Cover-Bild Der Sprung
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 336
  • Ersterscheinung: 28.08.2019
  • ISBN: 9783257070743
Simone Lappert

Der Sprung

Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen. Was geht in ihr vor? Will sie springen? Die Polizei riegelt das Gebäude ab, Schaulustige johlen, zücken ihre Handys. Der Freund der Frau, ihre Schwester, ein Polizist und sieben andere Menschen, die nah oder entfernt mit ihr zu tun haben, geraten aus dem Tritt. Sie fallen aus den Routinen ihres Alltags, verlieren den Halt – oder stürzen sich in eine nicht mehr für möglich gehaltene Freiheit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.09.2019

Leben heißt bleiben und ertragen, dass alles irgendwann verschwindet

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"Der Sprung ins Glück beginnt mit dem ersten Schritt, aber wer nicht wagt, gewinnt auch nicht. Wer vorwärts kommen will, muss anfangen, auch wenn man Angst vor dem Abgrund hat." (Pinterest.de)
Thalbach ...

"Der Sprung ins Glück beginnt mit dem ersten Schritt, aber wer nicht wagt, gewinnt auch nicht. Wer vorwärts kommen will, muss anfangen, auch wenn man Angst vor dem Abgrund hat." (Pinterest.de)
Thalbach am Dienstagmorgen steht eine junge Gärtnerin auf dem Dach vor Roswithas Café. Da man annimmt, dass die Frau in den Tod springen möchte, informiert man Polizei und Feuerwehr. Doch stattdessen wirft sie vor Wut mit ihren Gartenutensilien und danach mit Dachziegeln. Schnell strömt die Presse und die ersten Schaulustigen um dieses Spektakel zu bewundern. Einen ganzen Tag und Nacht hält die Frau die Stadt in Atem, ehe sie springt. Für Finn ist es ein Schock Manu dort zu sehen, schließlich ist er seit kurzem verliebt in sie. Ebenso ihre Schwester Astrid, als sie die Nachricht erhält. Ein ganz schlechter Zeitpunkt was sich Manu da ausgesucht hat, schließlich kandidiert Astrid für das Bürgermeisteramt. Schneiderin Maren hingegen kann nicht mehr in ihre abgeriegelte Wohnung. Für Theres und Werner die einen kleinen Laden besitzen ist dieses Spektakel eine gute Einnahmequelle. Schließlich müssen die Schaulustigen mit Lebensmittel und Getränken versorgt werden. Und noch weitere Personen kreuzen den Lebensweg von Manu, bei denen danach nichts mehr so ist wie zuvor.

Meine Meinung:
Nicht das unscheinbare Cover mit einem Frauenbild hat mich auf dieses Buch neugierig gemacht, sondern der Klappentext, den ich interessant fand. Bisher hatte ich noch nichts von der Autorin gelesen und war von daher gespannt was mich erwartet. Der Schreibstil ist locker, flüssig, unterhaltsam und in mehrere Kapitel unterteilt. Diese wechseln zwischen den Personen so das man einen Einblick in folgende Charaktere bekommt: Gärtnerin Manu, Kurierfahrer Finn, Ladenbesitzer Theres und Werner, Schneiderin Maren, Hutmacher Egon, Polizist Felix, Schülerin Winnie, Edna eine ältere Frau, Designer Ernesto, Obdachlose Henry, Manus Schwester und Bürgermeisteranwärterin Astrid. So erfahre ich im Laufe immer mehr, welchen Bezug sie zu Manu hatten oder evtl. bekommen. Natürlich entdeckt man so die Probleme, Sorgen und Nöte dieser Personen, sei es in der Vergangenheit oder Gegenwart. Außerdem kommt es bei einigen Personen zu einem positiven Ausgang. Sei es das sie ihr Leben durch dieses Ereignis verändern, ein neues Selbstbewusstsein bekommen oder sie schlicht weg auffallen bzw. entdeckt werden. Die Autorin selbst fährt einiges an Klischees auf, die alltäglich sind oder speziell durch dieses Spektakel hervorgerufen werden. Dadurch entwickeln sich einige Personen negativ oder positiv. Der Sprung selbst wird immer mehr in den Hintergrund gestellt, den das eigentlich wichtige sind die Personen rund um die Handlung. Leider habe ich am Ende nicht ganz verstanden, was mir die Autorin mit diesem Buch bewirken wollte, da wäre sicher eine Zusammenfassung am Ende hilfreich gewesen. Ebenfalls blieben bei mir gerade in Bezug auf Manu, aber auch bei den anderen Personen viele Fragen offen. Ich hatte das Gefühl mitten aus den Gegebenheiten herausgerissen zu werden. Sätze die mir positiv Erinnerung bleiben:

"Blühende Pflanzen soll man nicht umtopfen, da sie sonst verwelken."
"Die eigene Geschichte liegt auf dem Dachboden, den niemand etwas angeht."
"Die Leute sollten mehr rausgehen in die Natur, dann wären sie ausgeglichener, weil sie regelmäßig etwas erleben würden, dann müssten sie sich nicht zu solchen Mobs zusammenrotten."

