Neal Shusterman hat mich bisher mit jedem seiner Bücher vollkommen aus den Latschen gehauen und ich kam nicht umhin, auch seiner neusten Geschichte mit Haut und Haaren zu verfallen, selbst wenn ich mir im Vorfeld etwas anderes vorgestellt hatte. Wie das Buch verlief, entsprach nicht ganz meinen Erwartungen, aber das hat meine Begeisterung nicht im Geringsten geschmälert, nur am Anfang etwas für Verwirrung gesorgt.
Der Gedanke, dass ein Mensch der Mittelpunkt des Universums wird und dadurch den Lauf der Welt beeinflussen kann, fand ich enorm spannend. Wenn man selbst das Schicksal der Galaxie in der Hand hat und alles erdenkliche verändern könnte, was würde man dann als erstes ändern? In was für einer Welt möchte man leben? Möchte man überhaupt in einer anderen leben? Würde man etwas Großes verändern, wie Kriege ungeschehen zu machen oder eine Pandemie aus dem Verlauf der Geschichte zu löschen? Oder würde man sich oder seinen Freunden persönliche Vorteile verschaffen, ein Upgrade für das eigene Leben sozusagen? Und egal, wie man sich entscheidet, kann man dabei wirklich alle Folgen bedenken? Zumindest letzteres kann ich nach dem Lesen des Buches mit einem klaren Nein beantworten.
Der Protagonist Ash wurde mir während des Lesens immer und immer sympathischer. Er hatte etwas entwaffnendes, etwas unverfälschtes, was es einem leicht gemacht hat, sich mit ihm auf die Veränderungen der Welt einzulassen und sie in sich aufzunehmen. Dass Ash selbst auch zunächst überfordert mit seinem neuen Status ist, setzt ihn und die Lesenden auf die selbe Augenhöhe, und man wird langsam an all die neuen Entwicklungen gewöhnt.
Ash hat ein gutes Herz. Er ist stets bemüht, das Beste aus dem, was er tut, herauszuholen, und eine treue Seele ist er obendrein. Er ist fair, offen, tolerant und ich liebe ihn für jeden dieser Charakterzüge, denn viele andere Figuren, die man im Laufe der Geschichte trifft, führen einem vor Augen, dass es keineswegs selbstverständliche Eigenschaften sind.
Die Art, wie er zwischen den verschiedenen Realitäten wechselt, hätte ich mir anders, einfacher vorgestellt. Ich hätte gedacht, es verhält sich wie an einer Kreuzung, von der unterschiedliche Wege wegführen, doch es zeigte sich, dass das Ganze nicht annähernd so leicht vonstatten geht. Das heißt aber nicht, dass ich enttäuscht bin, sondern nur, dass ich meine Erwartungen anpassen musste. Ich mochte das, was man bekommen hat, sehr.
Was mir ebenfalls gefiel, war, wie sensibel und dennoch aufrüttelnd Themen wie Rassismus oder Homophobie hier aufgearbeitet werden. Man lernt Ash als privilegierten, weißen jungen Mann kennen, dennoch merkt man aber, dass sich der Autor mit solch ernsten Angelegenheiten auseinandergesetzt hat und das auf das Wissen und Handeln des Protagonisten übertragen wurde.
Neal Shusterman schafft es jedes Mal, mich mit seinem fesselnden Schreibstil ans Geschehen zu binden und erst wieder gehen zu lassen, wenn man das Buch beendet hat. Auf eindringliche Art und Weise schildert er hier dem Leser, dass wir nur einen Steinwurf, nur eine Sekunde von einer komplett anderen Welt entfernt sind, die um Längen schlechter sein könnte als die jetzige. Wir denken immer, wir haben es schon weit gebracht in Sachen Toleranz, doch uns steht noch ein weiter Weg bevor.
Mein Fazit:
Ein eindrucksvolles Buch, was mich lange beschäftigt hat und auch noch länger beschäftigen wird. Ich liebe und fürchte die Geschichten von Neal Shusterman gleichermaßen, weil sie es schaffen, jede erdenkliche Zukunft wie eine durchaus plausible Möglichkeit für unsere Realität aussehen zu lassen.
Game Changer ist keine leichte Kost für Zwischendurch, es ist Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise in einem. Wenn man es verschlungen hat, ist man danach erst einmal außer Gefecht gesetzt, aber auf eine gute Art und Weise. Jeder, der keine Angst vor Shustermans Zukünften hat, wird mit diesem Buch ein nachhallendes Leseerlebnis teilen.
Von mir gibt es 5 von 5 Sternen.