INHALT
Auf dem Land kommen die Leichen wenigstens an die frische Luft!
Glaubenthal: Umgeben von ausgedehnten Wäldern liegt es in einer sanften, von wildromantischen Schluchten durchzogenen Hügellandschaft. Doch der schöne Schein trügt – dieses Dorf hat es in sich. Das bekommt auch Hannelore Huber auf der Beerdigung ihres Mannes zu spüren. Groß war die Vorfreude auf ein beschauliches Leben in Harmonie: endlich Witwe. Nun aber muss sie auf ihre alten Tage auch noch Ermittlerin werden. Denn im Sarg ruht, wie sich zeigt, nicht ihr Ehegatte, sondern eine falsche Leiche. Und in Glaubenthal ist es mit der Idylle vorbei.
(Quelle: Klappentext KIWI Verlag)
MEINE MEINUNG
Mit „Walter muss weg“ hat Bestseller-Autor Thomas Raab den Auftakt einer neuen Krimireihe vorgelegt, der mich mit seinem humorvollen, oft bitterbösen Erzählstil amüsiert und bestens unterhalten hat, aber nicht völlig überzeugen konnte.
Der klamaukige, etwas arg überdrehte Einstieg erinnerte mich im Stil stark an die urkomischen Regionalkrimis à la Kluftinger und konnte mich zunächst nicht so recht überzeugen. Die Entwicklung der facettenreichen Geschichte rund um den verstorbenen Ehegatten der grantigen Huberin, dem falschen Leichnam im Sarg und den beginnenden Nachforschungen der neugierigen Alten schreitet zunächst sehr langsam voran. Dann aber gewinnt die Handlung doch mit unerwarteten Wendungen und nachdenklich stimmenden Szenen zunehmend an Tiefe. Die Ereignisse verdichten sich immer mehr, ohne sich zu überschlagen, und mit den kumulierenden Verwicklungen steigt auch die Spannungskurve. Nach und nach offenbart sich dem Leser ein ziemlich verschachtelter und kniffliger Kriminalfall, der allerdings bisweilen ins Abstruse abgleitet.
Die Krimihandlung ist angesiedelt im fiktiven Glaubenthal, einer abgelegenen Streusiedlung und vermeintlichen Postkartenidylle: eine hochanständige Dorfgemeinschaft und Natur pur mit sanften Hügeln, dichten Wäldern und ausgedehnten Moorlandschaften. Sehr bissig, pointiert und mit herrlicher Ironie gewürzt bringt Raab dann aber die ländliche Dorfgemeinschaft mit entlarvenden Alltagsbeobachtungen wie ihren zwielichtigen Aktivitäten, ihrer Spießigkeit und Doppelmoral auf den Punkt.
Neben der sehr gelungen Hauptfigur mangelt es auch nicht an etlichen skurrilen Nebenfiguren, die mit ihren Macken und verschrobenen Lebensweisheiten bestens zu unterhalten wissen.
Hervorragend gelungen ist Raab seine Protagonistin, die recht grantelige, 70jährige Huber Hanni, die sich anfangs keineswegs als sympathische Alte präsentiert, im Laufe der Handlung auch sehr liebenswerte Züge zeigt und ihr Herz am rechten Fleck hat. Während die polizeiliche Ermittlungsarbeit von einem recht dilettantischen Ermittlungsduo eher erfolglos im Hintergrund verläuft, gewinnt die alte Huber immer mehr an Profil und avanciert allmählich zur gewitzten Hobby Miss Marple. Bei dem immer mysteriöser werdenden Fall stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an und begibt sich auf die Suche nach den Hintergründen. Wenn auch gänzlich ungebeten erhält sie dabei tatkräftige Unterstützung von der kleinen, unerschrockenen Tochter einer Zugereisten und einem zugelaufenen, unerwartet anhänglichen Wolf.
Der Autor versteht es, in den skurrilen, aber spannenden Fall einige überraschende Wendungen und jede Menge witzige, äußerst unterhaltsame Episoden einzuflechten. Die ein oder andere Slapstick-Einlage oder bestimmte Kalauer waren mir aber doch zu viel des Guten.
Insgesamt verwendet Raab allerdings einen sehr herausfordernden, recht anstrengend zu lesenden Erzählstil, in den man sich erst einlesen muss und der sicherlich nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Um ihn mit all seinen Wortspielen und bissigen Seitenhieben richtig genießen zu können, muss man den Roman wirklich langsam und konzentriert lesen und sich die genial konstruierten Sätze mit ihren humorvollen Pointen auf der Zunge zergehen lassen.
FAZIT
Ein sehr außergewöhnlicher, anspruchsvoll geschriebener Krimi mit hohem Unterhaltungswert und viel Sprach- und Wortwitz! Auftakt einer etwas derben, herrlich bösen Krimireihe rund um die grantige Huber Hanni als neue „Miss Marple“ von Glaubenthal!