Lo Blacklock arbeitet als Journalistin für ein Reisemagazin, hat es bisher aber noch nicht geschafft, mehr als nur die Schreibkraft hinter den schönen Artikeln zu sein. Deshalb ist Lo unendlich froh, als sie von ihrer Chefin das Angebot erhält, über die Jungfernfahrt eines Kreuzfahrtschiffes zu berichten. Mit dem Ziel ihre Karriere voranzutreiben, geht sie an Bord und wird neben einer Handvoll ausgelesenen Prominenten auch von dem dort herrschenden Luxus überrascht. Doch ihre Freude hält nicht lange an. Schon in der ersten Nacht wird sie von einem Schrei aus der Nachbarkabine aufgeschreckt und muss mit ansehen, wie etwas Schweres ins Wasser geworfen wird. Ein Verbrechen, wie Jo glaubt, das es eigentlich nicht geben kann. Denn die Kabine nebenan ist leer und die junge Frau, die am Nachmittag dort die Tür geöffnet hat, gibt es nirgendwo auf dem Schiff.
"Woman in Cabine 10" ist nach "Im dunklen, dunklen Wald" der zweite Thriller der britischen Autorin Ruth Ware, die es wunderbar versteht, mit der Wahrnehmung ihrer Figuren zu spielen. War es im ersten Buch eine Krimiautorin, der es nicht mehr gelang, Fiktion und Wirklichkeit auseinanderzuhalten, ist es diesmal eine Journalistin, die zum Opfer verwirrender Ereignisse wird. Und die ganze Zeit ist der Leser wie ein stiller Beobachter dabei und spürt, wie die als Icherzähler agierende Lo Blacklock ein wahres Martyrium durchlebt. Mal ist es ein Einbrecher, der ihr Höllenqualen beschert, ein anderes Mal sind es merkwürdige Vorkommnisse an Bord, die sie in Panik versetzen. Ein Spiel mit der Angst, das erschreckend reale Züge annimmt und lange Zeit nicht durchschaut werden kann. Allerdings gibt es in dem vielschichtigen Handlungsverlauf auch einige Passagen, die zu ausufernd geraten sind und den Lesegenuss etwas schmäler. Hier wären vor allem zum Ende hin einige Kürzungen angebracht, um den Spannungsbogen auf einem konstanten Level zu halten. Wobei die Meinungen dazu gewiss auseinandergehen und egal, wie die Dinge vom Leser empfunden werden, fesselnd ist der mit einer breiten Palette an Gefühlen spielende Thriller allemal.
Fazit:
Merkwürdige Vorkommnisse, exzentrische Figuren und eine Journalistin, die zu viel gesehen hat. Der zweite Thriller von Ruth Ware hat es in sich und schafft es, seine Leser bis zum Schluss im Unklaren darüber zu lassen, was wirklich während einer Jungfernfahrt auf der "Aurora Borsalis" geschehen ist.