Anders als erwartet!
Die Vorfreude auf den Roman war groß! Die fast vergessene Geschichte von Anna Kopchovsky genannt Annie Londonderry, die als erste Frau Ende des 19. Jahrhunderts versucht hatte, alleine mit einem Fahrrad ...
Die Vorfreude auf den Roman war groß! Die fast vergessene Geschichte von Anna Kopchovsky genannt Annie Londonderry, die als erste Frau Ende des 19. Jahrhunderts versucht hatte, alleine mit einem Fahrrad die Welt zu umrunden.
Annie kommt aus ärmlichen Verhältnissen, hat Familie und Kinder und hält sich mit dem Verkauf von Werbeanzeigen über Wasser. Sie fühlt sich gefangen in einem Leben, dass sie sich so nicht gewünscht hat. Durch Zufall hört sie von einer Wette zweier wohlhabender Geschäftsmänner, die behaupten eine Frau könne es niemals ohne fremde Hilfe mit dem Fahrrad um die Welt schaffen.
Annie bewirbt sich und wird ausgewählt. Mit höchst fragwürdigen zusätzlichen Auflagen darf sie das Abenteuer ihres Lebens beginnen.
Wer sich jetzt aber auf Reiseabenteuer im Stil von Jules Verne „In 80 Tagen um die Welt“ eingestellt hat, der wird doch eine Enttäuschung erleben. Schon der Start der Fahrt in Amerika verläuft zäh. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis die Protagonistin mal ein wenig Strecke macht und die Geschichte Fahrt aufnimmt.
Die Episode in Europa ist dann auch das Highlight vom Buch. Die Zeit in Paris ist sehr schön geschildert und man hat beim Lesen regelrecht das Gefühl Annie sei in einem neuen Leben angekommen, welches sie ihr altes Leben fast vergessen lässt. Ihre 15 Minuten Ruhm.
Zu Annie habe ich eine ambivalente Beziehung entwickelt. Einerseits bewundere ich ihren Mut fast spontan aus alten starren Regeln und Normen auszubrechen, die es zu jener Zeit noch viel strikter gab. Egal zu welchem Preis. Andererseits wirkt sie durch ihre manipulative und es nicht immer mit der Wahrheit genau nehmenden Art unsympathisch.
Gerne hätte ich noch mehr über den eigentlichen Reiseverlauf erfahren. So bleiben viele Etappen im Dunkeln, vielleicht auch weil es keine gesicherten Informationen über diese Abschnitte gibt.
Das Buchcover hat mir gut gefallen. Fahrrad fahren war zu Annies Zeiten noch ganz anders als man es heute kennt. Dies ist auf dem Cover gut nachvollziehbar.
Fazit: Mit „Die Radfahrerin“ ist Susanna Leonard ein durchaus interessantes Buch gelungen. Hier und da hätte ich gerne mehr über die eigentliche Reise gelesen, aber der Fokus liegt hier eindeutig auf dem Charakter Annie mit ihrer Entwicklung von einer verarmten Ehefrau und Mutter, die es schafft dich von allen Ketten ihres alten Lebens zu lösen und das macht, worauf sie Lust hat. Leider wird man die Figur Annie Londonderry nach Lesen des Buches nicht im Gedächtnis behalten.