Über Freundschaft, die Kraft der Kälte und den schwierigen Weg zu sich selbst
Josie ist in ihren Zwanzigern, steht kurz vor ihrer Masterarbeit und hat seit jeher kein besonders positives Bild von sich selbst und ihrem Körper. Ihr Halt und Lichtblick sind ihre besten Freunde Rena ...
Josie ist in ihren Zwanzigern, steht kurz vor ihrer Masterarbeit und hat seit jeher kein besonders positives Bild von sich selbst und ihrem Körper. Ihr Halt und Lichtblick sind ihre besten Freunde Rena und Anton. Doch Rena, die ihr immer unerschütterlich und mit Leichtigkeit alles zu bewältigen schien, hat plötzlich gesundheitliche Probleme, die ihren ganz eigenen Blick auf sich selbst und die Welt verändern. Als ob diese Verschiebung in Josies Umwelt nicht genug wäre, erscheint auch noch der geheimnisvolle Lee in ihrem Leben. Auch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen und doch fühlt sich Josie auf ungeahnte Art und Weise zu ihm hingezogen. Aus diesen Zutaten entspinnt Elli Kolb eine Geschichte über Freundschaft, Liebe, den schwierigen Weg zu sich selbst zwischen Mut, Angst, Akzeptanz und Neuanfang und all dies eingebettet in die fast schon magische, transformative Kraft des Eisbadens.
Die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen, der Freundschaft von Josie, Rena und Anton, aber auch der sich anbahnenden Beziehung zu Lee sind sehr authentisch und sensibel dargestellt. Gelungen fand ich auch den Aspekt des (weiblichen) Gefallenwollens und das Gefühl nur für andere zu existieren in je unterschiedlicher Ausprägung bei Rena, Elli, aber auch Lee. An den Freundinnen gelingt es der Autorin sehr gut zu verdeutlichen, welche Zwänge von Außen, gerade auch auf Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft wirken und wie uns zusätzlich unsere Sozialisation und Erziehung Haltungen aufdrängt, die wir zu lange unhinterfragt mit ins Erwachsenenleben nehmen. Auch das Thema weibliche Menstruation und der Umgang damit wurde für mich sehr gelungen in die Geschichte eingeflochten. Ich bin der Autorin sehr dankbar dafür, so authentisch darüber zu schreiben und damit hoffentlich auch anderen Leserinnen zumindest ein Gefühl geben zu können, mit Schmerz und weiteren Symptomen nicht allein zu sein.
Die Kraft der Kälte konnte sich für mich im Roman jedoch nicht wirklich gut entwickeln. Das Eisbaden, Renas Erkrankung und Vorbelastung durch ihre Sozialisation, Ellis Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein und Körpergefühl sowie Lees Depressionen konkurrierten für mich zunehmend um die Aufmerksamkeit des Romans. Insgesamt fehlte mir etwas Struktur in der Erzählung, einzelne Stränge hätten für mich besser herausgearbeitet und zusammengeführt werden können. Sprachlich konnte mich der Roman nicht komplett überzeugen. Ellis Kälteerfahrung war sehr eindringlich und schön dargestellt. Für mich waren jedoch nicht alle sprachlichen Bilder im Buch wirklich eingängig.
9 Grad ist ein besonderes Buch mit sehr vielen klugen Gedanken und Reflexionen, wie wir in dieser Gesellschaft mit Herausforderungen umgehen und näher zu uns selbst finden können, erzählerisch und sprachlich für mich jedoch mit kleinen Schwächen.