Manche Charaktere hingegen fand ich überflüssig, da sie kaum oder gar nicht zur Handlung beitrugen. Am Ende bin ich als Leser etwas enttäuscht zurückgelassen worden, was ich schade fand. Trotzdem gebe ich dem Buch für die literarisch gute Ausarbeitung 3 1/2 von 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Sie wollte immer nur ins Leben springen.

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Mit sehr großen Erwartungen bin ich an Simone Lapperts 336-seitigen Roman „Der Sprung“, im August 2019 bei Diogenes erschienen, herangegangen, doch konnte er meinen Erwartungen nicht vollends gerecht werden ...

Mit sehr großen Erwartungen bin ich an Simone Lapperts 336-seitigen Roman „Der Sprung“, im August 2019 bei Diogenes erschienen, herangegangen, doch konnte er meinen Erwartungen nicht vollends gerecht werden und ließ mich etwas zwiegespalten zurück.
Eine mittelgroße Stadt in Süddeutschland. Auf dem Dach eine junge Frau. Wütend. Rasend. Unter ihr der grölende Mob, Handys zuckend, sensationsgeil. Doch am Rande gibt es auch noch die anderen Menschen, die in einer mehr oder weniger festen Beziehung zu dieser Frau stehen. Was geht in ihnen vor? Und vor allem: Was macht der vermeintliche Suizidversuch mit ihnen?
Der Roman beginnt imposant mit der Beschreibung des Sprunges selbst im Zeitlupentempo. Wie fühlt es sich an? Welche Gedanken gehen einem durch den Kopf? All diesen Fragen versucht die Autorin nachzuspüren. Dann unverhofft ein Zeitsprung: „Zwei Tage davor“. Hier werden die ersten Charaktere vorgestellt, denen weitere folgen sollen. Und dieser Aufbau zieht sich durch den ganzen Roman, der auf zwei Zeitebenen erzählt wird: der Sprung selbst und die zwei Tage, bis die Protagonistin den letzten Schritt tut, wobei der Sprung das Geschehen in der Vergangenheit von Zeit zu Zeit unterbricht.
Das Herzstück des Werkes sind die Menschen, die den Sprung „mitverfolgen“ und auch als Kapitelüberschriften dienen. Da ist zum einen das Teenager-Mädchen Winnie, das von seinen Mitschüler/innen wegen ihrer Figurprobleme gemobbt wird. Oder der Obdachlose Henry, der auf der Straße bedeutsame Fragen verkauft. Maren indes lebt mit Hannes, einem Gesundheitsfanatiker, zusammen, ihre Beziehung jedoch ist erkaltet. Felix als Polizist mit einer Ausbildung in Krisenintervention soll die Selbstmordgefährdete von ihrer Tat abhalten – doch er selbst hat seine eigenen Probleme, die ihn zu überwältigen drohen. Astrid, die Schwester der jungen Frau auf dem Dach, macht sich unterdessen Sorgen um ihre Karriere als Lokalpolitikerin. Und dann sei da noch Finn genannt, Fahrradkurier und Freund der vermeintlichen Selbstmörderin, der die Welt nicht mehr versteht und seiner Freundin helfen will. Allen ist gemeinsam, dass ihr Leben aus dem Lot geraten ist. Dreh- und Angelpunkt des ganzen Geschehens sind Roswithas Café und der kleine Laden von Theres und Werner, der eigentlich schon pleite ist, durch das Geschäft mit der Sensation, der selbstmordgefährdeten Frau, aber plötzlich wieder boomt. In das Leben all dieser und noch anderer Personen schlägt „der Sprung“ ein wie eine Bombe – und verändert es (hoffentlich) nachhaltig. So steht im Zentrum des Geschehens dann auch nicht die Selbstmörderin selbst, sondern das Leben ihrer Mitmenschen. Den Grund für den Sprung selbst kann man am Ende zwar erahnen, letztlich bleibt er aber – zumindest für mich – doch ein wenig nebulös.
Sehr realistisch und eindrücklich gelingt es der Autorin, das Szenario selbst darzustellen: die im wahrsten Sinne des Wortes wütende Frau; die skandierenden Massen, die einfach nur den Sprung sehen wollen, ja ihn herbeisehnen; die Medien, die keinerlei Distanz wahren; und schließlich, am nächsten Morgen, den Dreck auf der Straße „wie am Morgen nach dem Karneval“ (S.229), hinterlassen, als die Schaulust befriedigt ist und man sich lieber anderen Sensationen zuwendet. Dieses beinhaltet, genau wie Werners oder Egons (ein ehemaliger Hutmacher) Schicksal, eine ordentliche und angebrachte Portion Gesellschaftskritik.
Nicht ganz so überzeugen konnte mich die Entwicklung einiger Charaktere, denn hier bleibt die Autorin von Zeit zu Zeit oberflächlich (Winnie) oder wird auf mir unangenehme Weise komisch (Maren, Egon), was beides an sich nicht schlecht sein muss, mir aber dem Ernst des Themas nicht angemessen erscheint. Dass Simone Lappert dennoch in der Lage ist, tief und ernsthaft Charakterentwicklungen darzustellen, zeigt sie an anderen Stellen sehr wohl, wenn man sich z.B. Werner und seine Frau Theres oder Edna, eine ehemalige Lokführerin, anschaut.
Sprachlich ist der Roman rundum gelungen: Simone Lappert schreibt flüssig, teilweise poetisch, auf jeden Fall aber plastisch und auf einem angenehmen Niveau. Besonders gefallen haben mir beim Lesen darüber hinaus (Lebens-)Weisheiten, die das Buch an passenden Stellen anbringt und welche zum Denken anregen, z.B. „Leben heißt bleiben und ertragen, dass alles irgendwann verschwindet.“ (S. 110), „Wer wütend ist, hat noch etwas zu verlieren.“ (S. 268) oder „Das Nichtverrücktwerden (ist) die eigentliche Anomalie.“ (ebd.).
Insgesamt handelt es sich bei „Der Sprung“ um einen lesenswerten Roman mit einem wichtigen Thema und ebenso wichtigen Botschaften, der aber meiner Meinung nach durch die immer wieder auftretende Komik ein wenig an Reiz verliert. Trotz allem empfehle ich ihn mit dreieinhalb von fünf Punkten gerne als Lektüre weiter.

