Sprachlich hervorragend, inhaltlich nicht ganz überzeugend
„Krummes Holz“ hatte es mir schon auf den ersten Seiten wegen der gelungenen Sprache angetan. Julja Linhof erzählt so bildhaft, daß ich das Gefühl hatte, selbst in dieser hitzeflirrenden Landschaft zu ...
„Krummes Holz“ hatte es mir schon auf den ersten Seiten wegen der gelungenen Sprache angetan. Julja Linhof erzählt so bildhaft, daß ich das Gefühl hatte, selbst in dieser hitzeflirrenden Landschaft zu stehen und den heruntergekommenen Hof mit Jirka zu entdecken. Es werden wenige Worte gebraucht, um die jeweilige Szenerie entstehen zu lassen. Auch gibt es von Anfang an viele Andeutungen auf dunkle Ereignisse und Familienkonflikte, was mich auf die Geschichten neugierig gemacht hat.
Lange erfahren wir allerdings sehr wenig. Die Handlungen und Motivationen der Charaktere bleiben größtenteils im Dunkeln. Der Vater Georg ist verschwunden, Jirka taucht nach Jahren unangemeldet auf und nichts davon wird wirklich angesprochen. Wir beobachten Jirka auf seinen einsamen und stummen Gängen durch das Haus und über das Grundstück und ich fand die Spärlichkeit der Informationen zunehmend schwierig, da mir das Geschehen nicht vorstellbar wurde und auch die Charaktere so recht blass blieben.
Das Erzähltempo ist sehr langsam, eigentlich fast nicht vorhanden. Das funktioniert allerdings lange erstaunlich gut, was für mich zum großen Teil an dem ausgezeichneten Umgang mit Sprache lag. Ich las diesen farbigen Stil sehr gerne. Auch das fast fluide Spiel mit den Zeitebenen ist hervorragend gemacht. Jirka entdeckt diesen Hof seiner Kindheit nach mehrjähriger Abwesenheit neu und dadurch werden allerlei Erinnerungen in ihm wach. Der Wechsel von der erzählten Gegenwart zu den Erinnerungen ist unmittelbar, wird kaum angekündigt oder verdeutlicht und die Zeiten wechseln häufig. Das wirkt beim Lesen fast mühelos, wie von selbst geschehend, was zeigt, wie sorgfältig diese Passagen ausgearbeitet und geschrieben wurden. Es sind letztlich auch eher diese Erinnerungen, die für Erzählfluss sorgen, denn in Jirkas Gegenwart passiert lange Zeit so gut wie nichts. Das Gesamtbild füllt sich so ein wenig.
Ab etwa der Hälfte begann das Buch mich allerdings zu verlieren. Die statische Trostlosigkeit ist ausgezeichnet geschildert, wurde aber zunehmend repetitiv. Ich hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten und mein Interesse an der Geschichte nahm ab, das Ewiggleiche begann mich zu langweilen. Auch die zusätzlichen Charaktere, die für kurze Zeit hineingeworfen werden, brachten für mich eher Irritation, da insgesamt einfach viele Details berichtet werden, die letztlich kaum eine Rolle spielten. Dann kam auch noch eine Outinggeschichte mit allerlei entsprechenden Details hinzu, was thematisch überhaupt nicht mein Fall ist, so daß mir das letzte Drittel des Buches insgesamt nicht mehr gefiel. Die Auflösung des Verbleibs des Vaters war dann durchaus interessant, bzw. wäre es gewesen, wenn sie nicht so untergegangen wäre. Zu diesem Zeitpunkt hatte mich das Buch einfach schon verloren.
Sprachlich ist „Krummes Holz“ durchweg erfreulich, die Autorin hat einen ungewöhnlichen und gekonnten Stil und kann meisterhaft Atmosphäre hervorrufen. Die Handlung hatte Potential, das für meinen Geschmack aber nicht komplett genutzt wurde, vieles blieb zudem offen, und das fast Statische des Erzähltempos ist für ein ganzes Buch m.E. nicht geeignet. Insofern überzeugte „Krummes Holz“ mich nur teilweise.