Cover-Bild Der Sprung
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 336
  • Ersterscheinung: 28.08.2019
  • ISBN: 9783257070743
Simone Lappert

Der Sprung

Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen. Was geht in ihr vor? Will sie springen? Die Polizei riegelt das Gebäude ab, Schaulustige johlen, zücken ihre Handys. Der Freund der Frau, ihre Schwester, ein Polizist und sieben andere Menschen, die nah oder entfernt mit ihr zu tun haben, geraten aus dem Tritt. Sie fallen aus den Routinen ihres Alltags, verlieren den Halt – oder stürzen sich in eine nicht mehr für möglich gehaltene Freiheit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2019

"Nichts war wie vorher. Absolut nichts."

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Die Idee zu Simone Lapperts zweitem Roman „Der Sprung“ ist klasse. Da steht eine junge Frau namens Manu auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses in der fiktiven Kleinstadt Thalbach im Schwarzwälder Hinterland, ...

Die Idee zu Simone Lapperts zweitem Roman „Der Sprung“ ist klasse. Da steht eine junge Frau namens Manu auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses in der fiktiven Kleinstadt Thalbach im Schwarzwälder Hinterland, randaliert mit Dachziegeln und droht zu springen. Warum? 20 Stunden dauert das Spektakel, genug Zeit, um das Leben vieler Wartender auf den Kopf zu stellen, sei es, weil sie in enger Beziehung zu ihr stehen, oder weil das Ereignis ihnen Anlass gibt, die eigene Lebenssituation zu überdenken.

Simone Lappert beginnt den Roman mit dem titelgebenden Sprung selbst, der viermal thematisiert wird: am Anfang und nach jedem der drei Teile: „1 Tag davor“, „1. Tag“ und „2. Tag“. Die Sprache in diesen kurzen Abschnitten, in denen zunächst nichts über die Landung verraten wird, ist besonders gelungen: „Eigentlich springt sie nicht, sie macht einen Schritt ins Leere, setzt den Fuß in die Luft und lässt sich fallen, mit offenen Augen lässt sie sich fallen, will alles sehen auf dem Weg nach unten, alles sehen und hören und fühlen und riechen, denn sie wird nur einmal so fallen, und sie will, dass es sich lohnt...“ .

Die drei Teile dazwischen sind in Kapitel untergliedert, die als Überschriften die Namen einer von zehn Personen tragen. Aus ihrer Sicht wird jeweils erzählt, wie die Frau auf dem Dach zum Wendepunkt in ihrer Biografie wird. Da ist Manus Freund Finn, der noch nicht einmal ihren Nachnamen kennt, der Polizist Felix, bei dem die bevorstehende Vaterschaft ein altes Trauma wiederaufleben lässt, ihre Schwester Astrid, die sich als Bürgermeisterkandidatin keinen Skandal erlauben kann, ein Obdachloser, der die Menschenansammlung geschickt für seine Zwecke nutzt, und einige andere mehr. Besonders bewegt hat mich das Schicksal von Theres, die zusammen mit ihrem Mann einen aus der Zeit gefallenen Gemischtwarenladen betreibt. Kurz vor der Insolvenz erleben die beiden einige letzte Blütestunden, denn ihr Geschäft liegt plötzlich inmitten des Geschehens. Die Beschreibung, wie Theres lustvoll und geschickt Überraschungseier auspackt, hat die Lektüre fast schon alleine gelohnt. Auch der Mailänder Stardesigner mit Schaffenskrise, der unerwartet in das Schicksal eines Thalbachers eingreift, ist eine originelle Figur. Zu klischeehaft war mir jedoch die gemobbte übergewichtige Winnie mit ihren Teenieprobleme aus dem Lehrbuch. Gestört hat mich das exzessive Rauchen so vieler Protagonisten – überflüssig und für meinen Geschmack zu breit ausgewalzt. Der liebevolle Umgang der sorgfältigen Beobachterin mit ihren zahlreichen Protagonisten hat mir dagegen Spaß gemacht, auch wenn sie ihr so sehr ans Herz gewachsen sind, dass sie für fast alle einen versöhnlichen Ausgang bereithält. Die Einzelschicksale stehen eindeutig im Fokus, während die Atmosphäre und die zwar immer wieder erwähnte, für mich aber nicht spürbare Hitze etwas zu kurz kommen.