Veröffentlicht am 03.09.2019

Mit Ecken und Kanten

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Der Sprung - Simone Lappert

Der Klapptext hat hohe Erwartungen in mir geweckt.
Bis zum Ende war ich nicht sicher, ob sie erfüllt werden können.
Doch, sie konnten!

Wir springen in jedem Kapitel zwischen ...

Der Sprung - Simone Lappert

Der Klapptext hat hohe Erwartungen in mir geweckt.
Bis zum Ende war ich nicht sicher, ob sie erfüllt werden können.
Doch, sie konnten!

Wir springen in jedem Kapitel zwischen den einzelnen Personen hin und her, die sich um Manu auf dem Dach drehen.
Ich mag Geschichten, die sich am Ende zusammenfügen. Vor allem, wenn das Wie und Warum lange verborgen bleiben.
Das ist hier teilweise der Fall.

Allerdings hätte ich mir zu einigen Personen ein weiterführenderes Ende gewünscht. Kein wirkliches Ende oder eine Klärung, aber wenigstens einen Abschluss für den Moment. Um nicht zu Spoilern, möchte ich an der Stelle nicht weiter darauf eingehen.

Jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen und Manu ist der Grund, warum sich über kurz oder lang alles verbindet.

Sehr tief berührt hat es mich nicht, aber es ist ein schönes Buch, gut durchdacht und ein wenig inspirierend das ein oder andere Mal hinter die Fassade zu blicken.

Veröffentlicht am 16.10.2019

Kein einfaches Buch, aber ich fand es gut

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Felix desillusionierter Polizist mit schwangerer Frau.

Maren eine übergewichtige Schneiderin die unglücklich in ihrer Beziehung mit einem Volldeppen ist, dem es in seiner Midlifecrisis nur noch um Training ...

Felix desillusionierter Polizist mit schwangerer Frau.

Maren eine übergewichtige Schneiderin die unglücklich in ihrer Beziehung mit einem Volldeppen ist, dem es in seiner Midlifecrisis nur noch um Training und Kalorienzählen geht.

