Bei diesem Roman, der auch wie viele andere Romane dieser Autorin in England spielt, geht es um das Zusammenwachsen zweier Menschen, Anni und Jack, nach einer für sie sehr großen Trennung von einem Lebensgefährten. Jeder der beiden Protagonsiten bekommt einen Teil im Buch gewidmet, in welchem die Geschichte von jedem erzählt wird. Da erfahren wir aus dem Leben von ihnen, ihren Familien, ihren Freunden, ihren Ex-Partnern und vieles mehr.
Im ersten Teil erleben wir Anni auf der Hochzeit ihres Ex-Partners, der zwei Jahre nach der Scheidung wieder neu heiratet. Die Feier findet in Dartmoor in dem Hotel statt, welches er vor Jahren im Beisein von Anni abscheulich fand. Anni wird zwar zur Unterstützung von ihrer Freundin Hoola begleitet, aber ob der Besuch der Hochzeit ihres Ex wirklich eine tolle Idee war, bleibt anzuzweifeln.
Im zweiten Teil erfährt neben uns auch Jack, dass seine Ex-Frau mit der Tochter Lori aus London weggeht, um in Bath einen anderen Mann zu heiraten und mit ihm dort als Familie zu leben. Jack konnte sich nie vorstellen, auch nicht nach der Trennung, dass seine Tochter nicht jeder zweite Woche bei ihm lebt. Der Umzug erwischt ihn offenbar kälter als die damalige Trennung.
Erst im dritten Teil kommen sich die beiden Protagonisten Anni und Jack tatsächlich näher, obwohl es zuvor schon eine Begegnung gegeben hat. Aber selbst hier sind sie beim Näherkommen noch sehr distanziert.
Dieser Roman hält einige besondere Sachen für die Leserinnen und Leser bereit. Davon einmal abgesehen, dass ich vom Verlag zusätzlich noch Glitzerstift, Stempel und zwei Stempelkissen erhielt, ist dieses Buch auch ein Persönlichkeitsbuch. Ähnlich einem Tabebuch oder Poesiealbum enthält es besondere Seiten, auf denen die Leserinnen ganz persönliche Eindrücke und Ansichten über sich, ihre Familien oder ihren Freundinnen niederschreiben können. Die Überschriften dieser Seiten geben Anregungen, was dort jeweils festgehalten werden kann.
In diesem Roman geht es um Worte, der Titel weist bereits darauf hin. Es geht um die Frage, ob sich jemand in eine andere Person verlieben kann, nur weil er die Worte der anderen Person gelesen hat und kennt. Z. B. wenn man ein Gedicht von jemanden liest. Kann es sein, dass man sich in den Dichter verliebt aufgrund der poetischen Worte? Weil man der Meinung ist, ihn, den Dichter, zu kennen? Mit dieser Idee ist der romantische Roman einmal ganz anders aufgezogen und belegt. Das rechtfertigt die besondere Aufmachung, denn möglichst viele Leserinnen und Leser sollen ihre eigenen Worte auf die vorbereiteten Seiten schreiben.
Dieser Aufbau des Buches hat mir sehr gut gefallen. Man lernt erst ausgiebig die beiden Protagonisten kennen, um dann zu erfahren, wie sie vielleicht zukünftig zueinander stehen werden. Und ob überhaupt.
Anne Sanders benutzt verschiedene Gestaltungselemente, die die Handlung auflockern. Dazu gehören SMS- und Messenger-Nachrichten genauso wie Briefe und Tagebucheinträge. Das sorgt für Abwechslung und beansprucht die wörtliche Rede nicht so sehr.
Anne Sanders ist ihre Zuneigung zu England und Schottland in ihren Romanen deutlich anzumerken. Deshalb sind die Beschreibung der Park, Plätze, Straßenzüge und Orte jedes Mal eine Freude für einen England-Liebhaber. Viele kleine Tipps für den Besuch der britischen Inseln sind in den Szenen versteckt, so dass es ein Gefühl von Heimkommen erwecken kann. Und wenn gerade auch keine Reisen dorthin möglich sind, fühlt man sich bei dem Besuch in einem Pub zusammen mit Anne Sanders sehr heimisch.
Bei aller Freude über ein Wiedersehen in bekannten Gefilden gab es leider zwei bittere Tropfen, die eher wohl eher dem Lektorat als der Autorin zuzuschreiben sind. Leider verraten die Überschriften der Kapitel bereits die Story und klauen den einzelnen Kapiteln die Spannung. Manche Kapitel müssen nicht gelesen werden, weil man anhand deren Überschrift schon weiß, was kommt. Das ist sehr schade. Und ein No-Go in meinen Augen sind die Gendersternchen in einem belletristischen Werk. Bei allem Feminismus sollte man einen wunderschönen Roman dadurch nicht kaputt machen.
Mir hat der Roman schlussendlich sehr gut gefallen, obwohl ich ehrlich gestehe, dass er nicht ganz an »Sommer in St. Ives« von Anne Sander heranreicht. Besonders in den ersten beiden Teilen fehlt das beschwingende, das fröhliche und unbeschwerte Auftreten der Figuren. Sie verharren zu sehr in ihren Depressionen nach der Trennung von ihrem vorherigen Partner. Nichtsdestotrotz ist er wunderschön zu lesen, unterhaltsam, anregend und inspirierend für Leser, die die englische Landschaft lieben und die romantische Geschichten mit viel Schmerz mögen.
© Detlef Knut, Düsseldorf 2021