/ihr Leben mit getroffenen Entscheidungen hadert. Auch für Nora, die natürlich diese Gelegenheit ergreift und ihre alternativen Lebensentwürfe ausprobiert. Und es überrascht nicht, dass sie aus diesen Erfahrungen ihre Lektionen lernt.
Schon die Rahmenbedingung „Mitternachtsbibliothek“ dieses Romans lässt den Schluss zu, dass wir es hier mit einem Märchen zum Thema Depression und Selbstmord zu tun haben. Natürlich kann man die eine oder andere Erkenntnis in das reale Leben übernehmen, zumindest gibt Haig Denkanstöße. Allerdings gleitet er nicht in den Lebenshilfe/Ratgeber-Modus ab, sondern bleibt durch die Konzentration auf seine Hauptfigur in der Fiktionalität. Und das ist auch gut so, denn unterm Strich feiert er mit diesem Roman das Leben mit seinen Schwächen und Stärken.