Egon der in einer Schlachterei arbeitet und früher ein Modegeschäft besaß, dem er noch immer nachtrauert. Er würde so gern mit Roswitha ausgehen, traut sich aber nicht, sie zu fragen.

Finn der bis über beide Ohren in Manu verliebt ist und mit ihr zusammen Pflanzen rettet - oder klaut, je nachdem, wen man fragt.

Henry ein Obdachloser.

Theres, die mit ihrem Mann einen Laden besitzt und kurz vor der Pleite steht.

Winnie, eine Schülerin, die unbedingt dazugehören will, egal, wie schlecht die Vorbilder der beliebten Schüler auch sein mögen, es aber nicht schafft.

Edna, die auf Unterstützung des Amtes angewiesen ist, leidenschaftlich gerne raucht und sich um ihre Schildkröte kümmert. Sie ist es, die im Buch als erstes die Frau auf dem Dach entdeckt.

Ernesto, ein Modedesigner der sich selbst für so wichtig hält, dass er nicht einmal weiß, wie man einen Fernseher bedient.

Astrid, die unter ihrer grauenvollen Schwiegermutter leidet.


Verwirrt? Ja, ich auch! Ich finde das Buch ist interessant gemacht. Eine Frau steht auf einem Dach und springt. Alle diese Charaktere kommen in irgendeiner Weise mit der Frau in Verbindung. Sie gibt ihrem Leben eine neue Richtung, aus den unterschiedlichsten Gründen. Es gibt aber auch Charaktere, die regelmäßig genannt werden, aber kein eigenes Kapitel bekommen, so zum Beispiel Roswitha die ein Lokal besitzt und bei vielen Charakteren als verbindendes Element dient.
Ich finde den Aufbau an sich nicht schlecht, allerdings finde ich es schade, dass so viele Charaktere auftauchen, um dann nur angerissen zu werden. Also man erfährt etwas über die bevor die Frau auf dem Dach auftaucht und dann nochmal wenn sie auf dem Dach ist und das war es dann auch schon wieder. Ich finde das etwas zu knapp. Wenn man schon so viele Charaktere einführt, dann würde ich auch wissen wollen, wie es mit ihnen weitergeht, nachdem die Frau gesprungen ist. Hat ihr Selbstmord auch Auswirkungen auf die Leute? Ich denke, dass das bei einigen der Fall sein dürfte, nicht bei allen, aber bei einigen. Das hätte ich gern noch gelesen.


Noch ein paar Worte zur Gestaltung: Ich mag die schlichten Cover des Diogenes Verlages ganz gern, was ich aber noch schöner finde, ist das Buch ohne Schutzumschlag darunter. Ich finde es schlicht und elegant, es wirkt „alt“ im guten Sinne. Die Seitengestaltung gefällt mir auch sehr. Das Buch ist nur so groß wie ein Taschenbuch, die Seiten sind sehr dünn, aber scheinen nicht unangenehm durch. Was ich aber besonders gern mag, ist die Textur der Seiten, sie sind sehr glatt und fühlen sich einfach toll an, finde ich.


Fazit: Die vielen Charaktere verwirren am Anfang total. Aber es lohnt sich, sich durchzubeißen. Ich habe die Lektüre nicht bereut, auch wenn es jetzt kein Buch ist, dass man einfach mal so liest. Man muss schon aufpassen und darf nicht der Versuchung erliegen abzudriften.
Weil mir aber die Auswirkungen des tatsächlichen Sprungs gefehlt haben und es im Endeffekt nur um die Auswirkungen des „Auf-dem-Dach-stehens“ ging und mir das Buch dadurch irgendwie abgehakt vorkam, bekommt es von mir 3 Sterne.

Veröffentlicht am 03.10.2019

Für mich nicht gänzlich überzeugend

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Auf "Der Sprung" war ich sehr gespannt, weil ich den Gedanken, die Geschichten mehrerer Menschen zu erzählen, sie zusammenfließen, sich kurz zu berühren und sich beeinflussen zu lassen, ganz hervorragend ...

Auf "Der Sprung" war ich sehr gespannt, weil ich den Gedanken, die Geschichten mehrerer Menschen zu erzählen, sie zusammenfließen, sich kurz zu berühren und sich beeinflussen zu lassen, ganz hervorragend finde. Auf wie viele Leben kann ein Geschehnis Einfluß nehmen? Eine spannende Frage.

