Ein glänzender Abschlußband
Leider heißt es nun Abschied zu nehmen. Die Tetralogie um die Schwestern vom Ku`damm hat mit dem vierten Teil ihren krönenden Abschluss gefunden. Für mich ist es der emotionalste Band, mit dem die Autorin ...
Leider heißt es nun Abschied zu nehmen. Die Tetralogie um die Schwestern vom Ku`damm hat mit dem vierten Teil ihren krönenden Abschluss gefunden. Für mich ist es der emotionalste Band, mit dem die Autorin der Reihe noch einen letzten Schliff verpasst hat und sie damit perfekt machte. Gefühlvoll und lebendig hat Brigitte Riebe die Geschehnisse um das Modekaufhaus geschildert und sehr gekonnt mit deutscher Geschichte verwoben.
Nachdem Rike, Silvie und Florentine in je einem Buch die Hauptprotagonistinnen waren, gibt es nun den lang erwarteten Abschlussband. Er wurde auf Bitten der Lesegemeinschaft geschrieben. Ursprüglich war eine Trilogie geplant.
Ein neuer Morgen, nach meiner Meinung passt dieser Titel sehr gut zur Handlung. Miriam Feldmann, genannt Miri, ist die Schwester, deren belastende Vergangenheit sie jetzt immer öfter zurück erinnern lässt und mich erschauern ließ. Für sie ist jeder neue Morgen ein Glücksmoment auf ihrem Weg dem Naziwahnsinn zu überleben. Sie ist die uneheliche Tochter von Friedrich Thalheim und Ruth Sternberg, einer Jüdin. Vordergründig nimmt die Gegenwart der Jahre 1966 bis 1971, den so genannten Swinging Sixties. den größten Teil dieses Bandes ein. Es sind Zeiten der Umbrüche, sowohl in Musik und Mode als auch in den Köpfen der Menschen. Allen voran der Jugend. Sie rebelliert und protestiert. Es kommt zu Studentenunruhen in Westberlin, der BRD und anderen westlichen Staaten. Diese enden oft in blutigen Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit.
Schon das Cover, das in knallig, frischen und fröhlichen Farben hervor sticht, lässt ahnen, dass eine neue Epoche bevor steht. Die Zeiten der Eintönigkeit und Tristesse sind vorbei. Die Menschen haben schon einen kleinen Wohlstand erreicht. Nun wollen wieder Spaß und Freude am Leben,
Wie ich es von Brigitte Riebe gewöhnt bin, zieht sie mich von der ersten Seite an in ihren Bann. Man spürt, sie will nicht nur eine Geschichte um das Kaufhaus schreiben, nein, sie will vor allen Dingen, die Leser zum Nachdenken und Hinterfragen anregen. Ihr fließender bildlicher Schreibstil trägt dazu bei, tief in der Handlung zu versinken. Diese spielt auf zwei Zeitebenen. Die fiktive Familie Thalheim lebt in einer Zeit, die auch ich als Heranwachsende erlebte. Nur ganz anders. Als Deutsche. In der DDR. Gemeinsam ist uns nur noch die Zeit bis zum Kriegsende.
Ein trauriges und gleich unter die Haut gehendes Gedicht leitet das Buch ein. Geschrieben von einem jungen Mädchen, Selma Meerbaum-Eisinger das nicht lange leben durfte.
Der Prolog beginnt mit einer besorgten Mutter, Ruth Sternberg, die nur eines im Sinn hat, die kleine elfjährige Miriam zu schützen. Sie ahnt, was durch die Nazis auf sie zukommt.
Miriam Feldmann ist fest in das Kaufhaus integriert. Sie ist dort die Chefdesignerin. Die Weichen für eine tiefgreifende Umgestaltung des Modekaufhauses werden von ihr gestellt. Die Zeit wird immer schnelllebiger und wenn die Familie das Kaufhaus weiterführen will, muss sie sich den Anforderungen einer stets wechselnden Mode stellen. Kein leichtes Unterfangen.
Familie Feldmann hat gerade ihr neues Zuhause bezogen. Aus der kleinen Jenny ist ein pubertierendes junges Mädchen geworden, das sich gegen die Eltern austestet. Und nun das Unglaubliche für Miri. Was eigentlich fast unmöglich war. Sie ist schwanger. Mit 42. Ausgerechnet jetzt trifft sie auf eine Freund aus ihrer schlimmsten Zeit. Moritz Schwarz. Ihre nicht verarbeitete Vergangenheit hat sie eingeholt und wird vor ihren Augen wieder lebendig. Mit Moritz kann sie darüber sprechen. Ihre Familie weiß nichts über Miri`s schlimmste Zeit als so genanntes U-Boot. Ihr Leben bestand aus untertauchen und angst.
Eingeflochten in aktuelle Erlebnisse beschreibt Brigitte Riebe Episoden aus Miri`s Überlebenskampf im dritten Reich. Ihre Mutter wurde schon sehr früh von den Nazis abgeholt und sie war auf sich allein gestellt. Wie gut, dass es immer wieder Menschen gab, die ihr Hilfe und Halt gaben.
Miri beginnt allmählich in der Familie über dieses gefährliche Leben zu erzählen. Es gibt immer einen kleinen Auslöser, ein Bild oder einen Geruch, der dies in ihr auslöst. Ich kann mir vorstellen, dass es für sie gut ist, darüber zu sprechen. Es ist zwar tief in ihr verschlossen aber es ist nur ein Verdrängen. Mir scheint, dass keiner der Familienmitglieder eine Ahnung davon hat, was damals mit den Juden geschah und was in Miriam vorging. Gut das es Menschen wie Moritz, der selber durch seine Krankheit, ausgegrenzt war und seine Mutter gab.
Sehr interessiert aber auch traurig begleite ich die Feldmann`s in diesen fünf Jahren der Swinging Sixties mit seinen weit reichenden Veränderungen. Jenny, die es als dunkelhäutiges Mädchen mit krausen Haaren nicht einfach hat. Miriam, die bis zur plötzlichen Frühgeburt der kleinen Lilly arbeitet. Nicht zu vergessen da Modekaufhaus, dass nach einem umfangreichen Umbau den neuen Namen Thalheim City trägt.
Wie bereits in den anderen Büchern der Ku`damm Schwestern, sind auch in diesem finalen Abschlussband die historischen Ereignisse der Zeit eingeflossen. Eine tiefgehende Familiengeschichte, die für mich ihren Höhepunkt mit diesem grandiosen Finale erreichte. Danke für dieses famose Werk, das es mir ermöglicht in die Geschichte des anderen Deutschlands einzutauchen.
Für diesen letzten Teil kann ich leider nur 5 Sterne vergeben, mehr stehen mir nicht zur Verfügung. Es erhält meine absolute Leseempfehlung. Um sich gut in die Handlung einzufinden ist es hilfreich, die ersten drei Bände zu kennen, die allesamt ein Highlight sind.