Über 900 Seiten Science Fiction strahlten mich beim Öffnen des Buches an und Paolini schaffte es tatsächlich, dass mir jede einzelne Seite gefiel! Und weit mehr als "nur gefallen", das Werk zog mich in seinen Bann, ich konnte die Augen nicht mehr von den Buchstaben ablassen, ich verschlang und verlor mich in den Seiten!
Im Mittelpunkt von allem und jedem steht Kira Navárez, Xenobiologin, und mit ihr kam ich von Beginn an äußerst gut zurecht. Ich merkte zu meiner Freude sehr schnell, dass sie nicht blass gemalt wurde, sondern einen lebendigen, vielschichtigen Charakter mit glaubhafter Tiefe darstellt. Im ersten Drittel des Buches lernt man eine eher schwache emotionale Seite von ihr kennen, doch die begrenzt ausgeprägten emotionalen Reaktionen sind in einem hervorragenden Gleichgewicht zu ihrer Persönlichkeit und Ausstrahlung. Ich meine, sie ist eine fähige und ehrgeizige Wissenschaftlerin, die rund 200 Jahre in der Zukunft im Weltall lebt und eine heulende, auf sozialer/emotionaler Ebene stark reagierende Protagonistin wäre hier in meinen Augen etwas fehl am Platz. Kira geht praktisch veranlagt, logisch denkend und neugierig vor und je mehr man sie und ihr Umfeld kennen lernt, desto mehr Emotionen begegnen einem auch, stellenweise ging's mir dann auch echt unter die Haut, direkt ins Herz! Also Kaltherzig oder sowas ist sie bzw. das Buch an sich nicht, keine Sorge. :D
Nicht nur Kira, auch die anderen Figuren machen einen überragend guten Job! Es ist, als würden sie live, in echt, vor einem stehen! Man leidet, rennt, rätselt, lacht mit ihnen mit; lernt sie Szene für Szene besser kennen, versteht ihren Standpunkt und schaut mit der Zeit immer tiefer in sie hinein, lernt sie verstehen. Paolini hat es wirklich wieder geschafft, beeindruckende, lebendige, ATMENDE Charaktere zu schaffen, die ihre Daseinsberechtigung weit mehr als nur erfüllen. Auch all die anderen verschiedenen Formen des Lebens, um nicht zu viel zu verraten, überzeugen auf ganzer Länge. Maan, ich möchte unbedingt an Bord der Wallfish! Da jede Figur ihre eigene Persönlichkeit besitzt, kommen viel Abwechslung, Spannung, Überraschung und Emotionen zusammen, insbesondere bei den Unterhaltungen! Diese sind super realistisch und mitreißend gestaltet, man steht wahrhaftig neben/ zwischen ihnen und hört zu.
Wo ich schon beim nächsten Punkt bin: Der Schreibstil ist äußerst flüssig, wortgewandt, packend! Aufgrund des Genre sind natürlich viele wissenschaftliche Beschreibungen, Fachbegriffe & Co enthalten, doch es liest sich niemals wie Fachliteratur, sondern man bleibt immer in der Geschichte drin und, ich jedenfalls, saugte jedes Wort förmlich auf. Ein paar Abschnitte las ich doppelt, der Grund dafür ist nicht der Satzbau, sondern der Inhalt, denn manchmal sind viele (versteckte) Informationen oder Andeutungen enthalten. Denn ja, Konzentration muss man beim Lesen aufbringen, keine "leichte Kost für zwischendurch", eher "epische Kost". :D In Paolinis früheren Büchern begegnete einem sein Hauch für Ausschweifungen in Form teils langatmiger Erzählungen, doch in Infinitum bemerkt man seinen weiterentwickelten Schreibstil.
Es gibt immer noch lange Erzählungen, doch diese sind nun deutlich besser der Handlung angepasst - im Sinne mehr Handlung, teilweise passiert sogar richtig krass viel in nur kurzen Abschnitten. Die Handlung wirkt aber nie überladen, obwohl auf diesen rund 900 Seiten echt viel passiert!
