Gelungener Auftakt
„...Es war ein Kommen und Gehen, ein sorgfältig orchestriertes Schauspiel wie auf einer Bühne, an dem sich Elisabeth niemals sattsehen würde...“
Mit diesen Worten beschreibt Elisabeth ihre Eindrücke von ...
„...Es war ein Kommen und Gehen, ein sorgfältig orchestriertes Schauspiel wie auf einer Bühne, an dem sich Elisabeth niemals sattsehen würde...“
Mit diesen Worten beschreibt Elisabeth ihre Eindrücke von Palais Heiligendamm. Vor kurzen ist ihre Familie aus Berlin nach Bad Doberan gezogen, weil der Vater das Hotel übernommen hat.
Wir schreiben das Jahr 1912. Es war die Idee von Ottilie Kuhlmann, die ihren Mann gedrängt hat, sich um ein eigenes Hotel zu bemühen.
Die Autorin hat einen fesselnden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt.
Elisabeth ist die zweitälteste Tochter des Hauses. Sie würde gern im Hotel mitarbeiten. Aber dafür hat ihre Mutter gar kein Verständnis. Dabei hat Elisabeth einen sehr guten Blick für Details und bringt gut umsetzbare Vorschläge, wenn es darauf ankommt.
Paul, der Sohn des Hauses, ist als Nachfolger gesetzt. Doch er selbst hat diese Ambitionen nicht. Er tut sich schwer, seinen Pflichten nachzukommen. Im Herzen ist er Künstler. Mit seinem Klavierspiel berührt er die Zuhörer.
Minna ist Hausmädchen bei Familie Kuhlmann. Sie hat das Angebot angenommen, sie nach Bad Doberan zu begleiten. In ihr aber brennt das Heimweh nach ihrer Familie.
Der Schriftstil ist ausgefeilt. Die Autorin arbeitet häufig mit passenden Metaphern und beschreibt die Örtlichkeiten detailgenau. So hatte ich schnell ein Bild des Hotels im Kopf.
Durch die unterschiedlichen Perspektiven ergibt sich ein vielschichtiges Bild der Verhältnisse. Ottilie ist die Tochter eines Offiziers. Das zeigt sich in den Äußerungen gegenüber Paul:
„...Auf dem Parkett werden bleibende Verbindungen geknüpft, und die Schwellen der Ballsäle führen in den sicheren Hafen der Ehe. Wenn du Walzer, Menuett und Polka nicht beherrschst, wirst du dich schwertun, eine standesmäßige Ehefrau zu finden...“
Ich darf die Familie bis in den Winter 1918/19 begleiten. Als das Hotel vor dem Krieg finanziell ins Schlingern gerät, wird Julius Falkenhayn im Auftrag von Graf Seitz Geschäftspartner. Er erkennt Elisabeths Potential und fördert sie. Privat allerdings sind sie anfangs wie Hund und Katz. Elisabeths Mutter ist das gerade recht, denn sie misstraut den jungen Mann mit mysteriöser Vergangenheit. Julius hat einige Jahre in Afrika verbracht. Ottilie hat zwar keine Ahnung von dem Leben dort, erlaubt sich aber eine Meinung:
„...Ich verstehe sowieso nicht, warum die Eingeborenen gegenüber den deutschen Missionaren und Siedlern nicht mehr Dankbarkeit an den Tag legen. Schließlich bringen die ihnen doch erst Disziplin, Hygiene, Gehorsam, Sitte und Anstand bei...“
Julius kontert und verliert weitere Sympathie bei Ottilie.
In den Kriegsjahren ist Elisabeth zum großen Teil auf sich allein gestellt, um das Hotel am Laufen zu halten. Paul hat sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet – und das schon nach wenigen Tagen bereut. Gerade an ihm wird deutlich, wie der Krieg aus einen schöngeistigen jungen Mann eine abgestumpftes Wesen macht.
Julius wird,wie wir heute sagen würden, Kriegsberichterstatter. Er, der konsequent gegen den Krieg ist, formuliert seine Ambition so:
„...Andererseits will ich die Katastrophe dokumentieren, die da gerade geschieht, damit zukünftige Generationen niemals wieder in einen derart sinnlosen Krieg ziehen...“
Der Roman spielt die gesamte Palette der menschlichen Gefühle wider: Freude, Trauer, Eifersucht und Wut. Das Leben kennt Höhen und Tiefen. Und die Jahre verändern die Protagonisten – nicht immer zum Guten. Der Judenhass von Ottlilie ist mir mehr als suspekt. Julius`Einstellung zum Krieg dagegen hebt sich wohltuend von der herrschenden Euphorie ab. Johanna, die älteste Tochter, zeigt sehr viel Empathie und Einsatzbereitschaft.
Natürlich kommen in ein bekanntes Hotel auch historische Persönlichkeiten, so der Dichter Rainer Maria Rülke. Er begibt sich selbst in die Küche, um sich für ein Soufflè zu bedanken.
„...Ein Pariser Sternekoch hat mir einmal gesagt, Soufflés seien wie Katzen. Wenn man ihnen nicht seine ganze Aufmerksamkeit schenkt, werden sie zickig und machen, was sie wollen….“
Es sind solche Sprachspiele, die das Lesen immer wieder zum Vergnügen machen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.