„Der Sprung“ ist ein lesenswerter, sehr gut durchkomponierter Unterhaltungsroman und ein Porträt unterschiedlicher Bewohner einer beliebigen Kleinstadt, die alle irgendwie verbunden sind. Für das nächste Buch wünsche ich mir noch mehr sprachlich exzellente, akribisch beschriebene Passagen wie die über den eigentlichen Sprung, denn hier zeigt sich die große Begabung der jungen Schweizer Autorin besonders deutlich.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Schicksalhafte Wendungen

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Niemand weiß, wie viele Leben mit dem eigenen verbunden sind. Welche Auswirkungen kleinste Begebenheiten, kleinste Taten haben werden. Der berühmte Schmetterlingseffekt kommt mir bei diesem Buch in den ...

Niemand weiß, wie viele Leben mit dem eigenen verbunden sind. Welche Auswirkungen kleinste Begebenheiten, kleinste Taten haben werden. Der berühmte Schmetterlingseffekt kommt mir bei diesem Buch in den Sinn. Eine Frau steht auf einem Dach und es hat den Anschein, dass sie da runterspringen will. Simone Lappert zeigt in diesem Buch Menschen, die direkt oder indirekt davon betroffen sind und deren Leben unerwartet schicksalhafte Wendungen einschlägt.

Der Sprung und die Frau selbst sind eigentlich nur eine Nebensache und dienen als Aufhänger für andere menschliche Schicksale. Die Frage lautet nicht: Warum will sie springen? Wer hier eine Auseinandersetzung mit dem Tod erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr ist es eine Auseinandersetzung mit dem Leben.

Die Autorin versteht das Handwerk, besondere Charaktere zu erschaffen und sie glaubwürdig darzustellen. Die Personen werden mit scharfen Konturen und einer unglaublichen Tiefe ausgestattet. Es sind knapp zehn Menschen, die wenig bis nichts miteinander zu tun haben und jede/r wird zuerst nur auf wenigen Seiten vorgestellt. Manchmal wurde es für mich anstrengend, mir so viele Lebensgeschichten zu merken und sie den richtigen Personen zuzuordnen. Aber durch die einwandfreie Charakterisierung wurden mir die einzelnen Personen sehr schnell auch vertraut. Das Buch lebt von den ständigen Perspektivenwechsel zwischen den Charakteren und fast alle tauchen im Leben der anderen immer mal wieder und auch unerwartet auf. Lappert legt sehr viel Wert auf Details. So kann ein kleiner Nebensatz in der einen Perspektive schon in der nächsten zu einem Hauptthema werden. Die Erzählstränge verbinden sich mit der Zeit mehr und mehr und es bildet sich ein Kreis, der sich am Ende irgendwie schließt.

Nach und nach erfährt man mehr von den Menschen. Die Autorin streut sehr geschickt die wichtigen Informationen und kann so Spannung aufbauen. Manches versteht man erst viel später, manches macht erst viel später Sinn. Diese dadurch entstandenen Aha-Momente hatte ich öfters. Es ist ein Buch zum nochmal Lesen. Obwohl das Buch nicht besonders dick ist, enthält es eine Fülle an Themen. Es ist intensiv, es ist nervenaufreibend, es ist unglaublich klug geschrieben. Es ist schwer zu beschreiben, was das Buch mit einem macht. Lappert schaut mit ihrer unglaublichen Beobachtungsgabe hinter die Fassaden der Menschen. Das hat mich nicht kalt gelassen.

Fazit
Ein vielschichtiger Roman über das Leben. Klug aufgebaut mit wunderbaren Charakteren, bei denen das Schicksal die Zügel in die Hand nimmt und sie auf Reise schickt. Jede/r von ihnen wagt einen Sprung. Die Geschichte ist sehr gut geschrieben, sehr intensiv erzählt und ein wahres Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 01.10.2019

Ein Roman mit Stärken und Schwächen

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3,5 Punkte

"Den Sprung hat sie von ihrem Erzeuger [...] Der wusste auch nicht, wohin mit seiner Energie, und ständig musste man ihm aus irgendeinem Schlamassel helfen." (S.241)

Ich hatte hohe Erwartungen, ...

