Einfühlsam erzählte Geschichte und zwei ganz außergewöhnliche Hauptfiguren
Abbi befindet sich nach einem schweren Autounfall in der Rehaklinik, denn sie muss wieder laufen lernen. Sie macht nur kleine Fortschritte und wird langsam ungeduldig, ist kurz davor, aufzugeben. Nachdem ...
Abbi befindet sich nach einem schweren Autounfall in der Rehaklinik, denn sie muss wieder laufen lernen. Sie macht nur kleine Fortschritte und wird langsam ungeduldig, ist kurz davor, aufzugeben. Nachdem David sie widerwillig als Patientin aufnimmt, macht Abbi erstaunliche Fortschritte. Durch seine empathische und wohlwollende Art schafft er es, Abbi ihre Angst vor möglichen Schmerzen zu nehmen. Eigentlich wollte sich David von ihr fernhalten, denn ihr Vater hat seiner Familie etwas Unverzeihliches angetan und der Hass den David auf ihn entwickelt hat, kann er nur schwer unterdrücken.
Das Buch sticht mit seinen vielen Facetten, der gut durchdachten Geschichte und den außergewöhnlichen Charakteren aus dem Sumpf der N/A Romantikschmökern heraus. Der Phantasie der Autorin sind da zwei wirklich tolle Figuren entsprungen, die ich mit all ihren Stärken und Schwächen sofort in mein Herz geschlossen habe.
Abbis Kampf mit und gegen sich selbst, ihren Niederlagen und ihren Fortschritten, machen aus ihr eine sehr sympathische und authentische junge Frau. Sie kommt aus einer privilegierten Familie, wuchs einigermaßen behütet, wenn auch häufig in Abwesenheit ihrer vielbeschäftigten Eltern, auf und materiell fehlte es ihr an nichts. An ihr ist aber nichts Klischeehaftes, was man Kindern reicher Eltern oft vorwirft, außer vielleicht, dass ihr der Blick für das Fehlen von materiellen Besitztümern fehlt. Abbi mochte ich aber besonders deshalb, weil sie so kompromisslos ehrlich war. Zu sich, aber auch zu allen anderen. Sie hält nichts von Lügen und spricht jeden potenziellen Konflikt an, sodass erst gar kein Konflikt entstehen kann. Ich hätte gern nur halb so viel Rückgrat wie Abbi.
David bringt sie damit allerdings oft aus dem Konzept. So offen und ehrlich ist eben eigentlich kaum einer und man ist dann gezwungen ebenso offen zu sein und die Konflikte sofort und direkt zu besprechen. Die Konfrontation mit Abbis aggressiven, aber sehr liebenswerten Ehrlichkeit, hat David oft sprachlos gemacht, aber auch seinen Horizont erweitert. Ihn mochte ich auch sehr gerne. Ein aufopferungsvoller und aufrichtiger Mensch. Jemand, dem andere Menschen wichtig sind, der sich selbst wahrscheinlich viel zu oft zurückstellt, um andere glücklich zu machen. Einzig seine ständige Gedankenschleife um sein furchtbar „verhunztes“ Leben (er hatte es wirklich nicht einfach!) und den Hass auf Abbis Vater, war mir insgesamt ein bisschen zu viel. Ich hatte es beim dritten, vierten Mal schon verstanden…
Das Verhalten der beiden Hauptfiguren wird durch ihre Vergangenheit glaubhaft erklärt und ich konnte die Handlungen und Motive der beiden sehr gut nachvollziehen.
Die beiden kommen sich ungewollt näher und das Knistern und die Anziehung zwischen den beiden war beinah greifbar. Anfangs fand ich David für einen Physiotherapeuten ein bisschen zu forsch. Auch wenn die beiden sich offenbar von Beginn an zueinander hingezogen fühlten, ging mir die Professionalität ein bisschen zu schnell verloren. David hat sich zwar immer wieder dazu ermahnt, professionell zu bleiben, es gab aber Situationen, da hätte ich mich an Abbis Stelle extrem übergriffig behandelt gefühlt - Anziehung hin oder her.
Die Sidestory über die Verbindung der beiden Familien von Abbi und David war auch interessant und spannend. David befand sich in einer Zwickmühle und kam dadurch immer wieder in echt schwierige Situationen. Er hat das aber alles sehr gut und mutig gelöst. Ich denke, dass Abbi ihm den letzten Schubbs in diese Richtung gegeben hat, weil sie selbst ja auch so mutig und direkt ist.
Mit ihrem einfühlsamen Schreibstil hat die Autorin in einem sehr angenehmen Erzähltempo eine wunderschöne Liebesgeschichte geschaffen, die mit viel Gefühl und wenig Drama auskommt und es nicht nötig hat, alles in einem übertriebenen Happy End in kitschiges Wohlgefallen aufzulösen. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen.