Ein Buch wie Nachhausekommen
„Feuerjagd“ von Tana French, erschienen 2024 im S. Fischer Verlag, fühlt sich an wie ein lang ersehntes Nachhausekommen nach einer viel zu langen Reise.
Eingeschlagen in einen Schutzumschlag, auf dem ein ...
„Feuerjagd“ von Tana French, erschienen 2024 im S. Fischer Verlag, fühlt sich an wie ein lang ersehntes Nachhausekommen nach einer viel zu langen Reise.
Eingeschlagen in einen Schutzumschlag, auf dem ein brennender Baum sich erst von Nahem als solcher entpuppt, während das Bild aus der Ferne fast heimelig wie ein Sonnenuntergang anmutet, ein Cover, so passend zur Geschichte, die sich darin entfaltet und so gleichermaßen warum und bedrohlich wie diese, bietet der neue Roman der Bestseller-Autorin auf etwas über 500 Seiten nachhaltigem Papier ein Leseerlebnis, wie es eben nur Tana French auf dem Kasten hat. Für mich eine der begnadetsten Autorinnen unserer Zeit, auf jeden Fall in meinen Top Ten sehr weit oben zu finden.
Wir finden uns zu Beginn des Buches wieder in Ardnakelty ein, ein paar Jahre sind verstrichen, seit dem letzten Roman „Der Sucher“, aber zwischen Cal, Trey und Lena ist alles beim Alten, bzw. nein, das stimmt nicht ganz, die Beziehung ist gewachsen und mit ihr das Vertrauen. Trey baut noch immer große Schutzwälle um sich, doch diese weisen Risse in Richtung von Cal und Lena auf, Risse der guten Art, die man nicht reparieren und restaurieren muss, wie die Möbel, an denen Cal und Trey noch immer arbeiten. Auf den ersten Seiten habe ich erst verstanden, wie sehr ich diese Menschen vermisst habe, wieder in ihre Geschichte einzutauchen hat so gutgetan, wie das Telefonat mit einem nahen Menschen, von dem man lange nichts gehört hat.
Und darum ging ich massiv in Hab-Acht-Stellung, als auf einmal Treys Vater Johnny Reddy wieder nach Ardnakelty zurückkehrt und sich in der Familie einnistet, als wäre er nie fort gewesen – mit ihm ein, aus seiner Perspektive – genialer Plan und: ein Engländer. Wenn eins klar ist, dann das: Ein Engländer in einem irischen Dorf, das kann nur Ärger geben. Cals Misstrauensbarometer schießt zu Recht ins Unermessliche – mehr von der Handlung darf nicht verraten werden, um nicht zu spoilern. Verraten sei nur, dass French ein paar Plottwists auf Lager hat, die man nicht kommen sieht – und dass am Ende ein großes Feuer vieles mit sich reißt und ein erschöpftes Schweigen über alles gleitet.
French schreibt so unfassbar dicht und phantasievoll, wie nur sie es kann. Ihre Art, wie sie mehr als eine Seite lang über eine Vogelscheuche schreibt, und dabei so viele Bilder, Ideen und Eigenarten unterbringt, dass ich am liebsten ein ganzes Buch nur über die Vogelscheuchenstory lesen würde, sagt alles über diese geniale Autorin. Jeder der Menschen in diesem Roman wird so lebendig erfunden und geschildert, dass ich sie beim Lesen sämtlich atmen und sprechen höre, ja es würde mich nicht wundern, wenn ich sie morgen in der Eckkneipe auf einmal treffe. An dieser Stelle auch ein dickes Shout-out an das Übersetzer:innenteam Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, die diese Qualität beeindruckend gut ins Deutsche übertragen.
Am Ende bin ich nur traurig, dass das Buch vorbei ist, die letzten Seiten habe ich gestreckt, solange es nur irgend ging. Nun heißt es wieder warten, bis ich zurück nach Ardnakelty reisen kann. Oder ich schnappe mir einfach nochmal den Vorgängerroman „Der Sucher“. Diesen zuvor zu lesen, würde ich empfehlen, auch wenn „Feuerjagd“ in sich abgeschlossen ist. Einige Dinge versteht man doch besser mit dem Vorwissen aus dem ersten Roman der Reihe – so ist es halt auf dem Dorf: Es hilft, gerade für Zugezogene (Leser:innen) die Vergangenheit und die Regeln zu kennen.