Cover-Bild Macht
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Gesellschaftliche Gruppen
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 176
  • Ersterscheinung: 14.02.2023
  • ISBN: 9783832182229
Heidi Furre

Macht

Roman
Karoline Hippe (Übersetzer)

Liv ist Pflegerin, Mitte dreißig und führt ein scheinbar perfektes Leben in einem Osloer Einfamilienhaus. Sie liebt ihren Mann Terje und ihre beiden Kinder Rosa und Johannes. Aber was kaum jemand weiß, nicht einmal ihr Mann: Liv ist vor Jahren vergewaltigt worden.
Der Gang zum Zahnarzt ist für sie eine Herausforderung; wenn sie nachts von der Bushaltestelle nach Hause läuft, muss sie Terje anrufen. Überall lauert die Angst. Liv bemüht sich, die Oberfläche frei von Kratzern zu halten. Auch wenn sie hinter der Fassade damit beschäftigt ist, ihr Trauma zu bewältigen: Sie will die Opferrolle nicht annehmen. Der Vorfall liegt ein halbes Leben zurück, warum soll er immer noch bestimmen, was sie im Hier und Jetzt tut?
›Macht‹ ist ein Buch mit großer Schlagkraft. Eindringlich schildert Heidi Furre das Nebeneinander von Zweifel und Selbstbestimmtheit, Mut und Wut.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.05.2023

Ein langer, schwieriger Weg

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Liv ist Pflegerin, Mitte dreißig und Mutter zweier Kinder. Sie liebt ihre Familie, und scheinbar führt sie ein perfektes Familienleben. Doch sie hat ein Geheimnis: Vor Jahren wurde sie vergewaltigt. Auch ...

Liv ist Pflegerin, Mitte dreißig und Mutter zweier Kinder. Sie liebt ihre Familie, und scheinbar führt sie ein perfektes Familienleben. Doch sie hat ein Geheimnis: Vor Jahren wurde sie vergewaltigt. Auch ihr Mann weiß nichts davon. Die Geschehnisse von damals überschatten auch heute noch ihr Leben, sei es beim Gang zum Zahnarzt oder beim Nachhauseweg nach einem langen Arbeitstag. Liv will sich nicht in der Opferrolle verkriechen. Doch als eine neue Patientin ins Pflegeheim einzieht, brechen die Erinnerungen wieder über sie herein: Der Bruder der Patientin wurde vor Jahren wegen einer Vergewaltigung angeklagt.

Der Täter kann oft nicht belangt werden, das Opfer einer Vergewaltigung erhält jedoch lebenslänglich: Livs Beispiel zeigt dies sehr anschaulich. Nichts kann die Tat von damals rückgängig machen. Auch wenn sie sich selbst nicht in die Opferrolle zwingen lassen will, wenn sie die Macht über ihr Leben zurückerhalten will – es ist ein langer, schwieriger Weg, den sie dafür gehen muss. Die Autorin Heidi Furre erzählt Livs Geschichte mit einem Cocktail an Gedanken und Emotionen wie Wut und Zweifel. Das macht das Lesen immer wieder schwierig, denn als Leser taucht man tief in Livs Gedanken ein. Auch wenn Liv immer wieder der Meinung ist, die Macht über ihr Leben zu haben, stellt ihre Erzählung das immer wieder in Frage. Nein, es ist kein einfacher Prozess, durch den Liv durch muss. Immer wieder aber fragte ich mich, warum sie sich nicht die Hilfe holt, die sie braucht. Hier ist in meinen Augen ein starker Kritikpunkt an der Geschichte, denn so wirklich deutlich wird mir nicht, wie Liv sich ihr Leben zurückerobern will ohne jede Hilfe von außen.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen, es bleiben noch viele Gedanken zu Liv und all den Frauen, die wie Liv „lebenslänglich“ erhalten haben. Wegen dem Thema möchte ich es dennoch unbedingt weiter empfehlen und vergebe 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Sehr beeindruckend!

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Eines vorab: Dieses wunderschöne Cover, dieser Handschmeichler, der auf einen geschmeidigen und sanften Inhalt schließen könnte, wird dich mit aller Macht in die Tiefe reißen.

TW: Vergewaltigung, Depression

MACHT
Heidi ...

Eines vorab: Dieses wunderschöne Cover, dieser Handschmeichler, der auf einen geschmeidigen und sanften Inhalt schließen könnte, wird dich mit aller Macht in die Tiefe reißen.

TW: Vergewaltigung, Depression

MACHT
Heidi Furre

„Ich versuchte mir einzureden, dass es nicht so schlimm war. Vergewaltigt zu werden ist wie eine Reise an einen Ort, den man schon einmal in einem Film gesehen hat. So war das. Wie wenn einem die Weisheitszähne gezogen werden. Wenn man zum ersten Mal betrunken ist. Ja, so ist es. Jetzt bin ich dran. Ich hatte so viele Porträts von Frauen gesehen, die getötet oder verschwunden waren. Nun war ich auch so ein Gesicht.“ (S.63)

Die 30-jährige Liv wurde vor 15 Jahren vergewaltigt. Sie versuchte es zu verdrängen und das gelang ihr auch, zumindest so lange bis vor 5 Jahren ihr kleiner Sohn Johannes geboren wurde, ab da stürzte alles in sich zusammen - aber nur innerlich. Äusserlich versucht sie sich nichts anmerken zu lassen.
Sie arbeitet in Schichten als Pflegerin, beschmiert die Schulbrote ihre Kinder und geht ins Fitnesscenter. Aber wenn sie ehrlich wäre, und sich jemanden anvertrauen würde, müsste sie zugeben, dass sie in keinem geschlossenen Raum sein kann, keine Straße in einem Wald begehen könnte, dass sie hinter jeder Hecke einen Vergewaltiger erwartet und heimlich Tabletten schluckt - nämlich genau dann, wenn sie weiss, dass der berühmte Schauspieler, der damals eine Frau vergewaltigt haben soll, aber freigesprochen wurde, morgen im Pflegeheim wieder seine Schwester besuchen wird - außerdem müsste sie endlich alles ihrem Ehemann erzählen.

„Manchmal ist es schlimmer zu sagen, ich bin vergewaltigt worden, als tatsächlich vergewaltigt zu werden.“ (S. 135)

Liv hat viele Zwänge. Einer lässt sie bei jeder Gelegenheit zählen, wie viele Frauen sich in einem Raum befinden - wie viele von ihnen wurden bereits vergewaltigt? Ein anderer zwingt sie in jeder Parfümerie den Duft ihres Peinigers aufzutragen.

„In den Umkleidekabinen war einiges los. Die Leute kamen und gingen, die Frauen um mich herum zogen sich um, duschten, schminkten sich, föhnten sich die Haare. Es war gut, dass sie da waren, sie waren auch nackt. Ich zählte nach, wir waren zu acht im Raum. Eine von zehn Frauen in Norwegen wird Opfer einer Vergewaltigung. In diesem Fall war ich diejenige, die in dieser Umkleide die Statistik erfüllte.“ (S. 27/28)

Macht ist schwere Kost, ein bedrückendes Buch und ich habe mich beim Lesen immer wieder gefragt, wer hier Macht über wen hat. Der ganze Schreibstil des Debüts schrie förmlich mit all seiner Wut und Metaphern nach Hilfe!
Ein Buch, welches mir unter die Haut ging und lange in Erinnerung bleiben wird, aber bestimmt nicht für jedermann geeignet ist.
Sehr lesenswert!
4/ 5

Aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzt von Karoline Hippe

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Veröffentlicht am 22.02.2023

Das Leben danach

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„Der Gedanke, allein auf der Welt zu sein, war beruhigend.“

Liv lebt mit einem Trauma. Sie wurde vor Jahren vergewaltigt und hat nicht mal ihrem Mann davon erzählt. Sie versucht ihren Alltag mit Kind ...

„Der Gedanke, allein auf der Welt zu sein, war beruhigend.“

Liv lebt mit einem Trauma. Sie wurde vor Jahren vergewaltigt und hat nicht mal ihrem Mann davon erzählt. Sie versucht ihren Alltag mit Kind zu meistern. Trotz allem gibt sie sich kämpferisch und realisiert gar nicht, dass sie nur zu überleben versucht, bis es zur Konfrontation kommt.

Das Buch ist in sofern etwas Besonderes, weil es auf eindringliche Weise zeigt, wie sich Frauen fühlen, die vergewaltigt wurden. Man erfährt, wie sehr dieses Trauma den Alltag bestimmt und jedes Gefühl von Selbstbewusstsein im Keim zu ersticken droht. Das führt einen beim Lesen ganz nah ran, an diese Machtlosigkeit, die zwanghaften Kontrollmuster, das falsche Sicherheitsgefühl und die Überlebensstrategien, die ständig ablaufen. Und das alles passiert unsichtbar für die Außenwelt. Mich hat das Buch beeindruckt, gerade, weil es um die Folgen geht und weniger um die Vergewaltigung selbst, und Liv versucht, sich ihre Selbstbestimmung zurückzuerobern. Dabei war mir Liv gar nicht unbedingt sympathisch und auch der Erzählstil war mitunter zäh und distanziert. Aber Heidi Furre lässt ihre Leser:innen an etwas teilhaben, dass sich schwer nachvollziehen lässt, wenn man es nicht selbst erleben musste. Ihre Beobachtungen sind behutsam, fühlen sich authentisch an und eröffnen neue Sichtweisen, weshalb mir das Buch trotzdem gefallen hat.

Fazit: Eine Geschichte die sensibilisiert, emphatischer macht und berührende Einblicke gibt, was sie so relevant und wichtig macht.

Veröffentlicht am 19.02.2023

Bedrückend

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Heidi Furres Roman begleitet eine Frau, die ihr Leben nach einer Vergewaltigung bewältigt und zeigt auf, dass ihre traumatische Erfahrung in allen Bereichen ihres Lebens Auswirkungen hat.

Wir folgen Liv, ...

Heidi Furres Roman begleitet eine Frau, die ihr Leben nach einer Vergewaltigung bewältigt und zeigt auf, dass ihre traumatische Erfahrung in allen Bereichen ihres Lebens Auswirkungen hat.

Wir folgen Liv, die als Pflegekraft arbeitet in ihrem Alltag. Immer wieder wird in einer bedrückenden Atmosphäre die Auswirkung der Vergewaltigung deutlich. In jedem Bereich ihres Lebens, auf der Arbeit, mit den eigenen Kindern und in ihrer Freizeit, in ihrer Art die Straße entlang zu gehen ist sie konfrontiert mit den Folgen des Übergriffs, den sie zu ihrer Studienzeit erlebt hat.
Die Geschichte zu lesen lässt auch Lesende bedrückt zurück und zeigt das Ausmaß das eine solche Erfahrung hinterlässt.

Das Buch war schwer zu lesen, weil immer wieder die Gedanken der Hauptfigur um die Vergewaltigung geschweift sind. Und die Nachdrücklichkeit mit der die Autorin das alles beschrieben hat (ohne die Tat selbst zu beschreiben) mich betroffen gemacht hat. Ein Buch über das ich noch lange nachgedacht habe.

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Veröffentlicht am 15.02.2023

(Ohn)Macht

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Vor Jahren gab es einen Vorfall, der Livs Leben für immer verändert hat, ein Vorfall, den sie lange nicht beim Namen nenne kann: Vergewaltigung. Sie gibt sich dem Glauben hin, die Vergangenheit hinter ...

Vor Jahren gab es einen Vorfall, der Livs Leben für immer verändert hat, ein Vorfall, den sie lange nicht beim Namen nenne kann: Vergewaltigung. Sie gibt sich dem Glauben hin, die Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben, lebt ihr Leben, sie ist glücklich mit ihren Kindern und ihrem Mann Terje. Doch immer wieder schleichen sich die Folgen in ihren Alltag ein, alltägliche Situationen machen ihr Angst und drohen sie zurück zu werfen in ein kleines Zimmer, das sie lieber verschlossen hielte. Liv ist Pflegerin und als eine neue Patientin eingeliefert wird, deren Bruder der Vergewaltigung beschuldigt war, kommt die Vergangenheit noch viel stärker zurück und Livs Leben droht auseinander zu fallen.

Mit "Macht" schildert Heidi Furre die Folgen einer Vergewaltigung ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Die Auswirkungen auf Livs leben sind spürbar, erlebbar und doch wirkt durch Furres Schreibstil alles auch irgendwie distanziert. Liv steht mehr für ihre Geschichte, denn als eigenständige Person, sie ist eine von 10 Frauen, eine von 10 die einen Vorfall durchlebt haben, doch sie selbst ist wenig greifbar. Dadurch weckt Furre einerseits die Aufmerksamkeit, sie lenkt den Blick auf die anderen, auf alle Betroffenen, nicht nur auf einen Einzelfall. Überall könnte eine von diesen 10 Frauen stehen, vielleicht lebt sie direkt neben uns?

"Macht" ist ein wichtiges Buch, denn noch immer werden Vergewaltigungen zu oft unter dem Deckmantel des Schweigens begraben, die Scham ist zu groß, die Macht des Gegenübers zu niederschmetternd. In "Macht" geht es nicht um die Tat als solche, sondern um die Auswirkungen auf ein Leben, um die Macht, die sich alle Oper wieder zurückerobern müssen, um den Mut, die Vergewaltigung zu überleben, um den Weg, nicht mehr nur das Opfer zu sein, sondern ein(e) Überlebende(r).

Sprachlich und stilistisch hat mich Heidi Furre mit diesem Buch nicht ganz überzeugt, das Ende wirkt etwas abrupt, die Interpretation bleibt offen, doch ich sehe "Macht" als ein Buch, das für das Thema Vergewaltigung sensibilisiert und den Blick auf das Leben danach lenkt.