Das Buch berichtet in kurzen Kapiteln über etwa zwei Tage im Leben diverser Menschen, die in dem Ort Thalbach wohnen, oder ihm anders verbunden sind und deren Schicksale durch eine auf einem Dach stehende, vermeintlich zur Selbsttötung entschlossene Frau Wendungen erfahren. Dies beginnt anschaulich, ich las die ersten Kapitel (jedes ist einem anderen der Charaktere gewidmet) mit Freude. Der Stil ist anschaulich, durchschnittlich, recht gut lesbar. Störend sind die für meinen Geschmack zu häufig verwendeten atemlosen Bandwurmsätze, die ich als ausgesprochen leserunfreundlich empfinde und die stilistisch für mich keinen Mehrwert haben.

Wir lernen die ersten - alle vom Leben irgendwie enttäuschten - Charaktere kennen, Dreh- und Angelpunkt gerade am Anfang ist das Restaurant von Roswitha, die ich herrlich geschildert fand. Einige Geschichten machen gleich neugierig, wie die von Felix mit seiner anstrengenden, wie eine Therapiesitzung sprechenden Freundin. Maren, deren Partner dem Self-Care-Wahn verfallen und zum lieblosen Egozentriker geworden ist. Marens Unsicherheiten und Selbstzweifel, ihre Verletzung waren zu Anfang sehr eindringlich. Winnie, für ihre Schulkameraden nicht dünn und hip genug. Den feinsinnigen Hutkreateur Egon, der ausgerechnet in einem Schlachthof arbeiten muß. Es gibt ein Kaleidoskop von Menschen. Manche sind interessant, man will mehr über sie erfahren. Andere fand ich leider von Anfang an uninteressant und ausgerechnet die Person, die nachher auf dem Dach endet, ging mir von Anfang an gehörig auf die Nerven. So waren diese Kapitel also recht schnell ein gemischtes Vergnügen, was einerseits stark von den jeweiligen Personen abhing, andererseits aber auch von der Tendenz der Autorin, sich hingebungsvoll irrelevanten, teils banalen Details zu widmen. So lesen sich manche Passagen unglaublich zäh und ich fragte mich, warum diese dicke Schicht der unnötigen Detailverliebtheit auf manche Geschichten gekleistert werden mußte. Diese Hingabe ans Unwesentliche machte das Buch dann auch mehr und mehr zur Leseaufgabe anstatt zu Lesevernügen. Wirklich gebannt hat es mich zu keinem Zeitpunkt.

Nach und nach entwickeln sich die Geschichten und auch die Persönlichkeiten dieser Menschen. Dabei erfahren wir im Mittelteil ein gerüttelt Maß an Traumata, traurigen Erinnerungen und ähnlichem. Das war schlichtweg eine zu hohe Schicksalsdichte. Überhaupt ist mir bei diesem Buch gleich einiges zu viel: zu viel (unnötiges) Detail, zu viel "Schicksal", zu viel Kitsch, zu viel aufgesetzte Tiefsinnigkeit. Ja, auch wenn man es am Anfang, als noch erfreuliche Alltäglichkeit bei den gewählten Thematiken herrscht, kaum glauben mag, einige Geschichten gleiten sehr ins Kitschige ab. Allen voran der ohnehin nicht in die Geschichte passende italienische Stardesigner, der für ein arg zuckerwattiges Ende einer der Geschichten sorgt. Auch Maren, so schön kantig am Anfang, liefert uns am Ende eine dieser Szenen, die sich wie ein schlechtes "Nimm Dein Leben in die Hand, Du kannst es!"-Selbsthilfebuch lesen und läßt mich angesichts der "Ich miete mir ein Auto, weil ich nicht mehr Beifahrer sein möchte"-platten Symbolik die Augen verdrehen. Die Absurdität des ganzen Dachgeschehens war mir auch zu übertrieben, wenn die Idee an sich originell war.

Manche Geschichten entwickeln sich interessant weiter, vereinzelte sind anrührend - so zum Beispiel ein altes Pärchen in einem kleinen, von der Zeit überholten Gemischtwarenladen oder jene Dame, die beim Anblick der Frau auf dem Dach die Polizei rief. Es sind auch mehrere Berührungspunkte zwischen den Geschichten gut gelungen, oft ganz beiläufig, manchmal lebensentscheidend. Im Gesamten aber ließ mich das Buch nicht zufrieden zurück, fand ich die Umsetzung der so schönen Idee nicht durchweg gelungen.