Ich konnte mir alles richtig gut vorstellen; genauso wie damals bei Eragon war es, als liefe nicht einfach nur ein Film vor meinen Augen ab, sondern ich war live mit dabei und konnte in die Figuren hineinspringen und mitfühlen oder eben daneben stehen und so am Geschehen teilnehmen.
Super fesselnd sind die Gefechte und Kämpfe, man kann dem Geschehen als Leser richtig gut folgen und die Beschreibungen währenddessen von z.B. Räumen oder den Gegnern empfand ich immer in einem angemessenen Rahmen, sodass die Spannung gehalten wurde. Allgemein war ich von Seite eins bis zur allerletzten hin und weg, hatte mal ein Grinsen im Gesicht, dann schüttelte ich den Kopf oder bangte stöhnend mit - Ich empfand wirklich durchweg Spannung, Faszination und Anteilnahme, ersteres wenn auch natürlich in unterschiedlichen Graden.
Paolini ist ein Meister im Worldbuilding, d.h. im Erschaffen von Welten, wodurch diese neue Welt richtig viel Neugierde, Begeisterung, Spannung und viiiele Fragen hervorbringt! Die Historie mit den Lebensläufen und Schicksalen der Charaktere in Zusammenarbeit mit Politik, Intrigen, Wendungen, Kampfszenen, Emotionen und Naturwissenschaften / Logik so erfolgreich zu verbinden ist der Hammer! Wahnsinn! Ereignisse und Entscheidungen sind glaubwürdig aufeinander abgestimmt, Antworten klären Sachverhalte plausibel auf (manchmal verwirren diese auch zunächst => noch mehr Neugierde & Begierde), Richtlinien und Regeln der erschaffenen Welt werden eingehalten und die Gesetze der Physik weitgehend berücksichtigt. Science Fiction ist natürlich auch Fantasy, und das liebe ich, denn so gibt es einige (mysteriöse) Ereignisse und ja, wie so oft werden nicht alle Fragen beantwortet. Ich für meinen Teil erfahre genug und den Rest überlasse ich meiner Fantasie.
Einen für mich sehr wichtigen Aspekt muss ich noch nennen: Als leidenschaftlicher Eragon Fan hoffte ich auf irgendeine Anspielung, Erwähnung, einfach, nun ja, irgendwas. Und ich wurde nicht enttäuscht. Überhaupt nicht. Ganz und gar nicht. Während ich diese Zeilen schreibe erscheint erneut strahlendes Lächeln im Gesicht. Mehr verrate ich nicht, lest selbst!
Zusammenfassend, Leute, ich liebe dieses Buch!
Kann es Eragon das Wasser reichen? -Absolut.
Haut es Eragon von Platz eins meiner Lieblingsbücher/-reihen? -Nein. (Kann mir nicht vorstellen, dass das je ein Buch schaffen wird. :D)
Die Ewigkeit der Sterne hat einen zufriedenstellenden Abschluss, denn ja, es handelt sich um einen Einzelband. Ausgesprochen gut gefällt mir, dass das Ende weder zu kurz noch zu lang geraten ist, quasi genau so viel & lang, dass man als Leser den Abschiedsschmerz stark genug entwickeln kann, um dann mit dem Lesen der allerletzten Zeile aufzuwachen und nicht mehr zu wissen, wo man ist. Realität, Alltag, Atmen - was sind das für Dinge?
Ich weiß, ich wiederhole mich, doch Infinitum besitzt für mich alles, was ein gutes Buch braucht. Lebendige, tiefgründige Charaktere; starke Handlung mit teils unvorhersehbaren Wendungen; Emotionen; Humor; ausreichend Action; fantastische/ mysteriöse Elemente sowie Struktur in der Abfolge der Handlungen.
Könnte man an dem Buch etwas verbessern? Vielleicht. Mindert das mein begeistertes Lesevergnügen? Nope, auch nach dem Lesen hält mich Infinitum noch im Bann.
Ein klares Jahreshighlight, 5/5 Sterne!