Ein tiefschürfender Kriminalroman
Der Einstieg ist ruhig und dennoch sofort atmosphärisch. Die Geschichte beginnt 1980 mitten in der DDR. In nur wenigen Szenenbildern wird deutlich, wie es damals so lief. Wie die Polizei arbeitete, welche ...
Der Einstieg ist ruhig und dennoch sofort atmosphärisch. Die Geschichte beginnt 1980 mitten in der DDR. In nur wenigen Szenenbildern wird deutlich, wie es damals so lief. Wie die Polizei arbeitete, welche Regeln es für Journalisten gab und was passierte, wenn sich jemand nicht daranhielt. Gleichzeitig ahne ich, dass die Ereignisse entscheidend für die Geschehnisse des Herbstes 1991 sein könnten.
Ab Kapitel 1 wechselt Das Schweigen des Wassers zu den Anfängen der Neunzigerjahre. Erzählt wird Das Schweigen des Wassers aus zwei Perspektiven.
Der große Handlungsfaden gehört Arno Groth, Kriminalhauptkommissar und Aufbauhelfer Ost in der fiktiven Stadt Wechtershagen. Er ist ein Außenseiter, die ostdeutschen Kollegen meiden ihn. Groth ist einsam und er vermisst schmerzlich seine tote Tochter Saskia. Was genau geschehen ist, wird erst später kurz thematisiert. Saskia ist ein wichtiger Teil von Groth und durch den beinah beschaulichen Einstieg habe ich Zeit, den Kriminalhauptkommissar in Ruhe kennenzulernen.
Der kleinere Handlungsfaden gehört der Servicekraft Regina Schadow. Sie wirkt undurchsichtig. Es umgeben sie so einige Geheimnisse, die sie nicht preisgibt, was meine Mutmaßungen über sie befeuern.
Durch Das Schweigen des Wassers führt der personale Erzähler, der mir zum einen die Nähe zu den beiden Protagonisten ermöglicht, zum anderen auch eine faszinierende Distanz schafft. Ich habe beim Lesen nicht das Gefühl, mit einen von ihnen Freundschaft zu schließen. Passend zur eher tristen Atmosphäre sind die beiden kein Sonnenschein. Alles wirkt bedrückend und leicht behäbig.
Die Ermittlungsmethoden aus den 1990er-Jahren faszinieren mich, ebenso das Kompetenzgerangel zwischen den neuen Kollegen. Die deutsch-deutsche Geschichte in ihren Anfängen wird düster gezeichnet.
Der Kriminalroman kommt ohne Effekthascherei und raffiniert angelegten Plot Twists aus. Die Erzählart ist unaufgeregt und doch mitreißend. Die Feinheiten des Falls werden authentisch dargestellt und es bedrückt zu lesen, wie jemand völlig unschuldig eines schweren Verbrechens beschuldigt wird. Was nicht passt, wird passend gemacht. Die Konsequenzen davon wabern durch die Geschichte so schwer und beklemmend, dass ich einfach wissen muss, wie alles enden wird.
Zwischenmenschliche Beziehungen stehen im Vordergrund, aber auch die Frage nach Heimatgefühl und wie es sein kann, dass ein Fall erst Jahre später wieder in den Fokus rücken kann, vielleicht auch muss, damit endlich so etwas wie Frieden einkehren kann. In diesem Kriminalroman und auch in dem wahren Verbrechen, welches Das Schweigen des Wassers zugrunde liegt, gibt es nicht nur ein Opfer. Die wahre Tragödie offenbart sich mit jeder gelesenen Seite mehr und mehr, schnürt mir dabei die Kehle zu. Und dazu bedarf es eben keiner adrenalinpeitschender Erzählart.
Das Ende ist genauso unglamourös wie die Geschichte selbst. Es ist ernüchternd und doch zündet da ein Funken Hoffnung. Manchmal bedarf es Geduld, teilweise jahrzehntelange Geduld, bis ein Verbrechen aufgeklärt werden kann. Aber nicht immer kann es auch gesühnt werden. Mich lässt die Geschichte nicht mehr los und so recherchiere ich selbst ein bisschen zu den Hintergründen des True Crime Falles.
Obwohl Susanne Tägder einen fiktiven Ort und Charaktere erschaffen hat, die nur an die Wahrheit angelehnt sind, so gelingt es ihr mit viel Fingerspitzengefühl das Unglück um Karin Grabowski und Werner Engler einzufangen. Sie bleibt bei ihrer Geschichte ganz dicht an den Ereignissen dran, formt nur wenig zu ihren erzählerischen Zwecken um. Am meisten beeindruckt mich, wie sie die Gefühle der wahren Personen in Das Schweigen des Wassers verarbeitet hat und in mir damit tiefe Betroffenheit auslöst.
Fazit:
Das Schweigen des Wassers ist ein ruhiger, aber tiefschürfender Kriminalroman. Hier gibt es keine reißerischen Spezialeffekte, sondern eine fiktionale Abbildung eines Verbrechens, dessen Tragödie einen bedrückenden Umfang genommen hat.