Die langen Schatten der Vergangenheit.
Jessica Lind, bekannt für ihr Debüt Roman „Mama“, erschafft mit ihrem zweiten Roman „Kleine Monster“ erneut ein sehr diffiziles Psychogramm einer Familie.
„Kleine Monster“ startet direkt mit einem Konflikt. ...
Jessica Lind, bekannt für ihr Debüt Roman „Mama“, erschafft mit ihrem zweiten Roman „Kleine Monster“ erneut ein sehr diffiziles Psychogramm einer Familie.
„Kleine Monster“ startet direkt mit einem Konflikt. Die Eltern des kleinen Luca werden in die Schule gebeten – es gab einen Vorfall mit einer Mitschülerin. Was genau passiert ist, darüber schweigen sich alle Beteiligten aus. Die Eltern versuchen es auf unterschiedliche Weise aus Luca herauszubekommen, allerdings ohne Erfolg. Während der Vater Jakob sehr entspannt mit der Situation umgeht und nichts Böses in seinem Sohn sieht, wird Pia als Mutter immer unruhiger. „Jakob sieht nicht, was ich sehe. Weil er das Dunkle nicht kennt. Aber ich kenne es, und wenn Luca auch so ist, dann wegen mir. Wegen meiner Familie.“ S. 146
Die Geschichte wird aus Pias Blickwinkel erzählt, ebenso werden kurze Rückblenden eingefügt, in welchen die Kindheit von Pia und ihren Schwestern beschrieben wird. Unterschwellig wird dabei der ständige Druck von außen auf Pia als Mutter beschrieben. Dieser findet durch ihr eigenen Anspruchsdenken, die Eltern der anderen Kinder, aber auch durch die „Heile Welt“- Ansicht ihres Mannes statt. Zunehmend zerreibt sich Pia an der Sprachlosigkeit ihrer Vergangenheit und dem Wunsch im Hier und Jetzt für ihr Kind vorbehaltlos da zu sein.
Für mich konnte die Autorin sehr gut die Zerrissenheit einer Mutter in dem Wunsch, ihr Kind vollkommen zu lieben, zu beschützen, aber auch der Angst davor, dass etwas nicht stimmt vermitteln. Von Anfang an verfügt dieser Roman über einen äußerst atmosphärischen Kern.
Der Schrecken wird hier nicht platt dem Lesenden aufgedrängt, sondern er ist sehr subtil.
Für mich macht die Autorin etwas sehr Spannendes, sie beleuchtet nicht nur eine dysfunktionale Familie, ferner deren Sprachlosigkeit, sondern sie betrachtet das Verhalten eines Kindes zusätzlich zu dem Blickwinkel der Mutter darauf. Das finde ich unglaublich interessant. Dabei mussten die Figuren nicht durchgehend sympathisch sein, um mit ihnen mitfühlen zu können.
Für mich ist es eine klare Leseempfehlung, welches durch seine großartige Covergestaltung zusätzlich bei mir punkten konnte. In der Danksagung fasst es die Autorin sehr gut zusammen, sie schreibt, dass es die Seele des Romans einfängt. Und nach Beendigung des Buches stimme ich ihr da vollkommen zu.
Wer sich traut, sollte es unbedingt lesen und sich eine eigene Meinung bilden!