RomCom? Da steckt mehr drin!
Ein fröhliches, pinkes Cover mit angesagten Illustrationen, die Lust auf den Sommerurlaub machen. Dazu schreien mich Titel und Klappentext mit "Second Chance" förmlich an. Ich muss zugeben, dass ich nach ...
Ein fröhliches, pinkes Cover mit angesagten Illustrationen, die Lust auf den Sommerurlaub machen. Dazu schreien mich Titel und Klappentext mit "Second Chance" förmlich an. Ich muss zugeben, dass ich nach "Kein Horizont zu weit" ein kleine Vorliebe für die zweiten Chancen entwickle. Allerdings fand ich hier den Kontext einen Zacken schärfer. Denn das Ex-Pärchen Harriet und Wyn haben niemanden etwas von ihrer Trennung erzählt und sehen sich 5 Monate später überraschender Weise beim traditionellen Cottageurlaub ihres Freundeskreises in Maine wieder. Die Idee, die Bombe platzen zu lassen, um das Gewissen und Herz zu erleichtern, scheitert mit der Nachricht, dass ein anderes Pärchen in diesem Urlaub heiraten möchte. Und nicht nur das, denn das geliebte Cottage - ihr Happy Place - soll verkauft werden, es wird also ihre letzte gemeinsame Woche dort werden. Es versteht sich dann natürlich von selbst, dass Harriet und Wyn niemanden diese Zeit vermiesen wollen.
Klingt, als könnte das eine Story mit vielen Fettnäpfchen, lustigen Anekdoten, Blicken, die töten können und einem Happy End werden. Jedoch zieht sich der rote Faden durch den Titel "Happy Place". Emily Henry stellt die Frage, was ist ein Happy Place? Ein Ort, wie das Cottage, Harriets bisheriger Happy Place? Doch dieser Ort wird bald nur noch Erinnerung sein. Kann ein Happy Place auch eine Person sein? Oder eine Tätigkeit? Eine Stimmung? Genau das gilt es herauszufinden. Für mich als Lesende, die sich durch die Geschichte ebenso fragt, was ein Happy Place für mich ist. Wie auch für Harriet, deren Leben so anders verläuft als sie es sich je gewünscht hat.
Ich begleitete Harriet in ihrer Ich-Perspektive und konnte tief in ihre Persönlichkeit blicken. Sie ist ein durchgeplanter Typ, ehrgeizig, versucht es allen recht zu machen, damit diese glücklich sind und zweifelt innerlich, ob sie wirklich genug für sich und für andere sein kann. Diese Zerbrechlichkeit versucht sie nach außen hin nicht zu zeigen, so dass nicht immer klar war, ob ihre Freunde sie so lesen konnten, wie ich es tat. Erst im Dialog zeigte sich, wie gut Harriets Clique sie kannten.
Die Autorin spielte mit verschiedenen Zeitebenen pro Kapitel. Mal abgesehen von der illustren Situation im Cottage, zeigte sich mir Harriets Vergangenheit mit dem Beginn der Freundschaft zu ihren besten Freundinnen, dem Kennenlernen mit Wyn, der gemeinsamen Studienzeit, der Beziehung zu ihren Eltern und noch viel mehr. Ich fand das sehr abwechslungsreich und ich lernte Harriets Lieblingsmenschen und Einflüsse indirekt mit all ihren Ecken und Kanten sehr gut kennen. Eine gute Idee, denn weitere Perspektiven gibt es in dieser Geschichte nicht. So wechselten sich die Kapitel mit "Der Wirklichkeit" und der Vergangenheit an unterschiedlichen Orten ab.
Das Mädelstrio schloss ich sofort ins Herz. Jung, frisch, kreativ und ein wenig verrückt - ich war gern mit Harriet, Sabrina und Cleo zusammen. Auch als ihre Freundschaft um die jeweiligen Partner Parth, Kimmy und Wyn sich erweiterte, wirkte die Gruppe wie ein inner Circle, der sich in- und auswendig kennt. Der schönste Aspekt an einer Clique als Happy Place, die viele Jahre ihrer Jugend bzw. jungen Erwachsenenzeit miteinander erlebte. Ich glaube, gerade in den Momenten der Freundschaft lebte der locker-flockige Schreibstil richtig auf. Ich grinste vor mich hin, obwohl so manche Schnapsidee ein wenig niveaulos daher kommt. Inneres Kind hin oder her, manches muss als Erwachsener nicht mehr sein. Trotz der gemeinsamen Zeit mit ihren Freunden merkte Harriet in diesem letzten Urlaub, dass Menschen sich im Laufe der Jahre verändern können. Das kann weh tun, sich fremd zu werden, mehr Vergangenheit als Gegenwart zu teilen. Die Aufarbeitung dessen ging mir genauso nah wie den Charakteren.
Die Liebesgeschichte zwischen Harriet und Wyn überraschte mich wiederum. Emily Henry erzählt von der Anziehung beim Kennenlernen, doch bei den Beiden ist es nicht dieses typische "Auf den ersten Blick und zack ein Paar" - Ding. Das würde auch nicht zu der Vielschichtigkeit der Charaktere passen. Die Autorin gab beiden die Chance, eine Entwicklung und eine Tiefe hinzulegen, die selbst gegenwärtig noch vorhanden ist. Die Beschreibung ihrer Verbundenheit als Happy Place ließ mich seufzen und fragen, wie zwei füreinander bestimmte Menschen einfach auseinander gehen konnten. Das beschäftigte Harriet genauso und ihr innerer Monolog war wirklich nicht einfach. Ein Hin und Her, ein Widerspruch, ein Gefühlsausbruch, dann die Vernunft, die doch noch spricht. Vermutlich brauchten wir beide Zeit, ihre Gefühle und Gedanken komplett zu verstehen. Das war gut so, denn so ist das, wenn die Liebe ungewollt bricht, dann bricht Chaos aus.
Mal abgesehen von der Beziehung zu Wyn ist ein weiterer wichtiger Punkt die Beziehung zur eigenen Persönlichkeit als Happy Place. Harriet, als eine Person, die hart für ihre Ziele arbeitet und für mich offensichtlich nun an einem Punkt steht, an dem sie einfach nicht glücklich ist. Was macht das mit ihr? Warum ist das so? Ich glaube, dieser Lebensabschnitt, in dem der Weg geebnet und sicher ist, doch nicht glücklich macht, musste in dieses Buch. Damit kann ich mich auch identifizieren.
Über das Ende bin ich glücklich, obwohl eine Alternative angeteasert wurde! Man könnte sich tatsächlich darüber streiten, welches Ende besser ist. Doch die Hauptsache ist, das Gesamtpaket stimmt mit ganz wenig Kritik und der Titel hat im Unterton der Geschichte immer wieder eine Bewandtnis. Also, was ist denn dein Happy Place?