Ein eindringliches, spannendes und wichtiges Buch
Der erste Band der Trilogie beginnt im unbeschwerten Jahr 1926 und der Leser lernt Ruth Meyer und ihre Familie kennen. Der Vater ist mit seiner Schuhkollektion während der Woche unterwegs und Martha, die ...
Der erste Band der Trilogie beginnt im unbeschwerten Jahr 1926 und der Leser lernt Ruth Meyer und ihre Familie kennen. Der Vater ist mit seiner Schuhkollektion während der Woche unterwegs und Martha, die Mutter, umsorgt die beiden Töchter Ruth und Ilse. Mit ihrer eigenen Mutter hat Martha ein eher problematisches Verhältnis, aber mit den Schwiegereltern versteht sie sich ausgesprochen gut. Nachdem es dem Ehepaar Meyer finanziell gut geht, planen sie den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garten in einer ruhigeren Gegend. Martha geht vollkommen in der Planung und der Organisation ihres Haushalts auf. Man lernt Martha als sehr liebevolle Mutter kennen und ein Satz von ihr spricht Bände „Wenn es den Kindern gut geht, geht es mir auch gut“. Nach dem Umzug wird Personal eingestellt, hier zeigt Martha ein glückliches Händchen und verhält sich gegenüber ihren Angestellten sehr freundlich und verständnisvoll. Eine ganz besondere Beziehung baut sich zwischen dem Chauffeursehepaar Aretz und Familie Meyer auf. Das geht so weit, daß die beiden Familien gemeinsame Urlaube verbringen. Kaum im neuen Haus eingezogen, freundet sich Tochter Ruth mit dem Nachbarsmädchen Rosi an und hält sich im Haus des Kaufmanns Merländer sehr gerne auf. Dort lernt sie sehr viel über Stoffe, das Schneidern und die Kunst. Ihre Freundschaft mit Rosi geht sogar so weit, daß Ruth beim Christbaumschmücken hilft und Martha nun auch Tannenzweige in eine Vase stellt. Sie schafft damit die Verbindung von Chanukka und Weihnachten. Es scheint alles bestens bis zu dem Tag als braune Wolken am Himmel aufziehen, Hitler Reichskanzler wird und einige jüdische Familien in ihrer Not eine Auswanderung nach USA oder Palästina in Betracht ziehen. Opern- und Schwimmbadbesuche sind nicht mehr möglich. Familienvater Karl Meyer kauft noch ein Wochenendhäuschen am Rhein, in das sie sich mit ihren Freunden zurückziehen können. Ruth ist aufgeweckt und darf als einziges Mädchen ins Lyzeum, allerdings wird sie wegen ihrer jüdischen Familie bei den Benotungen oftmals benachteiligt. Sie muß sich von ihrer Familie trennen und lebt nun im weit entfernten Bayern. Ebenso diskriminiert wird Martha bei ihrer Führerscheinprüfung und es geht ihr mittlerweile deutlich sichtbar an die Gesundheit. Ihre Welt wird immer bedrohlicher und dieser Band endet mit den Gräueltaten am 10.11.1938!
Dieser ist nur ein ganz kleiner Abriß der Geschichte. Ein Tagebuch als Zeitzeugnis war die Basis für diesen Roman. Ulrike Renk hat die Aufzeichnungen ergänzt, um diesen dramatischen ersten Band zu schreiben. Mehr Details dazu erklärt sie im Nachwort. Es handelt sich um kein Wohlfühlbuch, dazu ist das Thema nicht geeignet, es zeigt aber in aller Deutlichkeit, was nie mehr passieren darf. Durch das bewusste Herausgreifen einer einzelnen Familie samt ihren Gefühlen und Ängsten, das der Leser hier erlebt, ist es besonders eindringlich, berührend und bewegend. Die Figuren wurden liebevoll charakterisiert, auch die Örtlichkeiten und die Atmosphäre wurden so bildlich beschrieben, daß ich als Leser völlig eintauchen konnte und auch die Jugendsprache wirkte authentisch. Die beklemmenden Zustände und die beginnende Bedrohung für die jüdische Bevölkerung wurden gut vermittelt und waren für mich deutlich spürbar.
Ich habe bereits die Australien-Schwestern und die Ostpreußen-Saga gelesen und auch mit diesem Buch hat mich die Autorin wieder begeistert. Es ist spannend geschrieben und ich habe es innerhalb kürzester Zeit gelesen. Jetzt heißt es warten auf den nächsten Band „Zeit aus Glas“. Von mir gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung!