Temporeich, komplex und spannend!
Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein Weg ...
Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein Weg zurück" hat es ganz schön in sich. Der komplexe Plot, das hohe Erzähltempo, viele Wendungen, Gefühlschaos, liebenswerte Protagonisten, der magische Schreibstil und nicht zuletzt die hübsche äußerliche Gestaltung machen diesen Roman zu einem Buchhighlight, das sich kein Fan von dystopischen Jugendbüchern oder Fantasy entgehen lassen sollte!
Das Cover ist ganz hinreißend gestaltet. Auf weiß-grauem Hintergrund ist ein blau-grün-schwarzer haptisch hervorgehobener Nebelstreifen zu sehen, in dem die Silhouette eines Paares, die Golden Gate Bridge, die Lichter von San Francisco und weiße Vögel zu sehen sind. Auch der Titel nimmt gekonnt die Hell-Dunkel-Kontraste auf. Ohne den Einband ist die gebundene Ausgabe weiß mit dem Titel in Hellblau auf dem Buchrücken, innerhalb der Buchdeckel ist jeder Kapitelanfang mit einer grauen Wolke verziert. Ganz besonders hilfreich fand ich aber das sehr ausführliche Glossar mit Namen und Fachbegriffen, ohne das ich wohl bald aufgegeben hätte.
Erster Satz: "Man sollte sie alle eliminieren."
Denn auch wenn die Geschichte ganz unschuldig beginnt - mit einem ersten Date -, werden wir schnell in ein Wirr-Warr aus politischen Intrigen, rasant wechselnden Einzelinteressen, spannenden Verfolgungsjagden, plötzlichen Entführungen, phantastischen Prophezeiungen und alten Geheimnissen verstrickt. Rein von der Idee her, ist die Geschichte nicht sonderlich komplex und beinhaltet einige Klischees aus dem Jugendbuchbereich. So ist die Protagonistin ein einzigartiges Mischwesen, kommt hinter die Lüge ihrer Identität durch einen rebellischen Jungen, steht im Mittelpunkt einer Prophezeiung, in der sie das Volk der Menschen, der Lichtelben und der Dunkelelben versöhnen muss und wird so zur Bad-Ass-Heldin. Doch auch wenn diese nicht ganz neuen Grundideen die Story in Teilen wie zum Beispiel der Liebesgeschichte vorhersehbar machen, hat Rena Fischer doch die besten Elemente aus Liebesgeschichten, Dystopien, Fantasy und Abenteuerroman genutzt, um eine Geschichte zu schaffen, die so noch nicht dagewesen ist. Eingewanderte Licht- und Dunkelelben, die nach der Verseuchung ihrer Welt in unserer Schutz suchen, aber mit Ausgrenzung, Anfeindung und Rassismus konfrontiert werden und sich auflehnen...? Darauf wäre ich nie gekommen
"Ich habe wie in einer Schneekugel gelebt, dachte Luz bitter. Mit ein paar winzigen Flöckchen Wirklichkeit, die mich ab und an streiften, bis das Date mit Niall meine kleine, schöne Welt ins Rollen gebracht hat und sie an der Wahrheit zerschellt ist."
Dass dieser Mix hochspannend ist, wird durch die vielen Fragezeichen garantiert, mit denen wir in die Geschichte starten. Gleich von der ersten Seite war ich einfach an dieses Buch gefesselt und bin nicht mehr losgekommen, bis nicht auch das aller letzte Wort noch verschlungen war. Während man im ersten Teil der Story zusammen mit Luz hilflos in alle Ereignisse hineinstolpert und verzweifelt versucht, alle Zusammenhänge zu verstehen, Fragmenten der Wahrheit hinterherzurennen und die Motive der Handelnden zu durchschauen, bekommt man im Laufe der Geschichte zusammen mit ihr einen immer besseren Einblick in die Hintergründe der Story. Langsam klären sich dann die ersten Nebenfetzen auf, doch genau dieses perfekte Maß an Undurchsichtigkeit und Verwirrung, das die Spannung wahrt und gerade noch verstehbar ist, zieht sich durch das ganze Buch hindurch. Die ständig schwankenden Einzelinteresse und Motive machen es fast unmöglich genau zu sagen, wer gerade was für wen tut.
"Während sie auf der Treppe ihre Arme und Beine fest um ihn geschlungen hatte, klopfte ihr Herzschlag zart wie Schmetterlingsflügel gegen seine Brust und schlug dennoch wie mit einem Vorschlaghammer Risse in den Panzer darunter. Wie konnte es nur so weit kommen? Einerlei, ob Hernández´ Tochter (...), Ash war vor allem eines: Tabu. Tabu, aus so vielen Gründen, dass Darel eine tragische Ballade darüber hätte schreiben können"
Und das ist wirklich das Genialste an dieser Story - die Autorin schafft es immer wieder, einen hinters Licht zu führen! Wenn man denkt, man hat das Ganze durchschaut, passiert etwas Neues und man weiß wieder so viel wie am Anfang. Nämlich nichts. Ich muss zugeben, dass die Fragenzeichen über meinem Kopf im Laufe der Seiten immer mehr wurden, denn der Plot ist recht komplex und verstrickt, doch alles in allem konnte ich einen guten Überblick behalten. Ja, die Autorin setzt ein recht hohes Aufmerksamkeitspotential voraus, indem sie neben nebulösen Rückblenden den Leser oft übergangslos in neue Situationen wirft, immer neue Figuren erscheinen lässt und die Handlung zunehmend rasanter auf ein sich überschlagendes Ende zu peitscht, doch wenn man sich ein bisschen anstrengt, wird man mit einem logischen und extrem spannenden Gesamtkonstrukt belohnt!!!
"Nicht lange. Was hieß das schon? Fünf Minuten, eine halbe Stunde? Zeit war ein eigenartiges Gewand. Manchmal rutschte sie einem durch die Finger wie Seide. Oder wärmte einen wie Wolle. Gerade schnürte sie sich um ihren Körper wie eine Zwangsjacke."
Ganz große Klasse ist auch der Schreibstil. Man glaubt einfach nicht, dass das erst die zweite Reihe von Rena Fischer ist - zu erfahren und abgeklärt wirkt ihre Schreibweise. Gleichzeitig locker, leicht und einfach, aber dennoch ausführlich, magisch und gut durchdacht. Ihr Satzbau ist dabei abwechslungsreich und umgangssprachlich genug, um gut gelesen werden zu können, dabei aber nicht zu schlampig und ungalant formuliert. Dieser Hochseilakt meistert die Autorin wirklich super, was ich, genau wie ihre Fähigkeit, an den richtigen Stellen gefühlvoll, eiskalt, rasant oder ruhig zu schreiben, sehr bewundere. Es werden durch malerische Beschreibungen wunderschöne Bilder im Kopf erzeugt und die vielen faszinierenden Dialoge sowie die Protest-Poetry-Slams von Darel setzten der Story noch mal ein Sahnehäubchen auf.
"Darel sah ohne Zweifel gut aus. Nicht gut im Sinne von "Ich bin der Junge, dem du vertrauen kannst, der dich zum Lachen bringt und mit dir bis ans Ende der Welt geht", sondern gut wie "Ich bin die Inkarnation all dessen, wovor dein Vater dich beschützen will, am Ende meines bittersüßen Weges wartet auf dich ein Abgrund und wenn ich springe, werde ich dich umarmen und mit mir nach unten reißen."
Gerade auch die Verbindung von brutaler Dystopie mit einigen gesellschaftskritischen, politischen Parallelen zu Einwanderung und Rassismus und den Elben der nordischen Mythologie gelingt ihr gut. Zwar werden die Welten der Elben und die Vorgeschichte um die Mythen in Irland nur grob angerissen und auch die Magie der Elben ist nur andeutungsweise ein Thema, doch durch die vielen kleinen Details wie zum Beispiel die gälischen Namen, fließt die Mythologische Komponente flüssig in die dystopische mit ein. Auch der Rest des Setting wie die Zukunftstechnologien aus dem Jahr 2044 oder die Stadt San Francisco und ihre Umgebung sind schlüssig und authentisch geschildert.
"Angst ist nur ein Gefühl wie Liebe, Freude, Sehnsucht oder Wut. Sie ist dein Freund, Luz. Sie warnt dich. Ohne Angst wärst du kleiner Wildfang bestimmt schon von den Klippen gesprungen, um zu sehen, ob du einfach davonfliegen kannst."
Die Protagonisten haben mir ebenfalls gut gefallen, hier sehe ich aber die Hauptschwäche der Geschichte. Es erzählen hier abwechselnd Luz, Darel und Niall als personale Er-Erzähler in den zum Teil sehr kurzen Kapiteln und nehmen uns so mit in ihre jeweilige Gedankenwelt und ermöglichen es, dass die Hintergrundgeschichten der einzelnen vorkommenden Personen nach und nach eingeschoben werden. Auch zwischen den dreien sind die Fronten oftmals unklar. Mal ist der Eine der Entführer, dann wieder der Retter in letzter Sekunde, sodass die ständige Unsicherheit, wer wirklich "Gut" und wer "Böse" ist, einen als Leser fast in den Wahnsinn treibt. Fest steht jedoch, dass sich relativ flott ein Liebesdreieck anbahnt, dessen Ausgang mir von der ersten Seite an klar war. Davon abgesehen lief mir Luz´/Ashs Entwicklung ein wenig zu plötzlich ab und ging in den ganzen Ereignissen ein wenig unter. Auch von den beiden männlichen Love-Interests erfahren wir noch nicht allzuviel, was ebenfalls dem starken Fokus auf der Handlung zuzuschreiben ist. Luz´ Freund Niall hinterließ somit einen blassen, eher jämmerlichen Eindruck, während der Vorzeige-Bad-Boy-wie-er-im-Buche-steht Darel genauso spannend wie undurchsichtig erscheint. Tatsächlich waren also Luz´ beste Freundin Kelly und der Dunkelelb Adrasel meine Lieblingsprotagonisten. Ich bin aber sehr gespannt, wie sich die Figuren in den nächsten Bänden noch weiterentwickeln werden!
"Versprich mir lieber nichts. Versprechen sind wie Schulden und keiner von uns weiß im Moment, ob wir sie jemals zurückzahlen können. Schenk mir lieber einen Wunsch zum Abschied." (...)
"Dass du immer neugierig bleibst, wünsche ich dir. Auf die Welt und auf all das, was hinter den Dingen steckt."
Das Ende war -wie zu erwarten- kein richtiges Ende. Mit dem gefühlt miesesten Cliffhanger der Welt wird dieser Geschichte nur ein vorläufiger Schlusspunkt gesetzt und ich muss nun mit einem rauchenden Kopf voller Fragen auf den nächsten Band warten. Ja vielen Dank auch, Rena Fischer!!!
Fazit:
Trotz einiger Jugendbuchklischees und den etwas hinter der Handlung zurücktretenden Protagonisten ist diese Geschichte so temporeich, komplex und spannend, dass ich es nur von Herzen weiterempfehlen kann. "Elbendunkel - Kein Weg zurück" beinhaltet die Intensität der Gefühle eines Jugendbuchs, die Spannung eines Krimis, die Magie eines Fantasyromans, die Gesellschaftskritik einer Dystopie und die Komplexität eines Thrillers.