Ein Bauwerk für Jahrtausende entsteht
Jan Otlin wächst auf der Prager Kleinseite auf, als die Magdalenenflut, die Tod und Verderben über ganz Mitteleuropa gebracht hat, die alte Judithbrücke wegreißt. Mittendrin seine Mutter. Er schwört sich, ...
Jan Otlin wächst auf der Prager Kleinseite auf, als die Magdalenenflut, die Tod und Verderben über ganz Mitteleuropa gebracht hat, die alte Judithbrücke wegreißt. Mittendrin seine Mutter. Er schwört sich, dass wenn seine Mutter gerettet werden würde, er derjenige Mann sein würde, der die neue Steinbrücke über die Moldau errichten würde. Der Rettungsversuch gelingt und durch Glück und Zufall findet sich Jan Otlin Jahre später wirklich als Brückenbaumeister an der Moldau wieder. Doch mit dem Steinmetz Rudolph von Straßburg hat Jan Otlin einen hinterlistigen Konkurrenten um den Titel als Baumeister der neuen Brücke.
Ich habe mich richtig gefreut auf das Buch. Geschichten rund um historische Bauwerke lese ich sehr gerne, seit mich vor vielen Jahren "Die Säulen der Erde" und im Anschluss "Die Tore der Welt" von Ken Follett so sehr begeistern konnten. Zwar war mir klar, dass die Chancen relativ schlecht stünden, dass dieser Roman an diese Meisterwerke nahtlos anknüpfen würde. Dennoch habe ich mich gefreut, auf ein historisches Prag, eine Großbaustelle, ein Abenteuer und vielleicht ein wenig Liebe. Vieles davon habe ich auch geboten bekommen. Sprachlich macht der Autor für einen historischen Roman sehr vieles richtig: gut lesbar und erzählend, ohne sich im Detailreichtum zu verlieren. Doch schnell habe ich gemerkt, dass die Baustelle zugunsten anderer Handlunsgstränge sehr in den Hintergrund rückt. Es beginnt schon damit, dass das Buch aufgeteilt ist auf zwei Zeitebenen. Der Haupthandlungsstrang in der Zeit von etwa 1355 bis 1365 und "das Ende" das im Jahr 1367 spielt und nur sehr wenig Zeit einnimmt. Immer wieder tauchen kurze Sequenzen des Endes auf und unterbrechen die Hauptgeschichte. Hier erfährt man viel vom Ende der Geschichte, wird neugierig gemacht mit dem Wissen, dass in der Haupthandlung irgendetwas großes geschehen muss, ohne, dass dabei zu genau gesagt werden würde, was es sei. Spannung wird schon einmal gut erzeugt. Auch ansonsten ist die Geschichte in einem schnellen Takt gestrickt und hat mir beim Lesen sehr viel Spaß gemacht.
Der Autor baut die Geschichte also sehr schön auf ein finales Ende hin auf, dessen Einläutung ich mit Pauken und Trompeten erwartet hatte. Je knapper aber die Seiten wurden, die ich noch vor mir hatte, umso unruhiger wurde ich, denn für das eigentliche Ende hatten wir dann nur mehr so knappe 20 Seiten Zeit. Alles was die vielen Seiten zuvor so schön aufgebaut wurde, ist dann so einfach ins Ziel eingewunken worden, ohne große Erklärungen und ohne mich zufriedenstellen zu können. In Hinarbeitung auf das Ziel wurde gemordet, betrogen und gelogen und dann geht es schwuppsdiwupps und alles löst sich erst zum Unwohlgefallen und dann eh schön zum Wohlgefallen der Leserschaft auf. Es liest sich ein wenig wie Torschlusspanik, die den Autor vor dem Abgabetermin des Buches erfasst hätte.
Insgesamt hat mich das Buch mit seiner Geschichte, der Atmosphäre, die stellenweise sogar kurz ins fantastische zu wandern drohte, den Charakteren, die mir, ob gut und böse, sehr viel Freude beim Lesen breitet haben, begeistern können. Also eine klare Empfehlung für Leute, die sich für historisches und die Stadt Prag begeistern können. Denn über das Ende kann man in weiten Teilen hinwegsehen.