Blieb hinter den Erwartungen zurück
Das Cover ist wunderschön gestaltet, ein echter Eyecatcher eben. Es passt noch dazu perfekt zum Thema Geheimgesellschaften. Wenn wir schon bei äußerer Gestaltung sind, verdienen auch die grandiosen Illustrationen ...
Das Cover ist wunderschön gestaltet, ein echter Eyecatcher eben. Es passt noch dazu perfekt zum Thema Geheimgesellschaften. Wenn wir schon bei äußerer Gestaltung sind, verdienen auch die grandiosen Illustrationen der Charaktere eine lobenswerte Erwähnung.
Zum Inhalt: In jedem Jahrzehnt werden sechs Kandidaten mit herausragender magischer Begabung ausgewählt, um in die Alexandrinische Gesellschaft eingeführt zu werden. Doch nur fünf von ihnen werden letztlich aufgenommen. Wer wird die Initiation erleben?
Der Anfang war wahnsinnig stark. Danach hat mir der Schreibstil aber weniger zugesagt. Jeder Kandidat hat eine eigene Erzählperspektive erhalten, was das Lesen kurzweiliger gestaltet. Allerdings sind diese nicht in der Ich-Perspektive verfasst, sodass immer eine gewisse Distanz zu den Protagonisten erhalten blieb. Außerdem gleicht dieses Buch einem einzigen Gedankenexperiment rund um ein moralisches Dilemma. Es geht weit mehr um philosophische Diskussionen als um tatsächliche Handlung und Action. Auch wenn das eigentlich nicht mein Fall ist, hat die Geschichte mich doch in ihren Bann ziehen können, was mir das Lesen der eigentlich über weite Teile trockenen und theoretischen Passagen ungemein erleichtert hat. Echte Spannung kam nur in Wellen und hat sich stets mit zäheren Strecken abgelöst, dadurch wirkte das Buch wie ein Anfängerwerk.
Die Verarbeitung einiger haltloser Stereotypen, die wohl witzig sein sollten, heutzutage aber einfach nur noch ungebildet und lieblos wirken, hat bei mir Kopfschütteln hervorgerufen. Ansonsten haben mir der Humor und die scharfe Zunge im Erzählstil aber ganz gut gefallen. Auch die alles begleitende unheilvolle Atmosphäre konnte mich überzeugen.
Zu den Charakteren: Die Protagonisten wurden kontrovers und moralisch grau angelegt. So viel hat mir gefallen. Da ich mich, wie bereits beim Schreibstil erwähnt, jedoch nicht besonders gut in jemanden hineinversetzen konnte, war mir auch niemand richtig sympathisch. Erstaunlicherweise hat die Autorin es trotzdem geschafft, dass ich mit den Charakteren mitgefiebert habe, weil jede Person eine ganz eigene Anziehungskraft ausstrahlt.
Das vielfach angepriesene wissenschaftliche Magiesystem ist eher pseudowissenschaftlich unterwegs, verkauft sich aber selbst als hochprozentig. Das Magiesystem bleibt zudem vor allem wahnsinnig wage. Wir erfahren nicht viel über dessen Funktionsweise, was möglicherweise seiner Vielfältigkeit geschuldet ist. Wer außerdem Romantik und enemies-to-lovers-Momente erwartet, könnte ebenfalls enttäuscht werden, denn Liebesgeschichten spielten doch eher eine dezente und untergeordnete Rolle.
Für mich hatte The Atlas Six einen soliden Unterhaltungswert. Mehr aber auch nicht. Es gab kaum überraschende Wendungen, die ich vor allem im Ausblick auf den Folgeband erwartet hatte. Meiner Meinung nach wird das Buch seinem internationalen Hype nur bedingt gerecht, deswegen bin ich momentan auch nicht sicher, ob ich die Reihe überhaupt weiterlesen werde.
Wer eine Kombination aus Urban Fantasy und Dark Academia mit Sogwirkung sucht und sich für philosophische Diskussionen begeistern kann, sollte hier einmal reinlesen.