Eine Geschichte über holprige Neuanfänge, dem trügerischen Schein und Totengräbern mit überaus schwarzem Humor
Stell dir vor, du ziehst in eine andere Stadt, um dort einen neuen Job zu beginnen, aber du bist von Anfang an der schrullige Außenseiter, mit dem keiner warm wird und so stehst du auf verlorenem Posten.
Was ...
Stell dir vor, du ziehst in eine andere Stadt, um dort einen neuen Job zu beginnen, aber du bist von Anfang an der schrullige Außenseiter, mit dem keiner warm wird und so stehst du auf verlorenem Posten.
Was auch locker die Beschreibung meines Wertegangs nach meinem Umzug nach Leipzig sein könnte, ist der Beginn des neuesten Romans von Oliver Pötzsch um den jungen Ermittler Leopold von Herzfeldt, der nach einem unschönen Vorfall seine Heimatstadt Graz verlassen und in Wien von vorn beginnen muss. Allerdings hängt er sich gleich zu Beginn ungefragt in einen Mordfall seiner Kollegen hinein, stellt ihre bisherigen Ermittlungsmethoden in Frage und schießt sich damit selbst aus. Und dabei bleibt es nicht. Allerlei Alleingänge, das Vertrauen, dass er in den falschen Kollegen setzt und auf der anderen Seite das Misstrauen gegenüber der Kollegen, die trotz ihrer fragwürdigen politischen Ansichten gute Polizisten sind sowie der Umgang mit einer Kollegin, mit der ihm eine Affäre unterstellt wird, bringen ihn in allerhand Schwierigkeiten. Zudem muss er sich auch noch mit einem oberschrulligen Totengräber befassen, der immer zu den ungünstigsten Zeitpunkten aufkreuzt und den er jedesmal abblitzen lässt, obwohl dieser ihm stets wichtige Hinweise zu den Mordfällen liefern oder ihn auf Besonderheiten hinweisen möchte, die ihn bei seinen Ermittlungen weiter bringen würden. Nachdem der gute Herr von Herzfeldt dann aber mal seine Eitelkeiten, Vorurteile und Klugscheißerei bei Seite packt, sich auf das wesentliche konzentriert und sich helfen lässt, gelingt es ihm, gleich zwei große Fälle zu lösen.
Das Buch des Totengräbers entführt einen in das kaiserliche Wien zu Ende des 19. Jahrhunderts, in dem Prunk und Elend dicht beieinander liegen, in dem Antisemitismus mehr und mehr salonfähig wird, die ersten Frauen gegen ihre Rolle als Mutter und Putzkraft aufbegehren und sich Totengräber darum sorgen, ob sie ihre Stellung auch in Zukunft noch behalten können, wenn auch Bestattungswesen die Moderne einzieht. Das Buch des Totengräbers ist nicht nur ein historischer Krimi, der einen über viele Stunden unterhalten kann, sondern auch Gesellschaftskritik, ein Einblick in das Bestattungswesen und der damit einhergehende Arberglauben sowie das Schaufenster eines Wiens der späten Kaiserzeit. Absolut lesenswert!