Ein spannender Mystery-Thriller mit faszinierender Grundidee
„Die Sache war nur die: Er glaubte nicht an Übersinnliches. Er wusste aber auch, was er gesehen hatte. Gehört. Gespürt. Wenn es also ebenso wenig eine mysteriöse Begabung war wie eine psychische Erkrankung, ...
„Die Sache war nur die: Er glaubte nicht an Übersinnliches. Er wusste aber auch, was er gesehen hatte. Gehört. Gespürt. Wenn es also ebenso wenig eine mysteriöse Begabung war wie eine psychische Erkrankung, was war es dann?“ (S. 55)
Meine Meinung:
Seit seiner Kindheit nimmt der 18jährige Julian rätselhafte Zeichen („Marker“, wie er sie nennt) an manchen Menschen wahr: tiefschwarze Schatten, wabernde Nebel oder auch lavaartiges Glühen. Nach Jahren der Therapie und unter Dauermedikation wähnt er diese Marker nun verschwunden. Doch bei einem Klassentreffen macht Julian eine schockierende Entdeckung…
Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt über die coole Themenauswahl, mit der uns Ursula Poznanski immer wieder aufs Neue überrascht. In „ORACLE“ dreht sich die Storyline um das Thema Vorahnungen. Poznanski schildert die Erlebnisse geschickt aus der Perspektive des Betroffenen und genau das sorgt dafür, dass wir als Lesende uns nicht sicher sein können, ob Julian tatsächlich eine Art „zweites Gesicht“ hat oder ob doch alles nur einer psychischen Krankheit entspringt. Sehr spannend schildert die Autorin, wie Julian immer mehr zum Getriebenen seiner „Visionen“ wird, paranoide Züge entwickelt und dabei nahezu alle zwischenmenschlichen Beziehungen aufs Spiel setzt, die ihn noch in der Welt verankern. So rätselt man nicht nur mit Julian mit, sondern leidet zugleich auch mit ihm. Was zunächst als unterschwellige, latente Gefahr daherkommt, scheint dabei immer bedrohlicher zu werden – während Julian immer verzweifelter wird und sich in einer philosophischen Zwickmühle wiederfindet: Wenn er in das vermeintliche Geschehen eingreift, macht er es dann überhaupt erst möglich…?
Wie gesagt, eine faszinierende Grundidee und eine spannende Storyline mit vielen sympathischen, aber auch einigen echt widerlichen Charakteren. Bis zum Schluss, der eine legitime Abrundung der Geschichte darstellt, hat mich dieses Buch gut unterhalten. Das Einzige, das ich ein bisschen vermisst habe, sind unvorhersehbare und überraschende Plottwists, wie sie Ursula Poznanski schon oft so meisterlich eingesetzt hat. Hier leider nicht, was für mich einen kleinen Abzug in der B-Note begründet.
FAZIT:
Tolle Grundidee und spannende Handlung. Ein Buch, das gut unterhält, auch wenn es nicht das stärkste Buch der Autorin ist.