Fesselnde Fortsetzung
"Man sieht nur, was man weiß." Dieser Aphorismus von Johann Wolfgang von Goethe begleitet uns und Paul Stainer durch das Buch.
Der zweite Fall beginnt mit folgendem Prolog:
„...Nichts konnte sein Fallen ...
"Man sieht nur, was man weiß." Dieser Aphorismus von Johann Wolfgang von Goethe begleitet uns und Paul Stainer durch das Buch.
Der zweite Fall beginnt mit folgendem Prolog:
„...Nichts konnte sein Fallen mehr aufhalten, und er würde unweigerlich dort unten ins schäumende Brodeln eintauchen und versinken. Diese Einsicht löschte die Flamme der Panik aus, und von einem Augenblick auf den anderen erfüllte ihn eine überirdische Ruhe...“
Den Inhaber dieser Gedanken fischt man wenig später tot aus dem Rhein. Die Leipziger Journalistin Marlene Wagner sucht nach ihrem vermissten Bruder. Als sie von diesem Toten erfährt, der ein Zigarettenetui aus Leipzig bei sich hat, eilt sie nach Basel. Der unbekannte Soldat ist nicht ihr Bruder. Dennoch nimmt sie sich vor, dessen Identität zu lüften und ihm ein Denkmal zu setzen. Dass es ausgerechnet das Zigarettenetui ist, das ihr eigenes Leben in Gefahr bringt, weiß sie noch nicht.
Währenddessen schlägt sich Paul Stainer - im wahrsten Sinne des Wortes - mit den schlagenden Studentenverbindungen von Leipzig herum. Denn der jüdische Maler Fritz Sternberg, der erst kürzlich an einer Mensur teilgenommen hat, ist in seinem Hotelzimmer ermordet aufgefunden worden. Es ist übrigens jene Mensur, über die Marlene in der linken Zeitung berichtet hat und deren Artikel im konservativen und nationalen Lager hohe Wellen schlägt.
Meine Meinung:
Der zweite Teil „Abels Auferstehung“ schließt zeitlich unmittelbar an „der rote Judas“ an. Paul Stainer, Kriminalbeamter und Kriegsheimkehrer, ist nach wie vor traumatisiert. Doch nicht nur seine Erlebnisse im Großen Krieg, wie der Erste Weltkrieg damals genannt wurde, sondern auch der Doppelmord an seiner Frau Edith und deren Geliebten, machen ihm zu schaffen. Denn Stainer weiß, dass er eigentlich an der Seite seiner Frau sterben hätte sollen.
Thomas Ziebula ist es wieder bestens gelungen die aufgeheizte Stimmung in Deutschland um 1920 dazustellen. Die Linken agitieren gegen die Konservativen und man übersieht dabei, dass es ein drittes Lager gibt, das händereibend und zündelnd auf seinen großen Auftritt wartet.
Noch immer sind nicht alle deutschen Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommen. Und die, die es geschafft haben wie Paul Stainer sind an Körper und Seele verwundet. Manche machen einfach dort weiter, wo der Befehl der Generäle aufgehört hat:
„...Ich schreibe es nicht gern, doch das Töten fällt mir von Mal zu Mal leichter. Eine verstörende Erfahrung – doch habe ich sie nicht schon im Krieg gemacht?...“
Andere wie Paul Stainer entwickeln einen überlebenswichtigen Sarkasmus:
„...“Deine Frisur gefällt mir, Paul. Wer hat dir die Haare gefärbt?“ „Zwei Herren, die man mir gegen meinen Willen vorgestellt hat – der Krieg und der Tod.“
Die Männer müssen sich in der neuen Ordnung erst orientieren und fordern ihre alten Rechte wieder. Die Frauen, die zwischen 1914 und 1918 die eingerückten Männer in allen möglichen Belangen ersetzt haben, werden nun gekündigt und an den Herd zurückgedrängt. Ohne, dass sich auch nur irgendjemand über sie Gedanken machen würde. Wie die Kriegerwitwe Fine, die seit Jahren Straßenbahn fährt und die Arbeit zum Überleben für sich und ihre Kinder braucht.
Der Autor hat penibel recherchiert und lässt dadurch diese Zeit lebendig erstehen. Sehr gut gelungen sind die Dialoge, die jeweils in der passenden Sprache, auch mit Dialektpassagen, erstellt sind. Der stetig steigende Antisemitismus macht auch vor den Polizisten nicht Halt.
Die Figuren sind lebendig und facettenreich dargestellt. Sie haben alle so ihre Ecken und Kanten. Siggi Junghans steht Stainer loyal zur Seite und darf sich in Fines Tochter Mona verlieben. Auch, die neuerdings wieder aufgetauchte Krankenakte Stainers, sorgt wieder für Bauchweh, denn eigentlich werden Kriegsneurotiker bei der Polizei nicht geduldet. Das und die verabscheuungswürdige Vorliebe des Dr. Kasimirs für kleine Mädchen bieten genug Stoff für einen dritten und vielleicht auch vierten Band.
Das Buch ist wie sein Vorgänger gediegen als Hardcover mit Lesebändchen erschienen. Als Vorsatzblatt ist ein Stadtplan von Leipzig abgedruckt.
Fazit:
Eine gelungene Fortsetzung, die den Vergleich mit ähnlichen Reihen wie die beiden Wiener Serien rund um Inspektor Emmerich (Alex Beer) oder Inspektor Bronstein (Andreas Pittler) oder die Berliner Reihe um Gereon Rath (Volker Kutscher) nicht zu scheuen braucht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne (mehr geht ja leider nicht) und warte mit Ungeduld auf den näc