Hass – Leid – Liebe
Waldesroda ist ein kleiner trister Ort in Thüringen, wo ein verschlossener Menschenschlag lebt. Dort ist damals vor neunzehn Jahren ein unfassbares Verbrechen geschehen, das das Leben komplett verändert ...
Waldesroda ist ein kleiner trister Ort in Thüringen, wo ein verschlossener Menschenschlag lebt. Dort ist damals vor neunzehn Jahren ein unfassbares Verbrechen geschehen, das das Leben komplett verändert hat. Diese Vergangenheit hat Auswirkungen auf die Gegenwart.
In zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt der Autor abwechselnd aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Zum besseren Verständnis sind die Kapitel jeweils mit »NORAH«, »GORAN« und »ER« übertitelt. Cliffhanger an den Kapitelenden dienen dazu, zum Weiterlesen anzuspornen. Das hat Geschke sehr gut umgesetzt.
Rolaf, Peggy, Marcel, Lisa, Daniel, Norah und Goran sind eine eingeschworene Teenager-Clique. Als sich Norah in den vier Jahre älteren David verliebt, bekommt die Clique erste Risse. David will nicht, dass Norah sich weiter mit ihren Freunden trifft. Aus unerklärlichen Gründen ermordet David ein Liebespärchen und wird kurz nach der Tat und seiner Flucht von der Polizei für tot erklärt. Norah ist fortan nur noch die »Freundin des Killers«. Schweigen nach der Tat bringt die Clique endgültig auseinander.
Weil beide der Vergangenheit entfliehen wollen, zieht Norah nach Dresden und Goran nach Berlin.
Neunzehn Jahre später – Norah ist längst wieder in ihre Heimat zurückgezogen – brechen die alten Wunden wieder auf. Mysteriöse Drohbriefe tauchen plötzlich bei Norah auf. Dort werden Dinge erwähnt, die außer ihr nur noch David wissen konnte. Zudem nennt sie der Briefeschreiber »Äffchen«, so wie David sie liebevoll genannt hatte. Ist es ein Indiz dafür, dass er bei seiner Flucht nicht ums Leben gekommen und jetzt zurückgekehrt ist? Ein spannendes Element, das der Autor hier eingebaut hat.
Auch Goran kehrt aus Berlin zurück. Norahs Mutter Elisabeth, zu der Goran immer ein besonderes Verhältnis hatte, erzählt ihm von den Drohbriefen und bittet ihn, zurückzukommen. Norah und Goran hatten schon immer eine engere Beziehung zueinander, wollten sich dies aber nie eingestehen.
In einer auktorialen Erzählweise wird uns das Leben der Protagonisten Norah und Goran vor neunzehn Jahren und in der Gegenwart als Erwachsene mit Mitte dreißig geschildert. Dazwischen erfahren wir aus den Kapiteln, die mit »ER« beginnen, von einer Person voller Wut und Hass, die sich rächen will. Aber an wem und für was?
Im Laufe der Handlung wird »ER« immer mehr zum zentralen Thema. Norah und Goran versuchen, sie oder ihn ausfindig zu machen. Es kann sich nur um jemanden im näheren Umfeld von Norah handeln. Im Ausschlussverfahren derer, die es sein könnten, wird der Kreis immer kleiner.
Wenn man als aufmerksamer Leser die richtigen Schlüsse zieht, kommt man der Lösung schon bald auf die Spur. Es gibt nur eine Person, die die Drohbriefe geschrieben haben kann, auch wenn Geschke versucht, immer wieder andere Fährten zu legen.
Fazit:
Nach »Das Loft« (2022) und »Die Verborgenen« (2023) ist dies der dritte Stand Alone-Thriller von L. Geschke. Wie man hört, will der Autor sich demnächst wieder einer neuen Reihe widmen.
Die Charaktere der einzelnen Figuren sind sehr gut ausgearbeitet. Das trifft in erster Linie auf Norah und Goran zu.
Was in diesem Thriller weiterhin auffällt, ist die Tatsache, dass wir keine polizeilichen Ermittlungen haben, geschweige denn ein Ermittlerteam – lediglich ein oder zweimal wird ein Polizeieinsatz am Rand erwähnt.
Eingefügte Absätze mit Fallzahlen aus der Kriminalstatistik sind interessant und aufschlussreich. Das hat mir sehr gut gefallen.
Leider konnte mich das Setting nicht ganz überzeugen. Eingefügte Plot-Twists hätten die Handlung bereichert. Von der Dynamik her ist »Wenn sie lügt« nicht der stärkste Stand-Alone des Autors.