3,5 Punkte

"Den Sprung hat sie von ihrem Erzeuger [...] Der wusste auch nicht, wohin mit seiner Energie, und ständig musste man ihm aus irgendeinem Schlamassel helfen." (S.241)

Ich hatte hohe Erwartungen, doch leider hat mich der Roman ein wenig enttäuscht, obwohl er wirklich sehr gut beginnt, sprachlich und vom Aufbau gefällt sowie viele gute Gedanken bereithält.

Worum geht es: Eine Frau steht auf dem Dach eines Mietshauses und will springen. Die Polizei ist alarmiert und eine Menge Schaulustiger sind versammelt. Es beginnt einem Volksfest zu gleichen. Man lernt verschiedene Personen kennen, die auf irgendeine Art und Weise mit dem Geschehen in Berührung kommen. Felix, der Polizist, der sich eines alten Traumas bewusst wird. Egon, der seine Arbeit in der Fabrik hasst und seinem alten Hutgeschäft nachtrauert. Die Eheleute Theres und Werner, deren kleiner Laden langsam pleite geht. Maren, deren Ehemann sich sehr verändert hat und kein Interesse mehr an ihr zeigt. Finn, der Fahrradkurier, der aus Berlin geflüchtet ist und der sich in die etwas eigene Gärtnerin Manu verliebt hat. Winni, die in der Schule aufgrund ihres Aussehens gemobbt wird und noch einige andere.

Je Kapitel befindet sich eine der Personen im Mittelpunkt. Sie alle sind mit dem Geschehen auf dem Dach in irgendeiner Weise verbunden bzw. stehen irgendwie in Kontakt miteinander.

Um bei dieser Vielzahl an Figuren nicht durcheinander zu geraten, schrieb ich mir nebenbei die Namen auf. Das klappte dann ganz gut. Diese recht verschiedenen Figuren nahmen mich sehr gefangen. Viele sind einsam, werden nur in ihren wenigen Beziehungen sichtbar. Die meisten von ihnen müssen mit schwierigen Lebenssituationen, mit Krisen und Verlusten umgehen.

Die Unvollkommenheit der Welt wird aufgezeigt und gleichzeitig Trost gespendet, dass es anderen doch ähnlich geht.

Sehr deutlich lenkt die Autorin den Blick auf Unstimmigkeiten unserer Gesellschaft. Sie kritisiert Polizei und Politiker, die Sensationslust, das Ergötzen am Leid anderer, die fehlende Empathie und Gleichgültigkeit der Menschen. Sie beleuchtet Beziehungen und das Verhalten Einzelner in Krisensituationen. Aufgrund der Vielzahl von Menschen gibt es natürlich eine Vielzahl von Themen und eine Fülle an Gedanken.

Es ist sehr kurzweilig geschrieben, amüsant, an einigen Stellen, besonders zu Anfang auch berührend sowie nachdenklich machend.

Was mich leider gar nicht überzeugt hat und aus dem Roman wieder heraus katapultiert hat, waren die Gründe, warum die Frau – über Stunden - auf dem Dach stand. Das fand ich sehr, sehr unrealistisch! Und das als Herzstück des Romans...nein, nein, nein. Schade!

Auch fand ich den Transport der Gedanken zuweilen sehr holzhammermäßig, sehr laut, sehr überdeutlich. Manche Szenen erschienen zudem sehr übertrieben/überdreht oder auch etwas kitschig.

Fazit: Der Roman hat gute Seiten und weniger gute Seiten. Dennoch hat der Roman mich gut unterhalten, hat einige einprägsame Figuren erschaffen und einen interessanten Blick auf unsere heutige Gesellschaft geworfen, so dass ich ihn letztendlich doch empfehle..:)

"Wenn du gut leben willst, musst du ein verdammt guter Verlierer sein." (S.110).

Veröffentlicht am 27.09.2019

Die junge Frau auf dem Dach

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Ein Dienstagmorgen in der mittelgroßen Stadt Thalbach bei Freiburg: Oben auf dem Dach eines Mietshauses steht eine junge Frau. Sie tobt, reißt die Ziegel aus ihrer Verankerung und wirft Gegenstände vor ...

