Spannender Auftakt!
Hamburg, 1886. Lily Karsten soll eine Rede bei einer Schiffstaufe halten, doch alles läuft schief. So schief, dass sogar ein Hafenarbeiter einen schweren Unfall hat, an dem Lily nicht ganz unschuldig ist. ...
Hamburg, 1886. Lily Karsten soll eine Rede bei einer Schiffstaufe halten, doch alles läuft schief. So schief, dass sogar ein Hafenarbeiter einen schweren Unfall hat, an dem Lily nicht ganz unschuldig ist. Dieses Erlebnis und noch so manches andere, bringen die junge Frau aus gutem Hause in Wallung und sie lernt Hamburg einmal von einer ganz anderen Seite kennen…Dabei steht ihr Jo Bolten zur Seite, ein junger Mann der schon geboren im Gängeviertel Hamburgs, all die dunklen und traurigen Aspekte der Großstadt kennt.
Ich liebe Hamburg, ganz besonders mag ich auch die Speicherstadt – auch wenn die Geschichte dieser eigentlich alles andere als toll ist. Wer sie nicht kennt, wird hier erfahren, was es damit auf sich hat und noch einiges andere aus Hamburgs Stadtgeschichte zu lesen bekommen. Immer eingebettet in eine spannende und unterhaltsame Geschichte, kommen die Fakten nie trocken daher. Hamburg ist ein sehr gut gewählter Schauplatz, bietet viele Möglichkeiten und das nicht nur wegen dem Gefälle zwischen reich und bitterarm. Die Autorin nutzt diese Möglichkeiten auch voll aus und beschreibt extrem anschaulich die Bedingungen in den Elendsvierteln, in denen die Ärmsten der Armen ums pure Überleben kämpfen. Krankheiten, mangelnde Hygiene, Verwahrlosung und Brutalität sind an der Tagesordnung in manchen Bereichen, während in anderen Stadtteilen Langeweile in den Protzvillen zu herrschen scheint. Doch dort ist nicht alles so, wie es zunächst scheint. An Lily erkennt man schnell, dass es auch im goldenen Käfig nicht unproblematisch ist, wenngleich ihre Probleme im Gegensatz zu den Armen zunächst weniger wichtig scheinen. In den Villen ist die Außendarstellung alles, der Schein muss in jedem Fall gewahrt werden und schnell bemerkt der Leser, dass das einfach nicht Lilys Ding ist. Sie rebelliert und hat ihren eigenen Kopf – was Folgen haben wird. Ihr fiktives Schicksal hat mich genauso gefesselt wie die jener aus dem Gängeviertel. Zudem fand ich die gesellschaftlichen Aspekte extrem interessant, der Kampf der Frauen für mehr Gleichberechtigung, den der Arbeiter für bessere Arbeitsbedingungen, die medizinischen Fortschritte – die Liste konnte ich noch um einiges erweitern, denn in diesem 600Seiten starken Roman werden extrem viele Themen gekonnt miteinander verknüpft. Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig, beim Lesen entstehen direkt Bilder vor Augen und sie hat Charaktere geschaffen, deren Schicksal bewegt.
Ich freue mich einfach schon auf die Fortsetzung und spreche für dieses Buch eine Leseempfehlung aus.