Ein Dienstagmorgen in der mittelgroßen Stadt Thalbach bei Freiburg: Oben auf dem Dach eines Mietshauses steht eine junge Frau. Sie tobt, reißt die Ziegel aus ihrer Verankerung und wirft Gegenstände vor die Füße der zahlreichen Schaulustigen. Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr und Presse haben sich postiert. 20 Stunden lang hält die Stadt den Atem an: Wird die junge Frau noch springen? Für Finn Holzer, einen Fahrradkurier, ist der Vorfall ein großer Schock. Erst vor Kurzem hat er sich in die junge Frau verliebt. Auch die Schicksale einiger anderer Menschen werden von diesem Vorfall beeinflusst.

„Der Sprung“ ist ein Roman von Simone Lappert.

Meine Meinung:
Der Roman ist trefflich konstruiert. Er besteht aus drei Teilen, die mit „Der Tag davor“, „Erster Tag“ und „Zweiter Tag“ bezeichnet werden. Darüber hinaus ist er in viele eher kurze Kapitel untergliedert, die jeweils mit dem Namen des Protagonisten überschrieben sind, dessen Sichtweise der Leser im Folgenden kennenlernt. Erzählt wird aus der Perspektive von insgesamt zehn Personen. Dadurch entsteht eine ungewöhnlich große Anzahl an Erzählsträngen, die jedoch miteinander verbunden sind. Der Aufbau ist sehr gut durchdacht.

Gut gefallen hat mir auch der unaufgeregte Schreibstil. Die Sprache ist poetisch und geprägt von vielen, teils ungewöhnlichen Bildern, die eine dichte Atmosphäre erzeugen. Ein aufmerksames Lesen ist gefragt, denn die Autorin versteht es, immer wieder kleine, aber wichtige Hinweise einzustreuen. Obwohl die Geschichte nur langsam an Fahrt aufnimmt, hat mich der Roman bereits nach wenigen Seiten gefesselt.

In der Geschichte taucht eine Vielzahl an Personen auf. Zunächst einmal wäre da die junge Frau auf dem Dach, die der Leser aber nur aus der Perspektive der anderen kennenlernt. Sie ist ein reizvoller Charakter, für mich allerdings weder Identifikationsfigur noch Sympathieträgerin. Auch die zehn Protagonisten, aus deren Sicht erzählt wird, sind interessante Figuren. Die meisten von ihnen sind vielschichtig angelegt und wirken authentisch. Einige wenige dagegen werden klischeehaft und überspitzt dargestellt. Die Vielfalt an Personen ermöglicht es, ein breites gesellschaftliches Spektrum abzudecken. So werden interessante Verbindungen aufgezeigt und veranschaulicht, wie die Leben ganz unterschiedlicher, zum Teil sich fremder Menschen miteinander zusammenhängen können. Insgesamt wirkt der Roman dadurch allerdings etwas zu überfrachtet, weshalb ich mir eine Fokussierung auf weniger Protagonisten gewünscht hätte.

Auch inhaltlich ist die Geschichte vielseitig gestaltet. Die junge Frau auf dem Dach bildet lediglich die Rahmenhandlung. Den meisten Raum nehmen die unterschiedlichen Schicksale und Lebensgeschichten der anderen Protagonisten sowie deren menschliche Abgründe ein. Einige konnten mich mal mehr, andere aufgrund der recht schnellen Perspektivwechsel mal weniger berühren. Mit den verschiedenen Personen geht ein Kaleidoskop an Themen einher, was die Lektüre abwechslungsreich macht. In etlichen Details wird deutlich, dass die Autorin viel Energie in die Recherche gesteckt hat.

Der Roman basiert auf einem wahren Ereignis und dessen Umständen, die Simone Lappert nachhaltig beschäftigt haben. Schonungslos zeigt sie in der Geschichte den Voyeurismus und seine Motive auf. Bei anderen Fehlentwicklungen legt sie ebenfalls den Finger in die Wunde. Aber auch über diesen Punkt hinaus schafft es der Roman immer wieder, zum Nachdenken anzuregen. Insofern steckt in ihrem Buch eine Menge Gesellschaftskritik. An einigen Stellen wirkt die Handlung jedoch etwas zu plakativ und übertrieben.

Das verlagstypische, künstlerische Cover hat wenig Aussagekraft, ist aber nicht unpassend. Der Titel, dessen Mehrdeutigkeit sich während der Lektüre offenbart, ist sehr treffend.

Mein Fazit:
Mit „Der Sprung“ ist Simone Lappert trotz kleinerer Schwächen ein in mehrfacher Hinsicht besonderer und lesenswerter Roman gelungen, der mehr als nur unterhält.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Der Sprung ins Leben

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Meine Meinung und Inhalt

Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2014 erschien ihr Debütroman ›Wurfschatten‹. Sie lebt und arbeitet ...

Meine Meinung und Inhalt

Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2014 erschien ihr Debütroman ›Wurfschatten‹. Sie lebt und arbeitet in Basel und Zürich.

„Bevor sie springt, spürt sie das kühle Metall der Dachkante unter den Füßen. Eigentlich springt sie nicht, sie macht einen Schritt ins Leere, setzt den Fuß in die Luft und lässt sich fallen, mit offenen Augen lässt sie sich fallen, will alles sehen und auf dem Weg nach unten, alles sehen und hören und fühlen und riechen, denn sie wird nur einmal so fallen, und sie will, dass es sich lohnt…“ (ZITAT)

Dienstagmorgen in einer mittelgroßen Stadt. Manu, eine junge Frau in Gärtnerkleidung, steht auf dem Dach eines Mietshauses. Sie brüllt, tobt, wirft Gegenstände hinunter, vor die Füße der zahlreichen Schaulustigen, der Presse, der Feuerwehr.

Die Polizei geht von einem Suizidversuch aus. Einen Tag und eine Nacht lang hält die Stadt den Atem an.

Als Leser fragt man sich, warum sie das tut. Was ist passiert. Man überlegt, was zwischen der vorher geschilderten Geschichte von Manu und dem Vorfall passiert ist.

„So recht konnte er nicht glauben, dass er das gerade gemacht hate, zum Glück konnte niemand ihn sehen. Dass diese Stadt, die er doch eigentlich verlassen wollte, ihn noch überraschte mit einer Frau, die ihn dazu brachte, um acht in der Früh Plastikzahnputzbecher durch die Wohnung zu werfen, nur um ein paar Minuten mehr mit ihr zu haben, damit hatte er nicht gerechnet.“ (ZITAT)

Für Finn, den Fahrradkurier, der sich erst vor kurzem in Manu verliebt hat, bleibt die Zeit stehen. Genau wie für ihre Schwester Astrid, die mitten im Wahlkampf steckt. Den Polizisten Felix, der Manu vom Dach holen soll. Die Schneiderin Maren, die nicht mehr in ihre Wohnung zurückkann. Für sie und sechs andere Menschen, deren Lebenslinien sich mit der von Manu kreuzen, ist danach nichts mehr wie zuvor.

„Es kam ihr vor, als wäre jeder Kilometer, den er auf dem Hometrainer zurücklegte, ein Kilometer Abstand zwischen ihnen, als wäre er weit weg auf Reisen, selbst wenn er mit ihr am Tisch saß, …“ (ZITAT)

In dem Buch kamen wirklich sehr viele Charaktere vor. Sehr unterschiedliche, die im Buch aufeinanderprallen, sodass man sich sehr konzentrieren musste, um den Überblick zu bewahren.

„Wenn ein Ort sich veränderte, veränderten sich zuerst die Geräusche. Wie die meisten Dinge, dachte Egon, kann man Veränderung hören, bevor man sie sieht.“ (ZITAT)

Zu Beginn war ich etwas skeptisch, in welche Richtung Lappert uns die Protagonisten näher bringen will. Es sind nur kurze Kapitel der unterschiedlichen Protagonisten, ohne enorme Aussagekraft – vielmehr plätschert es vor sich hin. Wieder ein neuer Charakter, teilweise mit Wiederholung. Nichtsdestotrotz ist dieser Roman mit so viel Leben gefüllt, dass er nicht nur über eine eigenwillige Frau berichten will, sondern über die vielen Schicksale, an denen wir voreingenommen oder nichtsahnend vorübergehen.

Am Ende brechen einige Menschen auf, andere zusammen. Manche teilen ihre Geheimnisse, manche behalten sie für sich. Dem einen winkt das Glück, dem anderen die Unsicherheit. Und alles herum scheint verflochten. Ein wirklich gutes Buch, das mich jedoch - augrund der oben genannten Gründe - nicht komplett überzeugen konnte.